Ansichten eines Informatikers

Heiko Maas droht Facebook

Hadmut
17.7.2016 12:52

Da kann man mal sehen, wie das Bundesjustizministerium lügt.

Ich hatte das ja schon öfters geschrieben, gerade im Zusammenhang mit der Facebook-Filterei, und im vorangegangenen Artikel über Steuerbetrug und die Amadeu-Antonio-Stiftung nochmal zusammengefasst, nämlich dass das Bundesjustizministerium mir gegenüber in Presseauskünften immer behauptet hat, Maas und das BMJV hätten mit der Facebook-Filterei ja eigentlich gar nichts zu tun, hätten da nur irgendwie Leute gleicher Interessenlage zusammengebracht, und ihnen Unterkunft für eine Besprechung gewährt (das arme Google kann sich nämlich keine Räumlichkeiten leisten…), aber eigentlich würden die das ja alles selbst machen wollen. Facebook wolle filtern, wisse aber nicht wie, und glücklicherweise haben man sie so mit Leuten zusammenbringen können, die wüssten, wie und so und überhaupt. Noch ein paar Blümchen und Schmetterlinge dazu, Veilchenduft, Tirili.

So die Fassade.

Spiegel Online berichtet heute, inzwischen drohe Heiko Maas Facebook, weil es nicht vorangehe mit der Filterei.

In einem Schreiben, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, wirft der SPD-Politiker Facebooks Cheflobbyisten in Berlin und London vor, die in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe gemachten Zusagen zu brechen. “Das Ergebnis Ihrer Anstrengungen bleibt aber bisher hinter dem zurück, was wir in der Task Force gemeinsam verabredet haben”, schreibt Maas. “Es wird noch immer zu wenig, zu langsam und zu oft auch das Falsche gelöscht.”

Ach, gar?

Hatte die Presseabteilung des BMJV mir nicht erzählt und geschrieben, ach, das sei ja nur so ein informeller Gesprächskreis gewesen, wo man nur so ein paar „best practices” vereinbart habe?

Irgendwie komme ich mir von der Presseabteilung des BMJV permanent belogen vor. (In der Pfalz, und die grenzt ja an das Saarland, gibt’s so den Spruch „Wie der Herr, so’s Gscherr” – wie der Hausherr, so das Hausgesinde.)

Facebook nahm daraufhin Flüchtlinge als zu schützende Kategorie in die Richtlinien auf und gelobte, Gegenrede gegen Hass zu fördern. Doch in der Praxis berichten viele Nutzer, die Gewaltaufrufe gegen Flüchtlinge melden, dass sie nur Facebooks Standardantwort bekommen: Dieser Inhalt verstoße nicht gegen die Richtlinien des Netzwerks. Eindeutige Hetze wird teilweise nicht gelöscht; anderes wird wiederum entfernt, weil es angeblich gegen Facebooks Richtlinien verstoße.

Muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Es gibt keine Definition für den Begriff „Hetze”, das wird ganz bewusst diffus, willkürlich, auf alles und nichts anwendbar gehalten. Und dann beschwert man sich, dass „eindeutige Hetze” nicht gelöscht würde. Wie kann etwas „eindeutige Hetze” sein, wenn der Begriff nicht definiert ist? Legt man den Begriff der Volksverhetzung auch § 130 StGB zugrunde, der näher definiert ist, stellt sich dann dagegen die Frage, woher man eigentlich das Vorliegen eines Straftatbestandes so genau wissen will, wenn es kein Gerichtsverfahren gab und gerade bei Straftaten wegen der Unschuldsvermutung vor Verurteilung keine Rechtsfolgen geknüpft werden dürfen? Man weiß ja, dass sich jeder, der vor einem Fernseher sitzt, für einen Weltklasseschiedsrichter und Spitzentrainer hält. Hält sich damit auch gleich jeder für einen Strafrichter?

