Ansichten eines Informatikers

TÜV und Digitalisierung auf zypriotisch

Hadmut
9.4.2025 16:02

So. Ich habe gerade mein Auto zum ersten Mal auf Zypern zum TÜV gebracht.

Muss man hier auch, hier müssen Autos auch alle zwei Jahre zur technischen Untersuchung, ob sie noch verkehrstauglich sind. Ist aber alles eine Nummer friedlicher als in Deutschland, zumal man auf Zypern auch nirgends schneller als 100 fahren darf (wozu auch?).

Man gibt sein Auto, einen Schlüssel und die Zulassungsbescheinigung (oder eine Kopie davon) ab und kommt nach einer halben Stunde wieder. Ich war in der Kantine im Supermarkt nebenan, Mittagessen. Fertig. Alles in Ordnung. Kostenpunkt: 35 Euro. Das heißt hier übrigens M.O.T., aber ich weiß nicht, wofür die Abkürzung steht.

Es gibt aber keinen TÜV-Aufkleber auf dem Kennzeichen. Auch kein Zulassungssiegel. Da steht nur die Autonummer drauf, und das war es. Normale Autos haben weiße Kennzeichen. Es gibt auch gelbe, von denen mir aber bisher niemand sagen konnte, was das bedeutet. Mietwagen haben rote Kennzeichen (schwarze Schrift auf rotem Blech).

Es gibt auch keinen Stempel auf die Zulassung.

Man bekommt zwei Blätter aus dem Laserdrucker: Eine Rechnung/Bestätigung, auf der dann noch Stempel und Unterschrift für die Echtheit. Und ein Blatt mit einem technischen Bericht mit den Bremswerten, der Spurvermessung und so weiter. Ich weiß jetzt, dass mein Auto auf einen Kilometer um 0,4 Meter zur Seite driftet, ich weiß aber nicht, ob das Plus bei +0.4m/km nach links oder rechts bedeutet. Das ist mir aber egal, denn da ich gelegentlich auch auf unbefestigten Straßen fahre und ich gewettet hätte, dass die Reifen mir das übel nehmen, hätte ich das viel größer erwartet. Der TÜV in Deutschland hat mir so etwas noch nie gesagt. Es wirft aber die Frage auf, ob mein Auto ohne mich am Steuer besser geradeaus fährt, als wenn ich am Steuer sitze. Das bedrückt mich.

Die Zulassungsbescheinigung, die ich anfangs immer verwechselt habe, weil sie auf Zypern – wohl aus historischen Gründne – „Logbook“ heißt, obwohl es kein Logbuch ist, sondern auch nur ein A4-Blatt aus dem Laserdrucker, und ich immer dachte, sie redeten vom Wartungsheft, was mein Auto aber nicht hat, ist auch eher simpel gehalten. Der Autohändler meinte damals beim Kauf, als ich fragte, was man im Auto dabei haben muss, die brauche man eigentlich nicht. „They will find you online.“ Angeblich interessiert sich auf Zypern eignetlich kaum noch jemand für solchen Papierkram oder Zulassungsplaketten und sowas, das geht längst alles online.

Sagen wir, fast. Eine böse Falle ist die KFZ-Steuer. Die beträgt zwar auch nur 51 Euro im Jahr, ist aber hinterhältig. Im ersten Jahr nämlich habe ich gar keine gezahlt, weil der Händer sagte, da sei ein Jahr schon im Kaufpreis drin, weil man hier nur einen Versicherungsnachweis braucht, und dann mit dem Auto sofort losfahren kann. Nun dachte ich, man bekommt, wie für alles immer und überall, eine Rechnung. Es kam aber keine. Irgendwann dachte ich, da stimmt was nicht. Ich stand nämlich auch kurz davor, dass sie mir mal den Strom abgedreht hätten. Man darf nämlich auch erst in eine Wohnung/Haus einziehen, wenn die Anwältin/Rechtspflegerin sichergestellt hat, dass man für Strom, Wasser und so weiter angemeldet ist. Dabei war es bei der Anmeldung beim Stromwerk zu einem Schreibfehler in meiner E-Mail-Adresse gekommen, und weil man die Stromrechnungen per E-Mail bekommt, und ich damals noch nicht wusste, dass die alle zwei Monate gestellt werden, ich also anfangs gar nicht merkte, dass was nicht stimmt und irgendwann – nach Gefühl gerade noch rechtzeitig ein paar Tage, bevor man mit den Strom abgeschaltet hätte – nachgefragt hatte, ob ich da richtig angemeldet bin und der Schreibfehler auffiel, ich eigentlich mal eine Rechnung erwartet hätte.

