Ansichten eines Informatikers

Warum ich nicht an einen Tail Strike glaube

Hadmut
13.4.2025 2:21

Über den Hubschrauberabsturz in den Hudson River.

Vor ein paar Tagen ist in New York ein Hubschrauber abgestürzt, eine Bell 206, die sich, soweit das auf Videos unscharf zu erkennen war, aus bisher ungeklärten Grund und ohne erkennbaren Anlass in der Luft selbst zerlegt hat, jede Menge Trümmer davon rumfliegen und das Ding Heck, Rotor und anscheinend auch Getriebe verliert, während die Kabine, der dann alles fehlt, wie ein Stein vom Himmel fällt und kopfüber in den Fluss knallt. Alle Insassen tot.

Das Netz ist sich einig darin, dass es einen tail strike oder ein mast bumping passiert sei. Beides passiert durch Pilotenfehler und für beides sind zweiblättrige Helis wie Bell und Robinson anfällig.

Tail strike heißt, dass die Rotorblätter in den Heckausleger einschlagen und ihn in der Luft dadurch abschlagen oder abschneiden. Im Normalfall nicht zu überleben. Das passiert wenn man „negative G“ auf den Rotor gibt, wenn also der Hubschrauber nicht mehr mit seinem Gewicht am Rotor hängt und damit dafür sorgt, dass die Rotorblätter flach V-förmig nach oben, sondern nach unten zeigen, etwa indem man einen ballistischen Buckel fliegt und der Heli sich wie eine geworfene Masse oder unterhalb derer bewegt, und deshalb keine Last oder negative Last am Rotor hängt, die Blätter deshalb statt nach oben nach unten klappen. Wer schon mal in einem R44 oder R22 gesessen hat: Auf dem Steuer ist ein Aufkleber, der einem sagt, dass man genau das bleiben lassen soll.

Mast bumping heißt, dass die Rotorblätter – das hängt aber stark vom Typ des Rotors ab – durch starkes Flapping (auf- und abschwenken der Blätter vom vor- und rückeilenden Blatt) gegen den Mast schlagen, was normalerweise dazu führt, dass der Mast abreißt, was auch nicht zu überleben ist.

Ich kann mich erinnern, dass ich damals, nach meiner Uni-Zeit, als ich eigentlich den Heli-Pilotenschein machen wollte, wofür mir dann aber Zeit und Geld fehlten, mit dem italienischen CH-7 Kompress liebäugelte, einem Ultraleichthubschrauber, der angeblich toll fliegt, und den man als Bausatz bekommt und selbst zusammenbaut (sofern man das Wissen und eine geeignete Werkstatt hat, man ist wohl fast ein Jahr damit beschäftigt, wenn man es nach Feierabend macht). Ich wollte damals so gern einen CH-7 haben, der aber auch einen zweiblättrigen Rotor hat, was den Vorteil hat, dass er weniger Platz im Hangar braucht (und es sogar Autoanhänger dafür gibt), aber eben die besagten Nachteile. (Dafür aber den Vorteil, dass er nicht, wie ein dreiblättriger, leicht in Bodenresonanz gerät, wo sich ein Hubschrauber am Boden selbst zerlegen kann.) Ich hatte mich damals bei meinem R22-Probleflug mit dem Piloten und Inhaber einer Helifluggesellschaft darüber unterhalten, und der fragte mich, ob ich verrückt sei, mich in so ein Ding reinsetzen zu wollen, da sei der Rotor doch nur aus Gummi. Was nach allem, was ich damals über den CH-7 herausfinden konnte (Internet war damals noch nicht so gängig und Fotos schon gar nicht), so nicht stimmte, weil der Rotor zwar Gummiteile hat, die aber nicht mechanisch belastet sind und da keine Last drauf hängt, sondern die der Abdichtung und der Verhinderung eben dieses Mast Bumping dienen sollen – angeblich hat der da Gummipolster, damit der Rotor nicht so heftig gegen den Mast schlagen kann. Ich habe aber noch nie einen in Natura gesehen.

Ich glaube aber aus zwei Gründen nicht an einen Tail Strike: Die sind zwar möglich und kommen immer wieder vor, führen zu Abstürzen und auch dazu, dass Hubschrauber in der Luft ihr Heck verlieren, weil sie es sich selbst abschneiden. Aber erstens muss man dazu normalerweise schlechte Manöver fliegen, und das tat der nicht, es sieht im Video aus, als flöge der im wesentlichen geradeaus. Und zweitens schneidet dabei der Rotor nicht nur das Heck ab, sondern geht auch selbst kaputt. Man sieht aber auf einem der Videos, dass der Rotor zwar vom Hubschrauber abgebrochen ist, sich in der Luft aber noch schön symmetrisch weiterdreht und nach oben weg geht, also noch Drehimplus hat und volle Länge. Das kann er eigentlich nicht, wenn er mit dem Heck kollidiert ist.

Viele Experten glauben eher an mast bumping. Da ist mir aber auch nicht klar, welchses Flugmanöver im Video dazu geführt haben könnte.

Es kann natürlich sein, was auch vorkommen kann, dass starke Turbulenzen zu solchen Zuständen führen. So sieht es aber auch nicht aus.

Ein Gedanke wäre, dass das Kind auf dem Copilotensitz Unfug getrieben hat, denn es gibt Fotos von der Familie, wie sie vor dem Heli stehen und eines der Kinder vorne auf dem Copilotensitz sitzt. Normalerweise sind genau deshalb aber bei Touristenhelis die Steuerelemente auf dem Copilotensitz ausgebaut, damit man da keinen Unfug machen kann.

Geäußert wurde auch der Verdacht, dass das Ding mit einer Drohne kollidiert sein könnte, dann hätte es die Rotorblätter aber auch zerlegen müssen.

Andere meinen, dass es ein Mordanschlag war. Das halte ich für abwegig, wenn wie sollte jemand vom Einsteigen der Passagiere so genau wissen, dass er vorher den Heli sabotieren kann und das noch so, dass der Heli eine Weile fliegt und dann rechtzeitig abstürzt?

Ich würde da eher an technisches Versagen denken, einen Getriebeschaden. Die Firma macht angeblich nicht nur Touristenflüge, sondern handelt mit gebrauchten Hubschraubern älteren Zustands und es wurde irgendwo behauptet, dass bei diesem Heli bei der letzten Untersuchung irgendwas im Getriebeöl festgestellt wurde, was auf ungewöhnlichen Abrieb hindeute.

Ich weiß es zwar nicht, könnte mir aber vorstellen, dass bei einem schlagartigen Getriebeversagen mit Blockieren des Getriebes auch der Hauptrotor und das Heck von deren Drehimpuls abbrechen.

Es wird wohl wesentlich davon abhängen, welche der Teile sie da noch wiederfinden, um sie untersuchen zu können.