Ansichten eines Informatikers

Unglaublich viel Feedback zur Kommentarabschaltung

Hadmut
24.10.2015 23:48

Hui, da hab ich was angerichtet.

Ich habe sehr viel Feedback zu meinem Posting und der Abschaltung der Kommentare bekommen.

Darunter keine einzige Kritik, aber viel Verständnis und – wirklich – viel zwischen Bedauern und Trauer. Und das Feedback, dass ein Blog ohne Kommentare tot ist, nicht mehr wirkt. Ich hätte nicht gedacht, dass mein Blog vielen Leuten so ans Herz gewachsen ist.

Tatsächlich, das ist so. Und man merkt es auch beim Schreiben. Es fühlt sich seltsam taub an, wenn man einfach so irgendwo ins Leere schreibt und kein direktes Feedback bekommt.

Aber: Sehr viele Leute haben meine Sicht der Dinge, sowohl was die Umgangsformen ganz allgemein angeht, also auch den Geruch, den da manche Leute in mein Blog getragen haben, voll bestätigt (und ich habe nicht ein Feedback bekommen, dass ich es falsch sähe). Auch in anderen Foren zeige sich dieser Effekt, dass nahezu alle Diskussionen nur noch auf das Thema Links gegen Rechts, Flüchtlinge rein oder nicht reduziert wird. Auch andere Webseiten leiden ernstlich darunter. Es ist also weder ein Effekt nur meines Blogs, noch eine von mir eingebildete oder nur subjektiv so empfundene Entwicklung.

Es ist tatsächlich so, dass das Thema derzeit alles überdeckt, alles vereinnahmt, alles andere in den Schatten stellt. Und das will ich für mein Blog nicht. Es klingt sicherlich vermessen, aber ich will, dass mein Blog etwas Besonderes war, ist und bleibt, etwas, was sich von der Masse abhebt. Und es scheint, als sei mir das zumindest so ein bisschen auch gelungen. Gerade deshalb möchte ich aber nicht, dass dieser Strom von Unrat, der gerade alles erfasst, sich hier anreichert.

Ich halte es deshalb aber auch für sehr wichtig, dass man sich klar und bewusst macht, dass das jetzt nicht nur eine spontane Laune von mir war (tatsächlich hatte ich wegen einer schweren Erklärung – auf dem Video von der Veranstaltung bei den Grünen wird vielleicht der eine oder andere gehört haben, dass ich gerade sehr erkältet und verrotzt war – die ganze Nacht nicht geschlafen und deshalb darüber gegrübelt, wie man damit umgeht, und bin schließlich morgens irgendwann zwischen vier und fünf aufgestanden, um den Text zu schreiben), sondern dass das das ist, wohin sich unser Land gerade bewegt.

Es ist nicht mein Blog, in dem nicht mehr diskutiert wird, es ist das Land.

Habt Ihr in letzter Zeit irgendwo zu einem aktuellen Thema noch eine vernünftige Diskussion gehört? Diskussion besteht heute daraus, den anderen nicht ausreden zu lassen und nicht Fragen zu beantworten, sondern irgendwas zu behaupten.

Mehrere Leute haben mir geschrieben, dass es gerade das ist, was ihnen Angst macht und was die Leute radikalisiert und sie aggressiv macht: Dass es keine öffentliche Diskussion mehr gibt.

Es gibt nichts mehr, was man noch normal sagen kann, und es gibt niemanden mehr, der es noch kann oder noch zuließe. Die Radikalisierung ist kein Prozess an sich, sondern eine Phase in einem größere Prozess. Und der Ausgangspunkt dieses Prozesses, der zu dieser Radikalisierung führt, sind Politik und Presse, dieser Mainstream-Druck.

Eigentlich habe – oder hatte – ich gar nicht vor, die Kommentare dauerhaft zu sperren, nur für ein paar Tage, bis mal die riesigen Haufen Arbeit auf meinem Tisch, in meiner Mailbox, in der Moderationsqueue, an unerledigten Arbeiten abgearbeitet ist. Ich war eher überrascht davon, wie fatalistisch das viele Leser gleich aufgefasst haben – auch ein Sinnbild für die Untergangsstimmung, in der wir uns befinden. Selbst solche Dinge werden schon als finales Ende, als Aufgeben, als Kapitulation, Rückzug aufgefasst. Man spürt förmlich, wie sich Depression, Pessimismus, Hoffnungslosigkeit breit machen und solche Meldungen gleich viel stärker reinschlagen als normal.

Ist das nur ein kurzer Zeitraum, bis die Leute sich daran gewöhnt haben wie an AIDS, das einst Massenpanik verursachte, heute aber kaum erwähnt wird, oder an den Rinderwahnsinn, der kurze Zeit die Öffentlichkeit zum Durchdrehen brachte, dann aber wieder vergessen wurde, oder meinetwegen Waldsterben? Rennt nächste Woche ne andere Sau durch’s Dorf?

Ich glaube, hier nicht. Es fühlt sich gerade so an, als wäre da richtig was kaputt gegangen. Jahrelang, jahrzehntelang sind wir von der Politik verarscht und ausgenommen worden, aber immer hat man das hingenommen und mitgemacht. Jetzt nicht mehr. Es wird berichtet, die CDU baue an der Rebellion gegen Merkel, fürchte gar, daran zugrundezugehen. Ein Leser schreibt mir, die Leute hätten enorme Angst wegen solcher Ankündigungen. Ob die nun ernst gemeint oder Agitation sind, ist eigentlich egal, denn die Wirkung haben sie in beiden Fällen.

