Eine Reise zu den Malediven
Warum auf die Malediven?
30.11.2015
Ich stand neulich vor dem Problem, den Rest meines Jahresurlaubs noch totschlagen zu müssen und es – wie jedes Jahr, das Jahresende kommt immer so plötzlich, unvorhersehbar und unerwartet wie Weihnachten – wieder mal verpennt zu haben, mich rechtzeitig um Urlaub zu kümmern. Das ist aber eigentlich nicht schlimm, denn ich mag das eh nicht so, Urlaube auf Monate vorher zu planen. Am liebsten habe ich so ca. einen Monat Vorlaufzeit und steige dann direkt in die Reisevorbereitungen ein: Mich mit dem Ziel vertraut machen, Karten beschaffen und in Handnavi laden, wenn nötig Impfungen, Ausrüstung und Klamotten ergänzen, bisschen oder auch gar nicht planen und losrennen.
In der Regel geht das schief.
Deshalb mag ich es so.
Weil man da nicht das fertige, vorgekaute Programm bekommt. Dafür habe ich die vielen anderen Probleme der Pauschalreisenden erst gar nicht. Die Abweichung vom Geplanten ist es, die oft (nicht immer) würzt.
(Diesmal ging’s auch schief. Ob ich es dann mochte muss ich mir noch überlegen.)
Ich kann es nicht ab, mir da irgendeine Pauschalreise andrehen zu lassen, bei der man dann durch die üblichen Touristenhotels gezogen wird wie durch die Waschanlage, das immer selbe Programm, der immer selbe Nepp, um dann dem deutschen Nationalsport zu frönen, seinen Urlaubszeit mit der Mängelaufnahme zu verbringen und hinterher einen Teil des Reisepreises zurückzufordern und das Hotel in den Kritiken niederzuschreiben. Ich will auch keinen deutschen Reiseleiter, der mir alles auf deutsch erklärt, mich von den Leuten vor Ort abschirmt und mich dahin bringt, wo es das beste Bier und das deutscheste Essen gibt, um dann tagein tagaus mit Deutschen zusammenzusitzen. Schrecklich.
Außerdem sind Pauschalreisen immer für Paare ausgelegt, vor allem deren Preise. Was einem günstig erscheint, ist für mich als Alleinreisenden teuer, denn der Einzelzimmerzuschlag verdoppelt das oft. Ich buche mir da lieber meinen Linienflug und separat davon ein Hotel und mache dann, was mir da in den Sinn kommt. Und wenn’s doch mal etwas komplexer wird, habe ich da ein gutes Reisebüro, was mir das, was ich haben will, als meine ganz individuelle Pauschalreise zusammennagelt. (Warum? Es gibt Flugsonderbilligtarife, die nur für Pauschalreisen verwendet werden dürfen, bei denen der Kunde den Flugpreis nicht sieht, nur den Gesamtpreis, damit sie sich die Preise nicht kaputt machen. Deshalb reise ich, wie es mir in den Sinn kommt, lasse mir das hin und wieder aber auch als Pauschalreise zusammenkleben.) Ich fände es ganz gruselig und grauenhaft, mich in irgendsoeine riesige Bettenburg einpflanzen zu lassen, mit Pauschalfressbändchen für’s Moderbuffet am Arm, schimmligen Duschen, gammeligen Matratzen, einem vollgepinkelten Swimmingpool in der Mitte, rundherum Plastikliegen, auf denen die Deutschen morgens um vier ihre Liegen am Pool mit Handtüchern reservieren, und mittendrin prollig-großmäulige Animateure, die zu übler Disko-Musik von mir fordern, mit der hässlichen dicken übelriechenden Zimmernachbarin im Wasser zu tanzen. Vielleicht auf dem Hinweg im Charterflieger schon besoffen, und bei der Landung klatschen. Ohne mich.
