Das Ada-Lovelace-Komplott
Ha. Wieder ein Puzzlestück in der Lügenpressefassade. [Vergessenen Link nachgereicht]
Könnt Ihr Euch noch erinnern, wie uns die Presse und der Feminismus einhämmern wollen, dass die Informatik eine Frauenerfindung sei und Ada Lovelace die erste Programmiererin gewesen sei? Dass also der niedrige Frauenanteil in der Informatik nur auf fieser Unterdrückung beruhen könne, weil Informatik ja eigentlich ein Frauending sei?
Da wird gerade ein irrer Personenkult aufgebaut (Feminismus läuft immer über Personenkult), ganze Lovelace-Frauen-Konferenzen werden veranstaltet.
Ich hatte neulich schon geschrieben, dass das vorne und hinten nicht zusammenpasst. Und selbst dann, wenn es stimmte, immer noch bedeuten würde, dass nach dem Tod von Lovelace vor 150 Jahren ja dann auch nicht mehr viel kam.
Auf Telepolis hat nun Raúl Rojas einen Artikel geschrieben, in dem er mal nachschaut, was an Ada Lovelace tatsächlich dran war und was von dem Theater eigentlich stimmt. Antwort: Wenig.
Im Fall von Ada Lovelace, der berühmten Tochter des englischen Dichters Lord Byron (1788-1824), weiß man nicht, wo das reale Leben aufhört und der Mythos beginnt. Sie ist zur “Assistentin” von Charles Babbage hochstilisiert worden. Erste Programmiererin der Welt (männlich oder weiblich) ist sie genannt worden. “Am Anfang war Ada. Frauen in der Computergeschichte” heißt die neue Ausstellung von Heinz-Nixdorf MuseumsForum über Frauen in der Informatik. Bei Christian Hesse in “Forschung & Lehre” heißt es lapidar “Ada hat’s erfunden”.
Auch wenn ein ganzes Buch belegt, dass sie in der Mathematik letztlich nur eine Anfängerin war, und egal, ob sie keineswegs das allererste Programm der Welt geschrieben hat – ihre Legende wächst unaufhaltsam.
Typisch für diese Art des Personenkults ist der Roman von Friedrich Christian Delius über Konrad Zuse (Die Frau, für die ich den Computer erfand). Delius dichtet den deutschen Erfinder eine Art Liebe im Delirium zu Ada zu, die die Jahrhunderte durchbricht. Für sie, nur für sie, hätte Zuse den ersten Computer der Welt erschaffen, um diesen ihr zu Füßen zu legen. In Delius fiktivem Gebilde entscheidet der zeitlebens unterbewertete Computerpionier die “am meisten überbewertete Persönlichkeit der Computergeschichte”, wie der Historiker Bruce Collier schrieb, zur Muse zu nehmen.
Da wird einfach irgendein Käse erfunden.
Dorothy Stein hat bereits vor sage und schreibe 30 Jahren Lady Lovelace auf Herz und Nieren geprüft.3 Stein ist wohl die einzige, die sich die Mühe gemacht hat, die Korrespondenz von Ada und einigen ihrer Zeitgenossen detailliert zu durchleuchten. Ihr Urteil ist vernichtend: Ada Lovelace war eher eine Narzisstin, die immer geschickt wusste, die Aufmerksamkeit ihrer Umgebung auf ihre Person zu ziehen.
Und damit ist es zynischerweise sogar richtig, wenn man sagt, dass Lovelace die Vorgängerin heutiger feministischer Informatikerinnen war. Anfängerniveau, Narzissmus, udn die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Ada hatte aber nie eine fundierte mathematische Ausbildung erhalten und war eher eine Autodidaktin, die befreundeten Tutoren wie der hochgeschätzten Mary Somerville und später Augustus De Morgan Fragen per Korrespondenz stellen durfte. Sie lernte Geometrie und nachher konnte sie teilweise die ersten Druckbögen von De Morgans Lehrbuch über Differential und Integralrechnung lesen. Sehr weit kam sie allerdings nicht: Ihre mathematische Kenntnisse blieben unter dem Niveau eines heutigen Gymnasiasten.
Wie Dorothy Stein anhand der Korrespondenz von Ada akribisch zeigt, konnte sie einfachste Variablensubstitutionen in bescheidenen algebraischen Ausdrücken nicht durchführen. Sie übersah, dass die Kosinus-Funktion nicht unendliche Werte annehmen kann. Trotzdem ist in vielen Webseiten und populärwissenschaftlichen Schriften immer die Rede von der “Mathematikerin” Ada, die “Mitentwicklerin” der Analytischen Maschine. […]
Wenn man Adas Kommentare liest, springt ins Auge, dass sie an vielen Stellen die Funktionsweise der Maschine mystifiziert. Die Analytische Maschine hatte nur einen Speicher für Zahlen, aber Ada beteuert, die Maschine wäre in der Lage, auch mit Symbolen zu operieren, und könne deswegen symbolische Berechnungen durchführen […]
Dorothy Stein zeigt deswegen in ihrem Buch auf überzeugende Weise, dass Ada nur ein begrenztes Verständnis der Komplexität der Analytischen Maschine besaß. Wo Kenntnisse fehlten, griff sie zu Metaphern. Heute wird zu viel hinter diesen Zeilen gelesen – und es wird ins Blaue spekuliert, sie hätte vorausgesehen oder sogar gewusst, wie symbolische Algebra bearbeitet werden könne.
Auch darin gleicht sie heutigen feministischen Informatikerinnen: In der Nutzung von Metaphern und der Mystifizierung der Maschine als Ersatz für deren Verständnis. Der ganze Sozio-Quatsch, der über Computer geschrieben wurde, beruht zentral darauf.
Im Fall von Software hat nichts, was Ada mit dem vergessenem Programm von 1843 erreicht hätte, später eine technische Auswirkung gehabt. Sie als “Mutter der Software” zu bezeichnen ist reichlich übertrieben. Dafür wäre eine andere Frau, Grace Hopper, eine viel bessere Kandidatin, weil sie mitten im Zentrum der Entwicklung der ersten Computer in den USA und der ersten Softwarebibliotheken und Compiler stand. Hoppers technischer Beitrag und Wirkungsgeschichte war unendlich größer als Adas.
Liest man noch die Selbstbeschreibungen Adas im Text, könnte man sie auch schlicht für übergeschnappt halten.
Und trotzdem wird uns hier ein Mythos von der ersten Informatikerin als Wahrheit aufgetischt.
Auch hier wird systematisch und flächendeckend gelogen und betrogen.