Da fehlt nicht mehr viel, und das kocht gewaltig über.

Und als Hauptproblem sehe ich dabei die inkompetente und ignorante Politik. Es mehren sich die Meldungen, wonach man die Presse veranlasst, über Kriminalität, Streitigkeiten, Übergriffe, Kosten, fehlende Polizeikräfte und so weiter nicht zu berichten. Das halte ich für fatal. Für sehr fatal.

Ich glaube, dass im Lande zwar ein paar ziemliche Idioten rumlaufen, die Leute insgesamt und im Allgemeinen aber mit der Wahrheit umgehen könnten. Natürlich würde am Stammtisch schwadroniert, aber hey, das sind die Diskussionen, die zur Demokratie gehören. Ich bin überzeugt, dass man den Leuten durchaus die Wahrheit auftischen könnte. Klipp und klar, dass sind die Probleme, das und das läuft schief, deshalb brauchen wir dort Geld und da Personal, soviel kostet das, und wer bessere Ideen hat, möge sie öffentlich äußern und diskutieren.

Wisst Ihr was?

Ich glaube, mit den allermeisten Deutschen würde das funktionieren.

Machen wir aber nicht. In Politik und Presse hat sich ein Mischpoke breit gemacht, die Informationen vorenthält und nur fertige Meinungen präsentiert. Die Leute fühlen sich dadurch belogen, und das wird noch schlimmer werden, falls da mal irgendeine Desinformation ans Licht kommt. Oder gar, wie in dem Artikel oben angesprochen, Privatwohnungen angegangen werden. Das kann zu einem Gewaltexzess führen.

Wie aber geht man nun mit Sturm um?

Die Segel einholen, um weniger Angriffsfläche zu bieten, nicht zu kentern?

Ich war kürzlich auf einem Segeltörn. Da sagte man mir, das wäre falsch, ein typischer Anfängerfehler. Segel einholen, kleiner machen, aber nicht ganz. Man braucht Segel, um das Schiff manövrierbar, im Kurs zu halten.

Nehmt’s mal nicht zu fatalistisch.

Ich habe und hatte nicht vor, die Kommentarfunktion auf Dauer zu sperren.

Ich brauche aber mal ne Ruhephase, um zu überlegen, wie ich weitermache – und was ich verändere. Ich habe ein paar Neuigkeiten vor, die aber noch nicht spruchreif sind und erst entwickelt werden müssen, für die ich Zeit brauche. In knapp einem Jahr habe ich 10-jähriges Blog-Jubiläum, und bis dahin will ich auch ein paar frische Sachen in der Auslage haben, zumal das Blog in letzter Zeit doch etwas zu monothematisch geraten ist. Lasst mir mal etwas Zeit, mal nen Gang runterschalten, und demnächst irgendwann mal ein paar Tage Urlaub machen. Meinen Krempel hier abarbeiten und auch mal meine Wohnung wieder aufräumen. Man muss sich ab und zu auch einfach mal neu erfinden. Es ist garantiert nicht das Ende und es wird auch wieder weitergehen, auch wieder mit Kommentarfunktion (und hoffentlich irgendwann endlich ohne das gruselige WordPress). Es ist auch nicht gut, immer weiter zu machen, ohne dabei mal einen Schritt zurückzumachen und mal zu gucken, ob die Richtung stimmt (und die Richtung hat in letzter Zeit nicht mehr so ganz gestimmt). Und was in den letzten Jahren durch mehrere Umzüge, Wohnungssuche, eine Knieoperation und den sonstigen Ärger viel zu kurz gekommen ist, ist das Reisen. Eigentlich fehlt es mir, aus anderen Ländern und von komischen Reisen zu berichten.

Ich werde mir in den nächsten Tagen und vielleicht Wochen die Diskussionskultur in Deutschland sehr genau anschauen, und bitte die Leser, mir Hinweise zu schicken, wenn sich da mal was Interessentes ergibt, ob Positiv oder Negativ.

Einige Leser meinten, dass ein Blog ohne Kommentare für sie nicht mehr interessant wäre. Kann ich gut verstehen, ich merke ja auch, wie da die Kommentare fehlen – aber sie waren zuletzt eben nicht mehr nur gut.

Ich habe mir mal als Zeitraum so ca. 6-10 Wochen, also so ungefähr bis Weihnachten/Neujahr vorgenommen, um mir mal etwas Zeit zu nehmen und zu überlegen, wie, auf welche Weise, mit welchen Inhalten ich weiter mache. Nach inzwischen über 9 Jahren muss man auch einfach mal feucht durchwischen und mal neu streichen.

Es wird auf jeden Fall weitergehen, und die Leserbeteiligung wird es auf jeden Fall auch wieder irgendwie geben. Aber ich brauch mal ne Pause von der Moderiererei und Luft für neue Ideen und Themen.

Allerdings habe ich die große Befürchtung, dass dieses Land bis Weihnachten tatsächlich neue Themen haben wird.

Bleibt dran.

Hadmut

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