Deshalb war ich misstrauisch geworden, was die KFZ-Steuer angeht. Da gibt es zwar eine Webseite, aus der man aber nicht schlau wird und deren Link nicht funktioniert. Also hatte ich mich mit mehreren Mails beim Verkehrsministerium durchgefragt, ob denn von mir nicht erwartet würde, dass ich KFZ-Steuer zahle. Stellte sich heraus: Ja. Und ich war bereits im Verzug, musste einen Strafzuschlag zahlen. Weiß nicht mehr, 5 oder 10 Euro. Der Punkt ist nämlich, dass man über die Steuer nur informiert wird, wenn man einen besonderen Account hat, den bis dato aber nur zypriotische Staatsbürger bekommen können. Dann bekommt man über diesen Account den Hinweis, dass die Steuer fällig ist. Ist man aber kein Zypriot, hat man eigentlich keine Chance zu erfahren, dass man KFZ-Steuer zahlen muss – und wie, wo und wieviel. Erst auf mein direktes Nachfragen im Ministerium erfuhr ich, dass es da eine Webseite gibt und deren URL. Nächstes Problem: Einloggen. Woher bekommt man das Passwort? Das soll Bestandteil irgendeiner Nummer sein, aber die Zulassungsbescheinigung trägt mehrere Nummern. Ich habe deshalb gelernt, wie man aus einer Zulassungsbescheinigung das Passwort ableitet, mit dem man sich dann einloggen kann, um seine Steuer zu bezahlen. Man sei durch meine Anfrage auf das bekannte Problem erneut aufmerksam geworden und wolle es berücksichtigen und lösen.

Aber sagen wir es so: Das Verkehrsministerium auf Zypern bemüht sich um Kundenfreundlichkeit und baut an Webseiten, auf denen alles schön beschrieben wird, was man wissen muss, die sind halt noch „under construction“. Aber der mir damals fehlende Link auf die KFZ-Steuerzahlung, der ist schon drin. Probleme werden gelöst. 🙂 Warum habe ich solche Bürgeranleitungen auf deutschen Webseiten noch nicht gesehen? Wenn ich jetzt spontan darüber nachdenken sollte, woher ich eigentlich weiß, wie man in Deutschland ein Auto besitzt, dann fällt mir eigentlich nur die Fahrschule vor über 40 Jahren ein. Und wesentlich geändert hat sich seit über 40 Jahren eigentlich auch nichts, außer dass es jetzt nicht mehr KFZ-Brief und KFZ-Schein, sondern Teil 1 und Teil 2 oder so ähnlich heißt.

Eine gewisse Skepsis gegenüber der Aussage des Autohändlers habe ich gefunden, als ich mir mal die Mühe machte, das griechische Kleingedruckte auf der Rückseite zu übersetzen. Da steht nämlich, man möge die Zulassung im Fahrzeug mitführen – und das bitte im Original. So ganz sicher bin ich mir noch nicht, ob das „They will find you online.“ wirklich reicht.

Also fragte ich, ob ich den Prüfbericht und die Bestätigung mitführen müsse (in Deutschland muss man das nämlich, auch wenn das noch nie jemand von mir sehen wollte).