Mal ganz davon abgesehen, dass sich immer wieder – auch wieder auf dieser Reise – deutlich zeigte, dass als Paar zu verreisen eigentlich weder Spaß macht noch Urlaub ist. Paare sind aufeinander fixiert, völlig mit sich selbst beschäftigt, sich abzuschotten, sich zu sagen, wie schön sie sich finden, aufeinander Rücksichtig zu nehmen, oder auch unschöne Auseinandersetzungen zu führen, und ständig unter der Fuchtel der Eifersucht zu stehen. Da kann der Frühstückstisch zum Schlachtfeld werden. Vom Land, der Umgebung und den Leuten kriegen die oft nichts mit. (Und diesmal ist es mir sogar passiert, dass eine überaus attraktive junge Frau spontan anfing, unter Körperkontakt mit mir zu flirten, während ihr Typ einen Meter danebensaß, zuguckte und sichtbar innerlich kochte, weil sie sich gekracht hatten und sie ihn bestrafen wollte, indem sie mit mir ja nun inzwischen altem und dickem Knacker, mehr als doppelt so alt wie sie selbst, rummachte. Sowas geht mir dann auch gewaltig auf den Wecker.) Nicht von ungefähr sagt man, dass der Versuch, eine brüchige Beziehung durch eine Reise zu heilen, noch nie gelungen ist, aber so manche gesunde Beziehung dabei in die Brüche ging. Genau auf diesen Typ Reisende ist eine Pauschalreise ausgelegt. Sowas brauch ich nicht. Ich kenne übrigens ein ganz tolles Paar mit perfekter Beziehung, die aus diesem Grund fast immer getrennt Urlaub machen.
(Gab hier im Hotel in den ersten Tagen zwei relativ junge deutsche Paare. Mit denen war überhaupt nichts anzufangen, völlig mit sich selbst beschäftigt, aber nicht im verliebten Sinne, schien mir eher Belastung auf Gegenseitigkeit zu sein. Leute, die sich beim Frühstück wie im Stellungskrieg gegenübersitzen und sich ohrenbetäubend anschweigen – oder sich permanent Vorwürfe machen oder in diesem fiesen Unterton belehren.)
Ich habe mir also kürzlich mal einen Spam-Ordner für Reisewerbung durchgesehen, was die Fluglinien mir gerade so im Sonderangebot anbieten (in der Art von nur, ausschließlich und ausnahmsweise bis Tag x, um am Tag x+1 zu verkünden, hurra, wir haben es verlängert oder so). Emirates. Ich fliege am liebsten Emirates. Eigentlich nur aus drei Gründen. Weil sie günstige Preise haben. Weil bei denen die Piloten nicht streiken und man sich auf den Flug verlassen kann. Und weil sie als Gepäck 30kg akzeptieren, und das nicht auf ein Gepäckstück begrenzen. Die 20 oder 22 kg der meisten anderen Fluglinien reichen mir nicht, weil ich meist noch ein Stativ und etwas Ausrüstung dabei habe.
Malediven hatten sie im Angebot. Je nach Datum ab ca. 600 Euro Hin- und Rückflug. Klingt gut.
Malediven wollte ich schon immer mal. Oder Seychellen? So richtig auseinanderhalten konnte ich die bisher nicht, sieht auf Bildern irgendwie gleich oder sehr ähnlich aus. Was nicht verwunderlich ist, weil beide auf ungefähr gleicher Breite, also ungefähr gleiches Klima haben dürften. Die einen sind Atolle, beide sind ein Archipel. Bei den einen heißt die Haupstadt Male’, bei den anderen heißt die Hauptinsel Mahé. Von Terror hat man bei beiden schon gehört. Und ich kann mir nicht merken, welche von beiden nun das tollere Urlaubsziel sein soll. Blablabla. Und sauteuer sollen beide sein, von beiden habe ich aber gehört, es soll auch billig gehen. Ach was, ich fahr da jetzt einfach mal hin und guck mir das an, dann weiß ich’s.
Zumal sich ein Besuch der Malediven noch aus anderen Gründen aufdrängte.
