Ansichten eines Informatikers

IT-Bewerber vom Maghreb bis Bangladesch

Hadmut
11.4.2025 12:52

Ein Leser fragt an.

Bewerbersituation in Deutschland

Hallo Herr Danisch,

mich würde Ihre Meinung und Einschätzung zu folgendem interessieren – oder ob Sie ähnliche Mails erhalten. Ich arbeite in der IT-Branche und wir suchen immer wieder neue Leute. Das kann alles sein, vom Embedded-Entwickler bis zum Datenbänker oder Netzwerker (der ganze Stack).

Meine Firma befindet sich in einer Metropolregion (in Deutschland). Was mir seit 1-2 Jahren auffällt: Es bewerben sich kaum noch Deutsche bei uns, deren Anzahl liegt eher im Bereich von 5% aller Bewerber. Die Bewerber kommen fast nur noch aus dem Iran, Pakistan oder Marokko. Man könnte auch sagen vom Maghreb bis Bangladesch.

Leider ist die Einladung + ggf. Visa-Beschaffung einfach zu aufwendig.

Ich habe auch gelernt, wie wichtig es ist, ein Anschreiben zu verlangen. Ich erwarte nicht, dass man uns schreibt, dass man schon als 3-Jähriger von unserer Firma geträumt hat, aber es ist schon krass, wie viele ITler nicht mal einen lesbaren formatierten Text schreiben können (unabhängig vom Herkunftsland). Oder einen verständlichen Lebenslauf.

Was ist hier Ihre Erfahrung bzw. Interpretation? Sind alle Fachkräfte schon ins Ausland abgewandert oder traut sich aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage keiner zu wechseln?

Beste Grüße

Schwierig.

Ich bin ja selbst nicht in der Personalabteilung und hatte innerhalb der letzten 20 Jahre keinen direkten Zugang zu Bewerbungsschreiben, sondern immer nur die Personalabteilungen vor Malware in elektronischen Bewerbungen, eingeschleusten Spionen und solchen Dingen gewarnt oder beraten, wenn die zu einzelnen Fällen Hilfe und Erklärungen brauchten.

Obwohl ich als Blogger gar keine Angestellten habe, bewerben sich immer wieder mal Leute bei mir als Angestellte oder Praktikanten, dabei als Angstellte auch oft aus dem Ausland wie vom Leser beschrieben.

Dazu muss man aber verschiedene Dinge wissen.

Der eine Punkt ist, dass solche Anschreiben in vielen Ländern nicht üblich oder sogar unbekannt, mitunter sogar rechtswidrig sind. Es gibt Länder, in denen dürfen in Bewerbungen kein Foto, kein Geburtsdatum usw. vorkommen, um Diskriminierung und Bevorzugung auszuschließen. Besonders in den englischsprachigen und den davon abgeleiteten Ländern ist das oft üblich, einen rein tabellarischen Lebenslauf der bisherigen Tätigkeiten vorzulegen.

Das ist übrigens etwas, was mich damals davon abgehalten hat, nach Australien auszuwandern. Ich hatte mich dort durchaus umgesehen und feststellen müssen, dass meine Qualifikationen zwar inhaltlich höher sind als die der Australier und ich besser bin, als australische Informatiker, mir das aber nichts nutzt, weil ich – gerade auch wegen des Uni-Streits – keine formalen Qualifikationen aufzählen kann. Man kann dort kein Bewerbungsschreiben einreichen, in dem steht, Hört mal, ich kann das und das und habe das und das schon gemacht und das erfunden, ein Kernkraftwerk abgesichert, blablabla …, sondern legt da eine Liste der Abschlüsse und Zertifizierungen vor, die man gemacht hat. Im Prinzip eine Liste von Abkürzungen, die man erworben hat. Es geht da kaum und das, was man weiß, kann und gemacht hat, sondern um die Orden und Abzeichen, die man erworben hat, und nach denen verglichen wird. Deshalb fangen die dort schon an der Uni an, sich alle möglichen Nachweise und Zertifizierungen – oft für teuer Geld – anzuheften. Man schreibt in vielen dieser Länder auch keine Doktorarbeit, sondern legt einen Stapel Publikationen vor, die in möglichst renommierten Journalen angenommen wurden. Das interessiert die kaum, was da drin steht, sondern welche Orden man dafür bekommen hat.

