Ansichten eines Informatikers

Cyber-Angriff

Hadmut
28.4.2025 21:03

Ich kann wohl einpacken und gehen.

Ein Leser schreibt:

Cyber-Security-Expertin: „Definitiv ein Cyber-Angriff“

Hallo Herr Danisch,

Sie sind wohl schon zu lange aus dem IT-Geschäft. Eine Cyber-Security-Expertin hat der BILD-Zeitung erklärt, dass es sich bei dem Stromausfall in Spanien definitiv um einen ein Cyber-Angriff handelt:

Expertin zu BILD: „Definitiv ein Cyber-Angriff“

Cyber-Security-Expertin Ann-Katrin Lange (28) zu BILD: „Aus gesicherten Quellen soll es sich definitiv um einen Cyber-Angriff handeln. Das haben der Präsident von Andalusien und das Cyber Security Department von Andalusien bereits bestätigt.

https://www.bild.de/news/ausland/live-ticker-zum-blackout-der-stromausfall-in-spanien-680f7fc27886d1408fe568d2

Die Frau muss es wissen, sie ist jung und dynamisch, kennt sich mit IT aus und hat obendrein bei Miss Germany mitgemacht:

“Ich bin Ann-Katrin, 27 Jahre alt und Geschäftsführerin eines IT-Security- und Crisis-Management-Unternehmens. Es liegt mir am Herzen, die Vorurteile gegenüber der Informatik zu überwinden, insbesondere bei jungen Mädchen, die oft aufgrund falscher Vorstellungen diesen faszinierenden Berufszweig nicht in Betracht ziehen – nicht zuletzt wegen fehlender weiblicher Vorbilder.
Ich habe selbst bis zu meinem 17. Lebensjahr Informatik ausschließlich mit Algorithmen und Code assoziiert und hätte es damalige Umstände nicht gegeben, hätte ich mich niemals für diesen Beruf entschieden. Ich habe jedoch die Chance erhalten, mein Bild zu ändern und lernen dürfen, dass die Informatik ein facettenreiches und kreatives Feld ist, das vielfältige Möglichkeiten bietet. Es wird Zeit, dieses Bild nach außen zu tragen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und mehr Menschen den Weg in die IT zu ebnen.”

https://missgermany.com/teilnehmerin/ann-katrin-lange/

Da können Sie sich als alter weißer Mann, mal ‘ne Scheibe abschneiden.

Mit freundlichen Grüßen

und schickt mir noch einen Screenshot:

Nein, da kann ich nicht mithalten.

Ich habe es nie bis zur Kandidatur bei Miss Germany gebracht – obwohl ich da nach deren neuesten Schönheits- und Geschlechtsstandards durchaus mithalten könnte, dafür fehlt es mir am Queer- und Migrationshintergrund. Und ich habe ja auch noch alle Extremitäten, das ist heutzutage auch ein Wettbewerbsnachteil.

Das höchste, was ich in dieser Hinsicht je erreicht habe, war, dass ich mal auf einem Aktworkshop die Erdbeere von Tutti Frutti fotografiert habe und die in der Mittagspause für die Fahrt vom Studio zur Pizzeria und zurück nicht zu den reichen Typen mit Porsche und teurem Mercedes, sondern zu mir armem Studenten mit altersschwachem Audi 80 gestiegen ist. Mit einer Miss Germany-Kandidatin kann ich da in Sachen IT-Sicherheit aber nicht mithalten.

Übrigens steht auf der Webseite des Fachblatts für Cyber-Angriffe und Energienetze, der BILD, wenn ich da draufgehe, weiter oben, etwas anderes:

Es gibt nämlich auch Gerüchte, dass in Spanien heute die Sonne so richtig schien und die vielen Solaranlagen zuviel Strom geliefert und das Netz überlastet haben.

Im anderen Fachblatt, FOCUS, heißt es nämlich:

19.00 Uhr: Für Paul Harreman, Chef von Energy Montel Analytics, kam der massive Stromausfall in Spanien und weiteren Ländern “nicht besonders überraschend”. Es sei ein “beispielloses Ereignis auf den modernen Energiemärkten”. Dennoch erklärt Harreman auf der Internetseite seiner Firma: “Länder, die am Rande des europäischen Synchronnetzes liegen und stärker von diesem isoliert sind, neigen leichter zu Netzfrequenzabweichungen. In Inselsystemen wie Großbritannien und Irland oder Halbinselsystemen wie Italien und Spanien ist die synchrone Wechselstromverbindung mit anderen Ländern viel geringer, was zu einem anfälligeren Netz führt, da Flexibilität und Widerstandsfähigkeit meist von innen kommen müssen.”

Der Energie-Experte weist darauf hin, dass ein Stromausfall dieser Größenordnung seit dem großen Blackout in Italien im Jahr 2003 oder dem in der Türkei 2015 nicht mehr vorgekommen ist. Im Gegensatz dazu sei Deutschland “von vielen anderen Ländern umgeben und mit Wechselstromverbindungen verbunden, in denen Anlagen betrieben werden, die die Netzfrequenz stabilisieren”, so Harreman.

Und weiter: “Wann immer es aufgrund eines Kraftwerksausfalls zu einer Abweichung kommt, gibt es genügend flexible Kapazitäten, um die Frequenz abzufangen, bevor sie aus dem Ruder läuft. Das verschafft Zeit, um andere Erzeugungskapazitäten hochzufahren und die Lücken zu schließen oder andere Maßnahmen zu ergreifen.”

Wundert mich eigentlich, dass nicht längst auch Luisa das auf den Klimawandel zurückführt.

Sagen wir es mal so: Das kann alles mögliche sein, unsere Stromnetze sind ja nicht mehr gerade stabil und ein Drahtverhau, in dem kompetenzlose Politiker mitmischen (Das Netzwerk ist der Speicher und so).

Wie ich bereits vorhin sagte: Man kann sich sämtliche Spekulationen in die Haare schmieren, solange man nicht erst einmal herausgefunden hat, was eigentlich passiert ist. Alles andere ist Wunschdenken und Situationsopportunismus, um die Ungewissheit zu melken.

Sag ich mal so als alter, ausgemusterter Mann mit Berufserfahrung: Man sollte mit den Schuldzuweisungen und Erklärungen warten, bis man weiß, was passiert ist.

Ich kann mich sogar erinnern, auf einer meiner Netzwerk-Recherche-Konferenzen, als die zumindest noch einen gewissen Ansatz von Willen zur Seriosität hatten, einen Schreibblock mit deren Jahresslogen bekommen zu haben: „Be first. But first be sure.“ Interessiert heute keine Sau mehr, aber war gar nicht so schlecht.

Die Crux mit den Hackern ist nämlich, dass man vieles für einen Hackerangriff hält, was in Wirklichkeit ganz andere Ursachen hat(te), und umgekehrt man vieles für harmlos hält, wohinter Hacker stecken (siehe Clifford Stoll, Kuckucksei). Man rutscht da leicht in die Denkweise, nach der man in früheren Zeiten alles, was schief geht, Kobolden zuschrieb.

Also: Erst muss man wissen, wofür man eine Erklärung sucht, bevor man mit einer Erklärung kommt.

Und Ferndiagnosen durch Twitter-Lesen sind auch immer problematisch.