Ansichten eines Informatikers

Mast Bumping

Hadmut
13.4.2025 14:59

Von Hubschraubern und ihren Problemen.

Leserzuschrift:

Zum Helikopter Absturz

Hallo Hadmut,

Mast Bumping entsteht, wenn die Kabine eine Bewegung macht, die der Hauptrotor aufgrund seiner gyroskopischen Stabilisierung nicht mitmachen kann. Dass hingegen Rotorblätter den eigenen Rotormast durchschlagen, ist technisch unmöglich. Dazu müssten sie sich entgegen der Fliehkraft nach innen biegen.

Wenn das Getriebe festfrisst, bremst es ruckartig die längs eingebaute Turbine ab, die dann ihre gesamte Rotationsenergie per Gegenmoment ebenso ruckartig auf die Kabine überträgt. Die dadurch entstehende abrupte Rollbewegung führt zum Mast Bumping.

Ja, das meinte ich. Mir war nur ad hoch die schöne Lehrbuchformulierung nicht mehr eingefallen, dass es passiert, wenn sich die Kabine gegenüber dem Rotor stärker bewegt (kippt, schaukelt), als die Gelenke im Rotor es ausgleichen können. Hubschrauber haben normalerweise am Rotor Gelenke, mit denen sich die Rotorblätter innerhalb enger gewisser Grenzen sowohl horizontal, als auch vertikal bewegen können, um etwa auszugleichen, wenn die Kabine schaukelt, damit die Rotorebene trotzdem gleich bleiben kann (was sie wegen des Drehimpulses und des Gyroeffektes ja versucht).

Ich meinte damit nicht, dass die Rotorblätter mit ihren äußeren Spitzen den Mast durchschlagen, dazu müssten sie sich ja nach innen biegen, und dann hat man ganz andere Probleme, dann kommt es auf den Mast auch nicht mehr an. Ich meinte damit, dass die Rotorblätter mit ihrem inneren Ende bzw. den Gelenk anschlagen, weil die Grenze der Beweglichkeit überschritten wurde, und die dann damit den Mast kappen bzw. abflexen.

Aber hier nochmal genauer erklärt: Mast Bumping – Causes and Prevention

Der erklärt das wunderbar, wie die Rotorblätter mit dem inneren Ende, also dem Ende, an dem sie festgeschraubt sind, den Mast kappen, indem sie ihn abfräsen. Das meinte ich. Hauptursache ein ähnlicher Fehler wie beim tail strike, nämlich „low G“, also Entlastung des Rotors vom Kabinengewicht.

Danach sieht es in dem Video aber nicht aus, der scheint ja einfach nur geradeaus zu fliegen. Und warum sollte jemand bei einem Besichtungsflug über New York, bei dem man im Wesentlichen flach auf einer Ebene rumfliegt und nicht wie bei Militärmaschinen über irgendwelche Hügel oder Bäume fliegt, mit zivilen Passagieren überhaupt Manöver fliegen, bei denen es zum tail strike oder mast bumping kommen kann?

„Low G“ ist aber nur die eine, die Hauptursache. Es gibt, wie sie im Video erwähnen, auch noch Fehler bei der Reaktion auf Triebwerksausfall. Nämlich wenn, wie im auch im Video schön erklärt, der Hubschrauber durch wegfall des Drehmomentes rollt und giert und der Pilot versucht, mit dem Stick auszugleichen, was dann nicht mehr geht, statt, wie man das lernt, den Pitch nach unten zu drücken, um den Rotor mit umgekehrtem Anstellwinkel am Laufen zu halten (Übergang zum Gyrokopter in Autorotation). Nur: Davon sieht man im Video auch nichts.