Gleichzeitig sind viele der Leute – mangels Ausbildung und Erfahrung – nicht in der Lage, einen normal verständlichen prosaischen Text zu verfassen. Man kann kein Anschreiben verlangen, weil die das nicht kennen und nie gelernt haben. Die kennen nur Tabellen mit formalen Meriten und Posten, die sie hatten.

Musste ich zum Beispiel auch lernen, als ich mich mal bei der ENISA, der Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit beworben hatte, weil die mich mal bezahlt hatten, einen Vortrag in London zu halten (und keine Abrechnung oder Nachweise wollten, sondern mir eine Übernachtungspauschale für nur eine Nacht zahlten, die aber so hoch war, dass ich davon eine ganze Woche in London geblieben bin und noch vier Musicals davon besucht habe). Außerdem ist die ENISA auf Kreta, wo es mich damals auch hingezogen hätte. Die wollten aber kein Bewerbungsschreiben, sondern dass ich ein EU-konformes Excel-Sheet ausfülle, in dem formal ganz eng steht, was ich bisher gemacht habe und welche Abschlüsse ich habe. Auch da hat mir die fehlende Promotion das Genick gebrochen. Man kann da nicht einfach vortragen, was man kann und weiß und gemacht hat. Allerdings habe ich bis heute nicht ein einziges Mal davon gehört, was die ENISA überhaupt macht. Das scheint eine reine Pseudo-, Tarn- oder Versorgungspostenbehörde zu sein, die faktisch gar nichts macht. Wobei ich mich durchaus damit hätte abfinden können, für die Gehälter, die die EU zahlt, auf Kreta zu sitzen und gar nichts zu machen.

Und das muss man umgekehrt auch – positiv wie negativ – berücksichtigen, wenn man Bewerbungen aus solchen Ländern bekommt.

Negativ in dem Sinne, dass die vorgelegten Zeugnisse und Abschlüsse in vielen Fällen einfach Fake sind. Entweder als gefälschte oder sogar frei erfundene Urkunde, oder als „echte“ Urkunde über einen Pseudostudiengang. Da gibt es eine ganze Industrie, um Leute mit falschen Urkunden oder Pseudoabschlüssen auszustatten (deshalb der Argwohn gegenüber dem London-Studium von Annalena Baerbock, die mit ihrem Abschluss wedelte, aber nichts zum Inhalt sagen konnte).

Es gibt Länder im nahe und fernen Osten, in denen zwischen 90 und 100% der Abschlüsse in der einen oder anderen Weise Fake sind. Und letztlich läuft die Frauen- und Schwarzenförderung in den USA (und teils auch bei uns) ja auf gar nichts anderes hinaus als mit Pseudoabschlüssen eine formale Gleich- oder Besserstellung herzustellen. Schon mal drauf geachtet, wie oft uns ÖRR und Presse einhämmern, dass Frauen besser ausgebildet seien als Männer, obwohl viele nicht mehr studiert haben als tibetanische Buchstabengesänge mit Nebenfach Fruchbarkeitstänze? Das ganze Gleichstellungsgehampel findet seine Quelle in dieser Herangehensweise.

Deshalb kann man selbst dann, wenn Bewerber wirklich etwas können, von denen, je nachdem, woher sie kommen, kein Anschreiben erwarten, weil die gar nicht wissen, was man von ihnen will und warum.

Ob man solche Leute dann tatsächlich gebrauchen kann, ist eine andere Frage.

Nie vergessen werde ich ein Erlebnis in Kuala Lumpur 1990. Ich mit einem Studienkumpel auf Rucksacktour Singapur/Malaysia. Wir hatten uns vorher an der Uni Karlsruhe echte internationale Studentenausweise besorgt. Kreditkartenformat, grün-gelb gestreift, aber nach dem Stand der Technik sehr primitiv: Die Daten wurden nämlich von Studentenwerk mit Kugelschreiber von Hand drauf eingetragen und dann eine angeblich fälschungssichere durchsichtige perforierte Folie drübergeklebt, die beim Entfernen zerreißen soll. Echt, aber komisch.

Als wir da in eine Art Jugendherberge kamen und die vorlegten, um den Studententarif zu bekommen, wurde der da höllensauer, beschimpfte uns und drohte, die Polizei zu rufen, weil wir ihm gefälschte Ausweise vorgelegt hätten, ob wir ihn für blöd hielten. Wir, etwas verdattert, versicherten, dass die echt seien, und weil wir eine Unterkunft brauchten, zahlten wir halt den Normalpreis und bekamen noch gesagt, dass wir uns an [Name, weiß nicht mehr] auf demselben Mehrbettzimmer wenden sollten, der zeige uns, wie ein echter Studentenausweis aussehe.

