Ansichten eines Informatikers

Warum es jetzt bergab geht

Hadmut
31.3.2016 0:18

Ein führender Ökonom schreibt Ähnliches wie ich. Da greif ich doch zu.

Die WELT berichtet über den US-Ökonomen Robert Gordon.

Der meint nämlich, das war’s. Aus, Ende und vorbei. Wir seien am Ende des Wachstums und des Fortschritts angekommen, und ohne den ginge es nicht, und deshalb geht’s jetzt nicht mehr und damit bergab.

Oh, ja. Ich habe ja auch schon oft geschrieben, dass wir den Peak Bildung und Wohlstand überschritten haben und es bergab geht, und dass ich mit meinem Geburtsjahr wohl relativ viel Glück gehabt habe, den großen Mist davor nicht miterlebt zu haben, die Digitalisierung, Demokratie, Freiheit, Gesundheit ausgenutzt zu haben und wahrscheinlich den ganz großen Absturz auch nicht mehr mitzuerleben. Aber eben zu beobachten, dass unsere Zivilisation gerade rasant abstürzt.

Wir sehend das ja gerade in Europa und seinem Mario Draghi in Panik, der mit Geld nur so um sich wirft und durch Negativzinsen unsere Altersvorsorge in die Luft jagt. Der versucht gerade mit allen Mitteln, ein Wachstum zu erzeugen, wo keines mehr geht. Denn Zinsen sind ja nichts anderes als ein Abschöpfen künftigen Wachstums. Da ist nur nichts mehr.

Einige haben sich schon den Kopf darüber zerbrochen. Und beobachtet, dass es nichts nutzt, den Leuten mehr Geld zu geben, weil sie damit mehr und nicht teurere Dinge kaufen, es also nicht zu der erhofften Inflation kommt.

Wie kann man überhaupt annehmen, dass wir noch viel Inflation und steigende Preise erreichen würden? Wir, die Informatiker, haben Euch da gerade einen Strich durch die Rechnung gemacht. Computertechnik, Logistik, Internet, Automatisierung, Digitalisierung haben eine enorme Effizienzsteigerung und Kostensenkung mit sich gebracht, wie seit der technischen Revolution durch die Dampfmaschine nicht mehr. Jeder von uns ist inzwischen in der Lage, per Webseite beim billigsten Anbieter weltweit einzukaufen. Ich zum Beispiel kaufe in letzter Zeit so manchen Elektronik-Kleinkram direkt aus Fernost. Spottbillig und qualitativ zu meiner Zufriedenheit. Wie könnte man da Preissteigerungen erwarten, wenn wir uns gerade darin perfektionieren, beim billigsten Anbieter weltweit einzukaufen und extremen Wettbewerb zu veranstalten?

Jahrelang haben uns die Linken gepredigt, wir bräuchten Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, weil die Produktivität so steigt, dass wir die gleiche Leistung mit weniger Arbeit erzeugen. Genau das ist jetzt eingetreten, nur anders als erwartet. Wir erzeugen zwar die gleiche Produktion mit weniger Arbeit, aber es führt eben nicht zu mehr Produktion, sondern nur zu weniger Arbeit. In vielen Bereichen haben wir eine Sättigung erreicht.

So etwas hatte ich ja auch im Buch „Frauenquote” schon angesprochen, nämlich dass man Wachstum künstlich hervorrufen muss und deshalb erst Gastarbeiter und dann Frauen in Marsch gesetzt hat.

Ich möchte das etwas weiter ausdehnen. Ich habe den Eindruck, dass unser Wirtschaftssystem schon seit 100 Jahren – also seit dem Durchschlagen der Maschinisierung – nicht mehr wirklich rund läuft und deshalb alle 20 bis 25 Jahre einen künstlichen Anstoß benötigte – in zwar nicht immer absichtlich und geplant bekam, aber dadurch in Gang gehalten wurde:

  • 1910er Jahre: Nicht absichtlich, aber faktisch warf der Erste Weltkrieg als erster industriell geführter Krieg die Wirtschaftsproduktion an.
  • 1930er Jahre: Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit. Der Nationalsozialismus gewinnt Wahlen mit Programmen wie Autobahnen, später wieder Kriegswirtschaft für den zweiten Weltkrieg
  • 1950er Jahre: Wiederaufbau, Wirtschaftswunder, alles muss einmal komplett neu gebaut werden
  • 1970er Jahre: Gastarbeiter-Programm, hauptsächlich aus der Türkei, Zustrom an Arbeitskräften und Konsumenten
  • 1990er Jahre: Feminismus, Frauen als Arbeitskräfte und Konsumenten, dazu Wiedervereinigung
  • 2010er Jahre: Euro- und Wachstumskrise. Man versucht es zunächst damit, Spanier ins Land zu holen, die wollen aber nicht. Also lädt man Flüchtlinge ein.

