Malediven: Der Islam
Ich bin ja immer noch hinterher mit meinen Reiseberichten von den Malediven. Heute will ich etwas darüber berichten, wie mir der Islam dort so begegnet ist.
Eigentlich kam mir das alles da ziemlich harmlos vor. Die Leute waren sehr freundlich, aber ich muss ja dazu sagen, dass ich nicht auf einer Touristen-, sondern auf einer Einheimischen-Insel war. Wobei ich durchaus gemerkt habe, dass die allermeisten Leute dort zwar freundlich waren und sich gefreut haben, dass da mal einer vorbeikommt, aber so einige wenige dazwischen waren eher höflich oder haben distanziert geschaut. In ein, zwei Fällen habe ich auch gemerkt, dass die Leute nicht wirklich was mit mir anfangen können, und da jetzt nicht so begeistert waren, aber das waren komischerweise die Fälle, in denen es sich nicht vermeiden ließ, etwa wenn man in einem Laden was gekauft hat. Auf den Inseln hat man keine Auswahl an Läden und deshalb keine Möglichkeit, woanders hinzugehen.
Interessanterweise habe ich erst als ich schon dort oder sogar schon wieder weg war diverse Warnungen und Reiseartikel gelesen. Denn gerade so in dem Zeitraum, als ich dort war, gingen Meldungen herum, dass die Malediven – bei weitem nicht absolut, aber im Vergleich zur geringen Einwohnerzahl – einer der Staaten mit dem höchsten Zulauf zu islamischem Terrorismus und zum IS sein solle.
Die ARD berichtete über den Zulauf zu Terrorgruppen, berichtete auch über die Dauerkrise auf den Malediven und die Vorgänge um den Ex-Präsidenten Nasheed. Die Frankfurter Rundschau schrieb vom Gangsterstaat, und der Blick vom Notstand. Zwar heißt es allenthalben, die Touristeninseln seien nicht betroffen. Aber ich war ja nicht auf einer Touristeninsel. Sondern auf einer Einwohnerinsel. Und übrigens auch zweimal auf der Nachbarinsel Maafushi, die so halb-halb Einwohner-Touristeninsel ist, aber auch das Gefängnis der Malediven hat, in dem wohl auch eben jener Ex-Präsident Nasheed sitzt. Ich bin mal dran vorbeigelaufen. Mehr dazu in der Reisewarnung von 2012.
Damals ist gerade der Islam dort besonders hochgebrandet, und man hat zunächst mal alle Massage- und Wellnessbereiche der Touristeninseln geschlossen, weil man sie für Bordelle hielt. Das hatte aber eher damit zu tun, dass bis vor ein paar Jahren (Nasheed hatte das aufgehoben) eine strikte Trennung zwischen Einwohner- und Touristeninseln bestand, und die Einwohner gar nicht so genau wussten, was dort ablief. Sie konnten sich aber nicht vorstellen, dass bekloppte Europäer, Amerikaner, Asiaten von weit hergeflogen kommen und einen Haufen Geld für so etwas banales wie Massagen ausgeben. Nach dem Verbot beschwerten sich aber die Hoteliers, weil dann die zentrale Einnahmequelle, der Tourismus wegbricht. Man hat sich die Sache dann näher angesehen und gemerkt, dass das doch keine Bordelle und die Touristen tatsächlich so bescheuert sind, dafür Geld aus der Ferne herbeizutragen. Also hat man es wieder zugelassen.
Gerade als ich dort war oder kurz davor, kochte das wieder hoch, wie etwa der Standard beschreibt, dass sich ein aggressiver Islamismus dort ausbreite, und die dort mit dem Steinigen wieder anfangen. Ende September habe es einen Anschlag gegeben. Dann gab’s auch noch Krach mit der ARD, die da über Klimawandel und Islamismus drehen wollte, dann aber festgenommen wurden. Es sei leicht, dort Leute zu finden, deren Angehörige in den Syrien-Krieg gezogen seien, aber gerade solche Berichte seien dort unerwünscht:
Was Urlauber auf den abgeschotteten Touristeninseln nicht mitbekommen: Die Malediven werden autoritär regiert. Der ehemalige Präsident Mohammed Nasheed wurde ins Gefängnis gesteckt. Ein bekannter Journalist verschwand, nachdem er Todesdrohungen erhalten hatte.
Ich habe von dem ganzen Problem und den Streitigkeiten fast nichts, nur am Rande mitbekommen. Nur die Sache mit Nasheed, von der habe ich dort einiges gehört und gesehen.