Ein anderer Leser schreibt:

Hallo Hadmut,

derzeit sieht es IMHO so aus, das mechanisches Versagen für die Separation des Getriebes inkl. Mast und Hauptrotor verantwortlich ist. Fehlbedienung der Steuerung in den guten Sicht und Windbedingungen sind sehr unwahrscheinlich. Pilot hatte fast 800h und kam von der Navy Seal Militärseite als Militärischer Hubschrauberpilot.
Wahrscheinlicheres Szenario ist, das sich das Getriebe vorne gelöst hat, mit dem Kippen des Getriebes der Hauptrotor den Tailboom durchtrennt hat, und dann sind die Teile separat in den Hudson gestürzt. Da noch fast alles vorhanden ist, wird die Untersuchung auch die Ursache finden. Sehr tragisch für alle Verstorbenen. In den Zeitungen steht wie bei Flugunfällen üblich jede Menge Mist.

Ja, das scheint nach bisherigem Wissen am wahrscheinlichsten zu sein, dass entweder das Getriebe blockiert hat und in der Folge durch die kinetische Energie der ganze Getriebeteil abgerissen ist, oder umgekehrt durch korodierte Teile einem eigentlich völlig intakten Hubschrauber in gesunder Fluglage das Getriebe samt Rotor abgebrochen ist und das dann auch das Heck abgerissen hat, also kein Pilotenfehler vorliegt.

Es kann zwar in allen beschriebenen Fällen dazu kommen, dass – eben auch beim Abbrechen des Rotors nach mast bumping dazu kommen, dass der Roter das Heck trifft und abschlägt – aber dann ist der Rotor auch im Eimer und steht, und fliegt nicht, wie das hier der Fall war, erst einmal intakt und voller Länger alleine weiter, solange der Drehimpuls noch trägt.

Und deshalb ist nicht nur der tail strike sehr unwahrscheinlich bis ausgeschlossen, weil die Rotorblätter noch intakt sind, sondern auch ein mast bumping sehr unwahrscheinlich, weil das den Mast gekappt hätte. Wie man aber im Video sieht, sind Mast und Rotor nicht nur intakt und vollständig, sondern fliegen zusammen mit dem oberen Getriebeteil noch alleine und sogar recht ordentlich weiter wie ein Gyrokopter, legen quasi sogar selbst noch eine Autorotationslandung hin.

Man sieht im Video am Flugverhalten und daran, dass der Pilot das Aufblasen der Schwimmkörper nicht mehr selbst ausgelöst hat, dass der Vorgang ganz plötzlich passiert sein und ihn im normalen Geradeausflug überrascht haben muss.

Und das deutet darauf hin, wie der auch im Video sagt, dass da im Flug der obere Teil des Getriebes samt intaktem Rotor vom Heli abgebrochen/abgerissen und alleine fliegen gegangen ist. Fliegt ja auch noch ganz ordentlich, kann also nirgends dagegengestoßen sein.

So etwas habe ich auch noch nie gesehen, dass das Getriebe mit dem Rotor alleine weiterfliegt und das sogar recht ordentlich, aber es beweist, dass der Rotor nirgends angeschlagen sein kann und dass der Mast nicht gekappt war. Es gab mal einen Absturz eines Verkehrsflugzeuges mit ehemals vier Turbinen in den USA, bei dem ihn am Wrack gleich zwei Turbinen auf einer Seite fehlten und sie rätselten, wo die gelieben seien. Die fanden sie in einem See und konnten anhand von Lackspuren rekonstruieren, was passiert war, weil sich an einem Triebwerk Lackreste in einer Farbe fanden, die es nach der Bemalung der Fluglinie aber nur am anderen Triebwerk gab: Ein Triebwerk begann zu vibrieren und um die Tragfläche zu schützen, brachen, wie gewollt, die Sollbruchstellen, um das Triebwerk vom Flugzeug zu lösen. Ein laufendes Triebwerk fällt aber nicht nach unten, sondern zischt, von der Last des Flugzeugs befreit, erst einmal nach vorne und überholt das Flugzeug, aber nicht exakt gerade, weshalb dann das andere, völlig intakte Triebwerk auf derselben Seite mit dem abgebrochenen Triebwerk in der Luft kollidiert und auch abgebrochen ist. Das war dann zuviel. Das gibt es also, dass ein Triebwerk auch mal alleine fliegen geht. Aber dass ein Rotor mit seinem Getriebe alleine fliegen geht … kenne ich bisher nur aus der Botanik von Ahornsamen und von Kinderspielzeug: Ich hatte früher gerne so kleine Propeller mit einer geriffelten Antriebsachse, die man zwischen den Händen reiben und fliegen lassen konnte. Fliegen prächtig, solange sie Schwung haben.