Man kann durchaus vermuten, dass hinter Merkels Politik die blanke Panik steht, dass unsere Wirtschaft den nächsten Anstoß braucht, innerhalb von Europa so ein Anstoß aber nicht mehr zu holen ist. Da ist nichts mehr da, was sich zum Wachstum in Bewegung setzen lässt. Ende der Fahnenstange. Geht nichts mehr. Also bleibt eigentlich nichts anderes mehr übrig, als außerhalb Europas zu plündern. Man sagt ja so gerne, die Flüchtlinge kämen, um unsere Sozialsysteme zu plündern. Sicherlich. Man kann es aber auch so sehen, dass wir gerade die Wirtschaftskraft anderer Länder plündern, weil wir selbst kein Wachstum mehr hinbekommen.

Und dass deshalb wohl so manche Interessen hinter Feminismus und Genderismus stehen.

Damit kommt dem Feminismus (und es heißt ja so oft, dass dahinter Milliarden-Interessen stecken) eine durchaus andere Position zu.

Ich hatte das ja auch schon oft beschrieben, dass die „Emanzipation der Frau” keine Folge von Feminismus ist, sondern eine Folge der von Männern gemachten Technisierung und Vereinfachung des Haushaltes. (Hatte dazu auch schon eine Ausstellung in Australien erwähnt.) Früher war pro Familie mindestens eine Arbeitskraft voll beschäftigt, um den Laden elementar am Laufen zu halten. In den Siebzigern hatte aber dann die Familie Kühlschrank, Spülmaschine, Waschmaschine, Waschpulver, Tütensuppen, Tiefkühlpizza. Und Frauen übten sich in alltäglichem Kaffeeklatsch und schließlich vor lauter Langeweile Yogakursen. Bis man auf die Idee kam, diese Arbeitskraft zum Wachstum heranzuziehen. Deshalb konnte damals der Mann alleine die Familie ernähren, dazu Haus, Auto und Urlaub bezahlen, während heute beide arbeiten, es vorne und hinten nicht reicht, aber die Frau sich über ihre „Emanzipation” freut.

Gordon meint nun, da ginge nichts mehr an Wachstum:

Solche Nachrichten, in Kombination mit Gordons Buch gelesen, haben das Potenzial, Millionen Amerikaner schaudern zu lassen. “The Rise and Fall of American Growth” (“Der Aufstieg und Fall des amerikanischen Wachstums”), heißt das Werk. Die “Washington Post” nannte ihn den “deprimierendsten Ökonomen des Landes”.

Auf zwei Sätze reduziert lautet seine pessimistische These: Der technische Fortschritt hat seinen Zenit überschritten. Die Zeiten des kräftigen Wirtschaftswachstums sind für die USA und andere führende Industrieländer vorbei. […]

Die Menschen in Industrienationen haben sich daran gewöhnt, dass alles immer besser wird, der Lebensstandard von Generation zu Generation wächst. Damit ist es jetzt vorbei, sagt Gordon: “Die Generation der Millennials ist die erste, der es schlechter gehen wird als ihren Eltern.” Junge Amerikaner bleiben deutlich länger im Elternhaus wohnen, haben mehr Probleme, ihre Studienkredite abzubezahlen, heiraten später und bekommen weniger Kinder.

Er glaubt, dass die von der Tech-Industrie beschrieene “vierte industrielle Revolution” nichts weiter als eine Schimäre ist. Die sozialen Netzwerke, Apps, Roboter und Computer mit künstlicher Intelligenz verbesserten unsere Leben nicht im gleichen Maße wie die großen Erfindungen der Vergangenheit.

