Ansichten eines Informatikers

Wer soll das alles programmieren?

Hadmut
10.4.2025 23:38

Leser fragen – Danisch weiß es auch nicht.

Ein Leser fragt an:

Wer will das eigentlich alles programmieren?

Sehr geehrter Herr Danisch,

ich wende mich freundlich mit der Bitte an Sie, den Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD (im Anhang) nach dem Wort „digital“ zu durchsuchen. Dieser String wird auf 73 Seiten (von 146 Seiten) gefunden.

Ich rege an, dass Sie in einem zukünftigen Blog-Beitrag einmal die grundsätzliche Frage stellen, wer das überhaupt umsetzen kann – und wenn – wie lange das dauern kann, basierend auf den aktuellen Erfahrungen in diesem Land.

In diesem Dokument werden (beispielhaft) Beurkundungsprozesse, Stoffkreisläufe, das Kartellrecht, der Tourismus, soziale Dienstleistungen, die Fachkräfteeinwanderung, die KI, die Altersvorsorge, die Künstlersozialabgabe, der Naturschutz, das Bauwesen, Verkehrswege und natürlich auch die Energieversorgung benannt. Weitere Dutzende Themen erspare ich mir, um es hier einigermaßen kurz zu halten.

Aus meiner Sicht sind das Themenfelder, die ineinander IT-technisch hochkomplex miteinander verzahnt sind und dadurch ihre eigene (und unvorhersehbare) Dynamik entfalten.

Meine banale Vorhersage: Kein einziges Thema aus diesem „Vertrag“ wird (zeitnah) umgesetzt werden können, weil es dazu an der Kompetenz bei den hiesigen Entscheidern und der verfügbaren Manpower bei den hierfür notwendigen EDV-Spezialisten fehlt. Die Bundes- Länder- und Regional bedingten Anpassungen an die „neuen Prozesse“ lasse ich hier mal aussen vor. Es wird Jahrzehnte in DE brauchen, wenn das mit den hier verfügbaren Bordmitteln umgesetzt werden soll und wird.

Meine These: Man wird das der Einfachheit halber alles preiswert als Dienstleistung aus China einkaufen.

Beste Grüße,

Weiß ich nicht.

Also, nein, schon, doch, wenn man die Frage genau liest „Wer will?“ – eher niemand.

Ich nehme die Frage aber wie ein „Wer soll?“ und komme deshalb zu einem anderen Ergebnis: nämlich auch niemand, aber aus anderem Grunde. Obwohl eigentlich dem gleichen.

Die Frage zerfällt eigentlich in zwei Stränge, nämlich den qualitativen und den quantitativen, und das nochmal in wollen und können.

Welcher Informatiker mit Ahnung würde sich da noch in den öffentlichen Dienst stürzen?

Wo soll quantitativ diese Programmierleistung herkommen?

Und wer soll qualitativ in der Lage sein, das so zu bauen, dass es 5 oder mehr Jahre funktioniert?

Und wer soll das alles eigentlich warten, wenn die Boomer weg sind?

Ich gebe mal zu bedenken: Wenn die Archäologen in Ägypten oder Mesopotamien buddeln, dann finden sie Steintafel, Hieroglyphen, Keilschrift und so Zeug, und können das heute, nach 2000 oder 4000 Jahren noch verstehen und das Beamtentum der damaligen Zeit nachvollziehen, Gesetze, Verträge, Beschwerden, Rechtsmittel, und so weiter lesen.

Wenn wir so weitermachen, können wir unseren eigenen Kram in 10 oder 20 Jahren nicht mehr lesen, und die Archäologen sind auch nur noch auf Geschlechtsgrabungen aus.

Es fehlt der Politik ein gewisses quantitatives Verständnis, und das qualitative sowieso.

Aber …

Aber, so will ich einwenden, drei Aspekte zu berücksichtigen, die in Politikerhirnen vor sich gehen:

  • Wir haben jetzt unendlich viel Geld.
  • Wir brauchen halt mehr Fachkräfte durch Migration.
  • Die KI macht das alles für uns.

Wir werden also irgendeinen mächtigen geisteswissenschaftlichen parteienahen Digitalminister sprechen, der McKinsey & Co beauftragt, an die KI den magischen Prompt zu sprechen „Programmiere mir ein digitalisiertes Land“, und dann haben wir das bis Dienstag.

In der Praxis wird man einfach jede Menge Beraterfirmen und parteinahe Läden mit viel Geld beauftragen, und bis es auffällt, dass da nichts rüberkommt, sind die jetzigen Politiker längst alle im Ruhestand. So lief es immer.