Was man mir allerdings erzählte, ist, dass der Tourismus dort eingebrochen ist und sie damit ziemliche Probleme hätten. Seit 2012, eben seit den damaligen Unruhen und Reisewarnungen, ist das mit dem Tourismus (was Wunder…) stark zurückgegangen. Dazu hat die Sache mit den geschlossenen Wellness-Bereichen natürlich stark beigetragen, aber auch ohne diese (zurückgenommene) Sperre haben sie das Problem, dass das Geld nicht mehr so fließt. Und sonst haben sie da nicht so viele Einnahmequellen. Das führt zu einer Art selbstverstärkendem Radikalismus, der sich immer stärker hochschaukelt.
Relativ schnell aufgefallen ist mir das unterschiedliche Verhalten von Männern und Frauen bzw. Mädchen und Jungs. Es gibt dort Traumstrände und das Wasser ist – jedenfalls bei ruhigem Wetter und ruhiger See, was ich aber nur selten hatte – wirklich perfekt sauber und glasklar. Dort zu schwimmen oder zu schnorcheln ist einfach wunderbar. Komischerweise habe ich dort aber im Wasser – zunächst – immer nur Männer und Jungs gesehen. Ich habe mal einen gefragt, warum das so ist. Dessen Antwort, in einer Mischung aus Resignation, schicksalhafter Verständnislosigkeit und Bedauern (ja, die wussten selbst nicht so genau, ob sie eigentlich dafür oder dagegen sind) „Their women…”. Als ob die im Wasser irgendwie untergehen oder sich auflösen. Er fügte dann aber hinzu, dass die dann abends und an anderen Stellen baden gehen. Männer dürften und könnten eben immer und überall, Frauen nur…naja.
Was gerade deshalb erstaunt, als es auf der Insel genug Mädchen gab und die auch ganz gerne mal um den komischen Fremden herumkokettiert haben:
Es ist übrigens ziemlich schwierig (und eigentlich unhöflich), Frauen und Mädchen dort zu fotografieren. Das wollen sie nicht, und sobald sie merken, dass das Objektiv auch nur in ihre Richtung dreht oder man (was ich normalerweise tue) sprachlich oder durch Gesten fragt, ob man darf, drehen sie sich sofort weg oder ziehen Vorhänge zu. Mehrfach sind da bildhübsche, sehr lustige und auf den Fremden neugierige Mädchen, vielleicht so im Grundschulalter, um mich herumgehüpft, aber fotografieren wollten die sich nicht lassen.
Da kam so ein naseweiser Knirps vorbei, auch nicht älter, vielleicht so 8 Jahre, und raunt mir so in überlegenem weltmännischem Mann-zu-Mann-Tonfall zu, wie Männer halt so über Frauen in deren Abwesenheit sprechen, obwohl die Mädchen direkt vor uns standen, dass Frauen einfach zu schüchtern seien. They’re too shy. Naja, sprach ich, dann kann ich doch Dich mal fotografieren, Du bist ja ein Junge.
Schockschwerenot, damit hatte der nicht gerechnet. Also, äh, mmh, nee, das ginge jetzt ja gar nicht, und… äh… Oho, sagte ich, dann bist Du ja genauso shy wie ein Mädchen! Hat ihn fürchterlich gewurmt. Er hat es dann mit Taktik versucht und gefragt, ob ich denn shy wäre, oder ob er mich mal fotografieren könnte. Er hatte es offensichtlich auf meine Kamera abgesehen, an der er einfach mal drücken wollte. Das mache ich hin und wieder, dass ich Kindern mal erlaube, mich mit meiner Kamera zu fotografieren, um das Eis zu brechen. (Wobei das zu erstaunlichen Effekten führen kann. Ich war in Australien mal in einem Vogelpark, als ein Papagei auf meine Schulter flog und untersuchen wollte, ob ich vielleicht irgendwelche leckeren Maden in den Ohren haben könnte. Weil gerade niemand anderes in der Nähe war drückte ich meine Kamera so, wie sie gerade war – D800 mit 70-200/2.8, also ziemlich großer, schwerer Brocken, kompliziert, viele Knöpfe und Schalter – einer etwa 10-jährigen Australierin in die Hand und fragte, ob sie mich mal fotografieren könnte. Sie konnte. Auf Anhieb. Leute, die hat vielleicht leuchtende Augen bekommen und wollte die Kamera fast gar nicht mehr hergeben, die hat der total gefallen. Jede Wette, an dem Tag habe ich die unverrückbar auf den Berufswunsch Fotografin geprägt. 😀 ) Der Knabe hat zwar dann ein Foto von mir gemacht, selbst wollte er sich dann aber trotzdem nicht fotografieren lassen.