Mordanschlag – glaub ich nicht

Einige Leser schrieben, mein Artikel sei schlecht, weil ich nichts von einem Mordanschlag geschrieben habe (obwohl ich das kurz angesprochen hatte), das sei doch ein Siemensmanager mit Familie gewesen.

Ich glaube das aber nicht (genauer gesagt, ich glaube schon, dass der Siemensmanager war, aber nicht, dass es Mord war). Was auch immer man von Siemens halten mag, aber Siemensmanager zu sein ist für sich noch kein Mordmotiv.

Außerdem wäre ein solcher Absturz per Sabotage nur schwer zu machen. Dazu müsste der Täter kurz vor dem Flug drankommen, und das ist unwahrscheinlich, praktisch kaum möglich. Und wie sollte man einen Heli so präparieren, dass er den ganzen langen Flugteil noch schafft, aber noch präzise innerhalb des Fluges abstürzt, weil man ja die Passagiere nur eines bestimmten Fluges und nicht den Piloten töten will?

Dazu müsste man schon so etwas wie ein Sprengladung mit Zeitzünder, Fernsteuerung oder etwas in der Art anbringen. Das aber wäre dumm, weil so ein Heliabsturz in New York etwas ist, was zuverlässig gut untersucht wird, und man da Spuren von Sprengladungen usw. finden würde.

Zwar gibt es die Methode, Leute durch Flugzeugabstürze umzulegen. Stichwort Prigoschin. Nur: Da hatte sein Gegner nicht nur die Kontrolle über die Flugunfalluntersuchung, sondern auch gar nicht erst vor, das geheim zu halten. Da sollte ja jedem klar gemacht werden, dass wer sich gegen die falschen Leute stellt, vom Himmel fällt. Das war ja demonstrativer Mord.

Dafür, dass man den Siemensmanager absichtlich und ostentativ umgelegt hat, damit andere das mitkriegen, gibt es aber überhaupt keine Hinweise.

Die Mordthese erscheint mir nach derzeit vorliegenden Informationen weder von Inhalt, Motivlage und Vorgehen plausibel, noch technisch möglich, ohne dass man da Hinweise etwa auf eine Sprengladung findet. Und etwas wie gelöste Muttern oder angesägte Bolzen erscheint mir zu unsicher, um damit einen bestimmten Besichtungsflug innerhalb seiner wenigen Minuten, aber auch nicht sofort, abstürzen zu lassen.

Ich halte die Mordthese in Bezug auf einen bestimmten Flug beim derzeitigen Wissensstand also für nicht haltbar und frei aus der Luft gegriffen. Weder gibt es irgendeinen Hinweis darauf, noch eine plausible Erklärung, wie das hätte vor sich gehen sollen. Es passt auch nicht zum Ablauf in solchen Flugunternehmen.

Dazu müssten erst noch erhebliche spezifische Informationen vorliegen.

Denkbar wäre freilich, dass jemand vor dem Flug ein paar wichtige Bolzen und Muttern entfernt hat. Aber das ist schon sehr an den Haaren herbeigezogen und durch nichts belegt. Da müsste schon erst etwas in diese Richtung hinzutreten.

Vermutung

Die für mich naheliegendste Vermutung ist technisches Versagen und/oder Wartungspfusch. Entweder hat das Getriebe im Flug versagt, oder der Heli ist, am naheliegendsten durch Korrosion oder nicht angezogene oder fehlende Muttern, mitten im Flug durch die normale Belastung bei normalen Geradeausflug, auseindergebrochen.