“Man nimmt das oft alles als selbstverständlich hin, wie sehr sich unser Alltag in den vergangenen 150 Jahren verbessert hat”, sagt Gordon. Von Generation zu Generation. Dieser Raum, sein Büro, wäre vermutlich früher im Winter zu kalt gewesen, um entspannt darin zu arbeiten, weil es keine Zentralheizung gab, und im Sommer zu heiß, weil die Klimaanlage noch nicht erfunden war. Er wäre mit einer holprigen, zugigen Kutsche zur Uni gefahren statt mit seinem leise dahingleitenden SUV. Seine Tassen hätte vermutlich seine Frau gespült, die dazu Wasser vom Brunnen ins Haus geschleppt hätte.

Und weiter zur Rolle der Frauen, ganz in dem Sinne, den ich auch schon oft beschrieben habe:

Von der Kutsche zum Boeing-Jet

“Wussten Sie, dass Frauen im 19. Jahrhundert pro Woche zwei Tage nur mit der Wäsche beschäftigt waren? Oder dass eine Hausfrau in North Carolina im Jahr 1885 durchschnittlich 35 Tonnen Wasser 148 Meilen weit getragen hat?” Die Emanzipation der Frauen wäre ohne die Erfindung der Sanitäranlagen, Waschmaschinen und Kühlschränke niemals möglich gewesen, meint Gordon.

Nicht der Feminismus hat Frauen „befreit”, sondern die Männer haben sie mit ihren Erfindungen befreit, und der Feminismus hat nur so getan, als ob er es gewesen wäre.

Damit aber könnte sich das Einspannen der Frauen in den Wirtschaftskreislauf als der größte Fehler von allen erweisen: Denn damit hat man sie aus der Nachwuchsproduktion abgezogen, sie bekommen zu wenig Kinder. Man hat sich damals einen kurzzeitigen Anstoß verschafft, fällt damit aber 40 Jahre später, beim übernächsten Zyklus, auf die Schnauze, weil nicht mehr genug Leute da sind, um wenigstens den Status Quo zu erhalten. Wir wachsen nicht nur nicht mehr, wir schrumpfen sogar.

Ich merke das sehr deutlich. Ich bin ja noch ganz kurz nach den Baby-Boomer-Jahren geboren. In der zehnten Klasse hatten wir 6 Schulklassen mit 36 Schülern. Wir waren im Abiturs-Jahrgang noch 220 Leute, während sie in der fünften Klasse insgesamt kaum 50 Kinder für zwei Klassen zusammenbekamen.

Ständig wird uns erzählt, ja der Feminismus, die Emanzipation, die Befreiung der Frau, blablabla.

Vor 40 Jahren hat man die Wirtschaft geflickt und künstliches Wachstum erzeugt, indem man die Frauen aus den Mütterrollen geholt haben, die der Wirtschafts- und Technologieschub vor 60 Jahren so stark verändert und vereinfacht hatte. Heute haben wir die Folgen, und man versucht verzweifelt, die Lücken zu schließen, indem man ranholt, was auf dem Weltmarkt an Menschen noch zu holen ist.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum so viele Feministinnen plötzlich so ganz die Schnauze halten, sobald es irgendwie um Flüchtlinge geht, weil die die Löcher füllen sollen, die die „Emanzipation der Frau” hinterlassen und verursacht hat.

Denn Wachstum bekommen wir so schnell nicht mehr, der Planet ist endlich. Habe ich nicht schon so oft erwähnt, dass das Reisen nicht mehr so wirklich viel Spaß macht, weil es eigentlich inzwischen überall gleich aussieht? Egal wo man hinkommt, überall gibt es IKEA, Metro, McDonalds, Volkswagen, überall dieselben Einkaufszentren. Unterschiede nur noch in Währung, Zeitzone und ob sie links oder rechts auf der Straße fahren. Das war vor 20 Jahren noch anders. Auch da zeigt sich, dass die Erde „ausgewachstumt” ist. Wir haben inzwischen alles flächendeckend verwirtschaftet.

Und das ist ein wesentliches Problem: Es gibt praktisch keinen Erschließungsmarkt mehr, sondern nur noch Verdrängungsmarkt. Verdrängen ist aber kein Wachstum, nur Tausch. Und der läuft in der Regel über niedrigere Preise, also Deflation, nicht die erhoffte Inflation.

Ich weiß nicht, ob wir die Kurve diesmal noch kriegen.

Aber die nächste in 20 Jahren kriegen wir nicht mehr.