Ist es nicht so, dass die Presse sonst immer stets von „mutmaßlichem Täter” spricht? Wenn irgendwo einer hundert Leute in die Luft jagt oder mit dem LKW über den Haufen fährt, dann sind das immer „mutmaßliche” Täter. Sind ja noch nicht verurteilt. (Wie kann dann ein Selbstmordattentäter überhaupt je Attentäter genannt werden? Man kann Tote ja nicht mehr verurteilen…) Warum wird dann aber bei Facebook immer von „eindeutiger Hetze” und nicht von „mutmaßlicher Hetze” gesprochen? Wäre da nicht mindestens dieselbe Zurückhaltung bis zur Verurteilung geboten?

Maas fordert deshalb weitere Maßnahmen. Vor allem müsse “sichergestellt sein, dass Meldungen problematischer Beiträge durch die Nutzer genauso zügig und sorgfältig bearbeitet werden wie die von Organisationen”. Der Minister kritisiert insbesondere, dass Beiträge wie Zeitungsartikel gelöscht werden, die über Fremdenfeindlichkeit lediglich berichten. “Offenbar wird Gegenrede oder die journalistische Einbettung von Beiträgen in den Prüfverfahren von Facebook zu häufig nicht erkannt”, schreibt Maas.

Ach?

Facebook löscht nicht einseitig genug? Es dürfen nur solche Artikel gelöscht werden, die der Ausrichtung der SPD widersprechen, aber nicht solche, die konform gehen?

Warum sollte eigentlich ein Zeitungsartikel, der Leute als rechtsradikal beschimpft und zu Maßnahmen aufruft, nicht ebenfalls als „Hetze” bzw. „Volksverhetzung” gelten? Denn objektiv gesehen waren viele Artikel über „Pegida” sehr hetzerisch und haben ja sogar zu Gewalttaten geführt. Wieder mal zweierlei Maas?

Schließlich droht der Minister dem US-Konzern indirekt mit einer Regulierung auf europäischer Ebene. Er verweist auf die entsprechenden Diskussionen in Brüssel und schreibt: Die europäischen Justizminister seien sich einig darin, dass von Hassbotschaften im Netz “eine erhebliche Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden” ausgehe. “Je besser es den beteiligten Unternehmen hier gelingt, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, desto geringer ist der Bedarf für eine weitere Regulierung.”

Mit anderen Worten: Schafft es Facebook nicht, seinen Umgang mit illegalen Hassbotschaften und Gewaltdrohungen zu verbessern, solle die EU den Konzern darauf verpflichten.

Hahaha.

Heißt, dass er selbst nicht genug in der Hand hat, um Facebook zu drohen. Die EU soll’s richten – falls es die bis dahin überhaupt noch gibt. Die Briten werden’s amüsiert zur Kenntnis nehmen.

War die SPD nicht eben noch (zumindest in Teilen) für TTIP? Und jetzt plötzlich kommt der mit europäischen Regulierungsversuchen um die Ecke? Hätten wir TTIP, wäre so eine Regulierung gar nicht mehr möglich.

Fragt sich, ob sie ohne TTIP möglich ist. Und ob die EU das überhaupt EU-weit regulieren kann, oder ob das nicht Sache der Staaten ist.

Und selbst wenn sie es tun: Facebook ist ein amerikanischer Laden. Was kümmert die EU-Gesetz? Die werden sich irgendwann auf den (gesunden) Standpunkt zurückziehen, nehmt’s wie es ist oder lasst es bleiben. Jedenfalls, solange es in den USA noch Freedom of Speech gibt, was meiner Einschätzung nach noch für ungefähr ein halbes Jahr der Fall sein wird. Hillary wird denen da schon den Erdogan machen. Aber vielleicht wird’s ja auch Trump. Durchsetzen ließe sich sowas effektiv nur, wenn man Facebook im Europäischen Internet sperrt. Spätestens dann bekommt man auch in Deutschland ein EU-Austrittsreferendum.

Bleibt die Frage, was für ein Justizminister das eigentlich ist, der notorisch lügt und sein vermeintliches Recht und Gesetz unbedingt von amerikanischen Privatunternehmen und geldgewaschenen Stasi-Experten durchsetzen lassen will.