Eine andere Frage ist die nach dem Bikini. Es hieß ja vorher, dass die dort verboten wären. Stimmt nicht. Auf der Einheimischen-Insel Gulhi gab es zwar keine Verbotsschilder, aber man hat doch darauf hingewiesen, dass es da einen speziellen Touristenstrand (ca. 20-30 Meter breit mit besonders feinem Sand) gäbe, Unterton, wenn, dann bitte da. Tatsächlich waren dort einige Touristinnen im knappen Bikini unterwegs, und es hat niemanden gestört. Völlig unbehelligt.
Auf Maafushi habe ich dann so ein Verbotsschild entdeckt (und den starken Eindruck gehabt, dass dem, der das Schild gemalt hat, Bikinis ziemlich gut gefallen). Allerdings bezog sich das auch nur auf den Strand, der dort von den Einheimischen genutzt wird.
Und dort badeten dann auch einheimische Frauen
Am Touristenstrand auf Maafushi gab es genug Touristinnen im knappen Bikini, völlig problemlos und geduldet. Als ich dort dann mal schnorcheln ging (sehr flach, man muss weit ins Meer gehen um wenigstens brusttief Wasser zu haben) kamen mir dort am Touristenstrand zwei offenkundig gut gelaunte einheimische Frauen, etwa Mitte/Ende Zwanzig, mit Schnorchelausrüstung aus dem Wasser entgegen. Eine hochbekleidet, aber Kopf völlig frei, die andere mit einer Burka (also Gesicht frei, Kopf und Hals verhüllt. Einige Leser haben mich darauf hingewiesen, dass das dann keine Burka, sondern ein Tschador sei, aber sie haben’s nunmal Burka genannt). Ich dachte mir, jetzt frag ich mal vorsichtig. Wie man damit schwimmen geht. Hoffentlich gibt das keinen Ärger.
Überhaupt nicht. Die waren total gut drauf, völlig freundlich und aufgeschlossen, und haben sich sehr gefreut, dass sich da einer interessiert. Und haben mir das völlig offen erklärt. Die mit Burka sagte, das sei überhaupt kein Problem, das stört sie gar nicht. Allerdings sei’s halt keine normale Burka, sondern eine spezielle Bade-Burka aus Badeanzug-Stoff. Mit ner normalen ginge sowas natürlich nicht. Man müsse eben nur beim Aufsetzen der Brille darauf achten, dass der Stoff nicht drunterrutscht, sonst läuft einem das Wasser in die Brille. Die andere — hoch bekleidet, aber komplett freier Kopf und offene Haare – lachte und meinte, nee, das sieht sie ganz anders. Sie trüge selbstverständlich auch die Burka. Aber nur an Land. Im Wasser sei’s ihr einfach zu störend und ginge ihr auf den Wecker. Also ginge sie einfach ohne baden.
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Ein zentraler Punkt auf Gulhi war natürlich die – allgegenwärtige – Moschee. Zunächst hatte ich die gar nicht entdeckt und mich gewundert, dass da im Hotel wohl irgendein Angestellter hin und wieder seine Gebetsgesänge sang und dabei ein verblüffend durchdringendes Organ hatte. Es war aber nicht so, das war der Muezzin der Moschee, der sich wegen der dort etwas anders gebauten Lautsprecheranlage und dem etwas anderen Stil anders anhörte, als ich das aus anderen Ländern kenne. Ich fand das übrigens nicht so berauschend, dass der da meist morgens um 04:40 loslegte. Ich dachte erst, dass das vielleicht mit den Arbeitszeiten der Fischer zu tun hat, habe dann in einem islamischen Museum in Sharjah aber gelesen, dass das erste Gebet eben sehr früh erfolgen soll (Sonnenaufgang oder irgendsowas), aber 04:40 muss jetzt nicht so wirklich sein, schon gar nicht im Urlaub. Das war eigentlich das Einzige, was mich dort am Islam gestört hat.
Der Brüller ist ja: Ich habe mal einen Einheimischen gefragt, welche Sprache der da singt. Ich habe immer wieder „Allahu akbar” gehört, was ja arabisch ist, während die Landessprache mit arabisch nichts zu tun hat, nur ein paar Einsprengsel. Na, sagte der, Islam heißt eben, die Koran-Suren auf arabisch zu lesen, nur so sind sie richtig. Aber auf der Insel kann fast niemand arabisch. Ja, fragte ich, wie verstehen Sie das denn dann? Ja, sagte der, wir verstehen es ja gar nicht. Au weia.