Nein, war die Antwort. „They will find you online.“

Ist Euch mal aufgefallen – nein, blöde Frage, wie sollte Euch das aufgefallen sein – mir ist aufgefallen, dass das kleine Zypern irgendwie digitaler ist als Deutschland. Es gibt zwar hie und da noch ungelöste Problemchen in Spezialfällen (siehe Stromrechnung und KFZ-Steuer), aber generell läuft hier viel, viel mehr digital als in Deutschland.

Parkgebühren zum Beispiel.

Mal abgesehen davon, dass gebührenpflichtige Parkplätze hier eine ziemliche Seltenheit und nur im harten Innenstadtkern zu finden sind, (weiß nichtmehr, 1 oder 2 Euro für 2 Stunden), gibt es da zwar auch Parkscheinautomaten, die sind aber fast alle kaputt, weil sie sowieso kein Mensch mehr benutzt. Da stehen Schilder mit einer Mobilfunknummer drauf. Und jeder Parkplatz hat eine eindeutige Nummer. Wenn man parkt, schickt man mit dem Handy eine SMS mit der Parkplatznummer an die auf dem Schild angegeben Mobilfunknummer und bekommt per SMS eine Bestätigung zurück. Fertig. Nix Kleingeld, kein Zettel oder so. Und eine Erinnerung vor Ende bekommt man auch.

Während man sich in Deutschland gerade bejubelt, dass man demnächst in die Testphase einer KFZ-Schein-App gehe, mit der man den KFZ-Schein auf dem Handy mitführen und vorzeigen kann, man also den analogen Papier-KFZ-Schein durch eine App simuliert, letztlich also weiterhin analog arbeitet, nur Papier durch Bildschirm ersetzt, ist es auf Zypern eher so, dass man gar nichts vorzeigen muss, weil die Polizei selbst direkt drauf zugreift.

TÜV, Versicherung, Zulassung, angeblich auch zypriotische Führerscheine – können die alles online einsehen und prüfen.

Den ganzen Aufwand mit Spezialpapier, Siegeln, Aufklebern, Stempeln, Apps, sparen die sich hier komplett. Das wird alles in eine Datenbank eingetragen, auf die die Polizei zugreifen kann, und damit hat es sich.

Schnell, einfach, bürgerfreundlich, kostengünstig.

Obwohl – und ich hege den Verdacht, auch weil – Zypern so viel kleiner als Deutschland ist, nur ein Drittel von Berlin an der Bevölkerung gemessen, und es hier nicht diese preußisch-bayerische Beamtenhistorie gibt, laufen viele Dinge hier zwar gemächlich (wie ich gern sage: Der Herzinfarkt wurde gewiss nicht auf Zypern erfunden.), aber viel pragmatischer, direkter, einfacher, ohne künstlich aufgeblähtes Brimborium und ohne synthetische Zusatzprobleme.

Ein wesentlicher Grund könnte sein, dass Zypern zwar eine der ältesten Kulturgegenden der Welt überhaupt ist und es hier zu den frühesten Ansiedlungen der Menschheit im europäisch-arabischen Raum kam, und man an den archäologischen Besichtigungsstätten sehen kann, dass die hier vor 2000 Jahren schon gediegen und vornehm wohnten und eine recht moderne Zivilisation hatten, gegenüber dem westlichen Mitteleuropa aber Spätentwickler sind, was die Bürokratiewut angeht, und bis vor einiger Zeit noch von den Briten verwaltet wurden. Vielleicht haben die hier einfach weniger analoge Vergangenheit, die man, wie in Deutschland, digital zu simulieren versucht.

In Deutschland feiert man sich, weil man bald den KFZ-Schein auf dem Handy als App mitnehmen und vorzeigen kann.

Auf Zypern dagegen sagt man, man brauche gar nichts vorzuzeigen, die Polizei könne einfach selbst drauf zugreifen. Kein Mensch hätte hier Verständnis dafür, warum er dafür noch eine App auf das Handy spielen sollte.