Der erste Grund ist, dass die Malediven ja kaum aus dem Wasser ragen, die höchste natürliche Erhebung ist gerade mal zwei Meter über dem Meeresspiegel. Man geht daher davon aus, dass durch Klimaerwärmung, Polschmelzen und den daraus resultierenden steigenden Wasserspiegel (Möchtegern-Schlaumeier erzählen immer, dass der Wasserspiegel konstant bleibe, wenn schwimmendes Eis schmilzt. Stimmt aber nicht, denn erstens dehnt sich ja das jetzt schon flüssige Wasser bei Erwärmung auch aus, und zweitens schwimmt der Südpol nicht.) die Seychellen überspült und verschwinden werden. Einer der ortlichen Malediver (keine Ahnung, wie die Einwohner auf deutsch richtig heißen), mit dem ich darüber gesprochen habe, sieht das übrigens ganz anders. Er sagt, er ist leidenschaftlicher Taucher, taucht seit ixundzwanzig Jahren und hat in der Zeit irgendwie ein fünftel seines Lebens unter Wasser verbracht. Und kennt die Malediven wie seine Westentasche. Er sagt, die Malediven sind Riffe, in denen sich Sand angehäuft hat, der vom Meer angespült wird. Ein Mechanismus, den man als Taucher beobachten kann, wenn man oft genug tauchen geht. Er meint, dass die Malediven einfach nach oben mitwachsen, wenn der Wasserspiegel steigt, weil der Mechanismus unverändert weiterarbeiten würde. Nur die Häuser müssten sie neu bauen. Klingt plausibel. Wenn er sich da mal nicht täuscht. Denn es heißt ja auch, dass es ein Korallensterben gibt, weil das Meer übersäuert. Und dann funktioniert auch der Mechanismus nicht mehr. Zumal ich Theorien über das Entstehen der Malediven und ihrer ringförmigen Atolle gelesen habe (genau weiß man es nicht), wonach die ursprünglich geschlossene, kreisförmige oder ovale Korallenflächen waren, die dann innen erstickt oder an überbesiedlung abgestorben sind, und nur die äußeren Bereiche mit Kontakt zum „frischen” Meer noch überlebten. Wärmeres Wasser enthält aber auch weniger Sauerstoff. Man wird sehen. Aber ich werde es vermutlich nicht mehr erleben. Wer jetzt Kind ist, dürfte das vielleicht noch miterleben.
Der zweite Grund ist, dass die Malediven im Besonderen und die Region im Allgemeinen auch politisch instabil sind. Es gab ja schon 2012 diverse Unruhen und Reisewarnungen und – was ich gar nicht mitbekommen hatte, aber da hatte ich eh schon gebucht – auf den Malediven gerade jetzt im November der nationale Notstand verhängt worden war, wegen Bomben und Waffenlagern. Dazu warnt beispielsweise das schweizerische Außenministerium aktuell:
Die politische Lage ist gespannt. Am 4. November 2015 hat der Präsident den Notstand über das ganze Land verhängt und am 10. November 2015 wieder aufgehoben.
Seit Ende Februar 2015 kommt es in der Hauptstadt Male immer wieder zu grösseren politisch motivierten Demonstrationen. Mehrere Demonstranten wurden verhaftet. Weitere Demonstrationen mit gewalttätigen Ausschreitungen sind vor allem in Male möglich. Die Flughafeninsel sowie die Hotelinseln waren bisher von Unruhen nicht betroffen.
Auf den von der einheimischen Bevölkerung bewohnten Inseln und in Male schüren kriminelle Banden gelegentlich Unruhen und verüben Gewalttaten, die sich in erster Linie gegen die lokale Bevölkerung richten. Bei Demonstrationen kann es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen.
Das Risiko von terroristischen Akten kann auch auf den Malediven nicht ausgeschlossen werden. Die Rubrik Terrorismus und Entführungen macht auf die Risiken des Terrorismus aufmerksam.
Informieren Sie sich vor und während der Reise in den Medien über die Entwicklung der Lage und bleiben Sie in Kontakt mit Ihrem Reiseveranstalter. Meiden Sie Demonstrationen und grosse Menschenansammlungen jeder Art und befolgen Sie die Anweisungen der Sicherheitskräfte. […]
Die Kleinkriminalität nimmt zu. Beachten Sie die üblichen Vorsichtsmassnahmen.
Somalische Piraten haben ihre Überfälle weit in den Indischen Ozean ausgedehnt. Im März 2012 ist erstmals ein Frachter in den maledivischen Gewässern entführt worden.
Das ist insofern beachtlich, weil ich – dazu komme ich in einem späteren Blog-Artikel noch – nämlich nicht auf einer Urlaubs-, sondern auf einer Einheimischen-Insel wohne bzw. gewohnt habe.
Also könnte es gut sein, dass die Chancen, die Malediven noch zu besuchen, schon sehr bald sehr schnell schwinden könnten, zumal es ja zunehmend nach einem Glaubenskrieg aussieht.
Der dritte Grund ist, dass ich vor meinem Umzug nach Berlin, als ich noch bei München gewohnt habe, da sehr gute Freunde und Nachbarn hatte, die mir sagten, dass sie sich mit den Malediven gut auskennen und ich da auch unbedingt mal hinmüsse. Und ich hab’s denen versprochen…