Was die dort dann in der Landessprache so predigen?
Schwer zu sagen. Einen indirekten Hinweis habe ich bekommen.
Ich habe mich mal bei anderer Gelegenheit mit einem Einheimischen der Insel über das Reisen ausgetauscht. Er wollte wissen, wo ich schon so war und wo ich herkomme. Und erzählte mir, dass er sich schon ganz dolle auf seine Reise freue. Er spare gerade mit seiner Verlobten fleißig auf ihre Hochzeit und die Hochzeitsreise, auf die sich beide schon so ungemein freuten. Nach Rom solle es gehen, das sei ja sooo romantisch. Äh, jo, meinte ich, Rom ist ganz dolle romantisch. (Ich habe mir gedacht, lassen wir ihm die Vorfreude, das muss er selbst herausfinden…) Und im Anschluss würden sie weiterreisen nach London, wo sie Verwandte hätten, die sie eingeladen haben. Ja, meinte ich, London ist toll, das sollte man mal gesehen haben.
Und dann meinte er, er würde sich dabei ja sooo gerne mal Deutschland ansehen. Aber das ginge ja leider nicht, er könne ja nicht nach Deutschland. Was? Wieso das denn nicht?
Ja, druckste er herum, es war ihm sichtlich unangenehm, ich müsse das doch verstehen, ja, also, naja, die Sache sei doch die, er dürfte und könnte doch kein Schweinefleisch essen.
Irgendwer hatte dem erzählt, wir würden in Deutschland von morgens bis abends nur Schweinefleisch fressen, hier gäb’s nichts anderes.
Da habe ich den erst mal beruhigt und ihm erklärt, dass es hier zwar Scheinefleisch gibt, aber noch viel mehr ganz andere Sachen, und dass man hier auch prima ohne Schweinefleisch leben kann. Dass wir auch alle anderen Fleisch- und Fischsorten haben, Geflügel und sonst alles. Dass es bei uns auch ganz viele Vegetarier gibt, und jede Menge Muslime, die sogar Restaurants, Dönerbuden und so weiter haben, natürlich alles ohne Schweinefleisch, vieles sogar exlizit als halal beworben, auch in den Supermärkten gibt es alles, das sei gar kein Problem. Der war völlig baff.
Der Alkohol
In islamischen Ländern gibt es keinen (oder nur schwer erhältlichen) Alkohol. Finde ich gut, denn ich trinke keinen Alkohol und muss deshalb nicht immer vorher fragen. Ich habe dort die wunderbare Fruchtsaftkarte rauf und runter getrunken, die meisten frisch gepresst. Herrlich.
Am letzten Tag kam der Kellner zu mir und meinte, sie hätten eine Überraschung für mich besorgt. Äh, was kommt jetzt. Er serviert mir eine – vermeintliche – Flasche Bier:
Auch noch von einer deutschen Brauerei, Holsten. Extra für mich besorgt. Oah. Wie komme ich da jetzt diplomatisch wieder raus? Ich mag doch kein Bier. Ich versuche, ihm das höflich beizubringen, und er meint, das hätte keinen Alkohol. Der sei ja auf der Insel nicht erlaubt. Also gut. Ich beschließe, es zu trinken. Wenn es alkoholfrei ist, kann es gar nicht so schlecht schmecken, dass ich nicht den halben Liter runterbekomme und dazu Genuss heucheln kann.
Es war schwer zu entziffern, was es war, weil auf arabisch beschriftet. Irgendwas mit Apfel und Malz. Und tatsächlich: Es war Apfel-Malz-Bier, schmeckte so wie Apfelschorle mit drei Esslöffeln Karamalz. Die haben sich von Holsten wohl überlegt, was man in arabischen Ländern verkaufen könnte, was zumindest nominell irgendwie in Richtung Bier laufen und in Bierflaschen abgefüllt werden könnte.
Der Brüller kam dann am Flughafen. Da kommt man in den Duty-Free-Bereich mit einer riesigen Whisky-Abteilung aller Sorten, aller Preislagen, aller Hersteller, vom billigsten Massengesöff zur teuersten Edelflasche. Ein ganzes Brandweinkaufhaus. Die teuerste: Eine Flasche Balvenie für US$ 50,888.00. Na dann.