[Name, weiß nicht mehr] war ein Amerikaner und bekam einen Lachanfall, als wir ihn darauf ansprachen. Und zeigte und erklärte uns seinen „Studentenausweis“: Ein farbiges A4-Blatt im Querformat, aus dem Laserdrucker, mit viel Brimborium und so einem ziselierten Rahmen außemrum aufgedruckt wie die Urkunden, die die Amerikaner so gerne an den Wänden hängen haben, so ein feierliches Studenthaftigkeitszertifikat von höchster Stelle. Was’n das sein soll, fragten wir.

Er sagte, gleich um die Ecke, zwei Straßen weiter, gäbe es eine offizielle Fälscherwerkstatt, einen ganz normalen Laden, in den man gehen kann und sich für Kleingeld jedes beliebige Diplom, Zertifikat, sonstwas anfertigen lassen kann. Dort wollte er einen internationalen Studentenausweis, die wussten aber nicht, wie der aussieht. Deshalb hat er sich mit denen darauf geeinigt, dass sie ihm ein möglichst eindrucksvolles Phantasiezertifikat ausstellen. Mit dem ist er dann in die Herberge für den Studententarif, und weil das Ding so beeindruckend aussah und der Typ an der Kasse noch nie einen internationalen Studentenausweis gesehen hatte, dachte er nun, dass die so aussehen und hielt dann unsere mickrigen, von Hand beschrifteten (aber eben echte) Studentenausweise für ganz schlechte lausige Fälschungen. Und ich habe oft gehört, dass das mit Universitätsabschlüssen und Berufszertifikaten in vielen Ländern genau so läuft.

Gab es nicht mal diese Meldung, wonach sie in den USA oder in Kanada eine Universität hatten, die gar nicht existierte? Da gab es wohl eine Universität mit eindrucksvoller Webseite mit Personal, Feiern, Bibliotheken, tollen Fotos, wie das bei Uni-Seiten eben so ist, die gar nicht existierte, von der es nur einen Briefkasten gab. Ein kompletter Fake, der nur dazu diente, Leuten gegen Geld Immatrikulationsbescheinigungen für Studentenvisa auszustellen.

Betrug

Was ich selbst noch nicht erlebt habe, aber wovon ich schon einige Male gehört und gelesen habe: Immigrationsbetrug.

Das sind oft Agenturen und Schleuser, die – teils sogar echte, aber eben geklaute, von anderen Personen stammende, die davon nichts wissen – Lebensläufe verwenden, um eine Probeanstellung oder wenigstens ein Bewerbungsgespräch anzubahnen, und dann kommt dann jemand anderes, der nicht der Bewerber ist, was man oft auch kaum herausfindet, weil der so ähnlich heißt oder keinen Ausweis dabei hat oder ähnliches, und es dann letztlich nur darum geht, jemanden entweder in die Firma oder in das Land einzuschleusen, etwa um ein Visum, eine Aufenthaltsgenehmigung oder etwas in der Art zu bekommen oder einen Schlüssel zum Gebäude.

Manche dieser komischen Bewerbungen sind schlicht und einfach das reale-Welt-Äquivalent von Phishing oder Betrug. Das hängt auch damit zusammen, dass man gerade solche Bewerbungen aus solchen Ländern oft nur schwer einer konkreten, eindeutigen Person zuordnen kann, weil da viele gleich oder ähnlich heißen. Wenn sich da ein Herr Li oder ein Mohammed bewirbt, ohne Foto, ohne Geburtsdatum, dann passt das auf 30% der männlichen Bevölkerung.

Und selbst wenn der Bewerber dann kommt: Ob der die angegebenen behaupteten Abschlüsse tatsächlich hat – wer weiß.

Und auch wenn die Abschlüsse formal gesehen echt sind: Wer weiß schon, was hinter dem Studium steckt. Da kommt jemand, und behauptet, in London Völkerrecht studiert zu haben, aber es gibt keinerlei Angaben zu Inhalt und Leistungsprüfungen.

Linker Aktivismus

Angeblich gibt es auch von linken Aktivisten betriebene Agenturen, die versuchen, die Diversität zu erhöhen.

Ich habe gehört und gelesen, dass es so etwas gebe, aber noch von keinem konkreten Fall.