Prüfung der Woche
Fälle gibt’s. Wir kennen das ja, daß türkische Familien ihre Töchter umbringen, wenn die nicht nach deren religiös-naivem Weltbild leben. Geht aber auch andersherum.
Gleiche Grundsituation, Tochter ist modern eingestellt und will studieren, die Eltern und der Bruder sind geistig im Mittelalter steckengeblieben und wollen sie von der Schule nehmen. Diesmal erschießt aber die Tochter die Mutter. Ist mal was anderes.
Zwei Punkte sind daran bemerkenswert:
- Die Tochter war erst elf.
- Sie hat erreicht, was sie wollte. Sie kam doch zum Einstufungstest für das Gymnasium. Und zwar viereinhalb Stunden, nachdem sie ihre Mutter erschossen hatte.
Das muß man sich mal vorstellen: Die Kleine erschießt ihre Mutter, weil sie nicht zum Test darf. Sie ruft selbst die Polizei, wird verhört. Die Polizei stellt fest, daß sie noch nicht strafmündig ist. Und was macht die Polizei? Sie fährt die Kleine sofort zum Aufnahmetest, dessentwegen sie ihre Mutter umgelegt hat. Und noch am selben Tag nimmt die Kleine am Test teil.
Die Kleine scheint wirklich entschlossen zu sein zu studieren. Die Polizei ist auch cool.
(Wenn das mal keine Ente ist…)
6 Kommentare (RSS-Feed)
Kann ich nicht folgen. Erstens werden Leute für solche “Ehrenmorde” in vielen Ländern überhaupt nicht bestraft. Zweitens ist es – Druck hin oder her – immer noch eine eigene Handlung und Entscheidung, jemanden umzubringen. Umgebracht zu werden ist keine eigene Handlung oder Entscheidung.
Erstaunlicherweise stecken hinter diesen familiären Ehrenmorden (und übrigens auch hinter weiblichen Beschneidungen) verblüffend oft nicht mal die Männer, sondern die Frauen der Familie.
Ich weiß nicht ob Du eine Schwester hast, aber würdest Du die umbringen wollen, wenn sie die Regeln nicht befolgt?
Das ist doch für die Männer auch krankmachend, und nicht nur für die, die in die Lage kommen, daß wirklich exerzieren zu sollen, sondern auch für die, die als Drohung herhalten sollen und herhalten, damit es nicht zum unerwünschten Verhalten kommt.
Ja – die Mütter die sich selbst gefügt haben sind verurteilt die Unterdrückung der Folgegeneration zu befördern, um sich nicht selbst eingestehen zu müssen, daß es falsch selbst zu kuschen. Ähnlich wie Kriegsversehrte am heftigsten bestreiten, daß ein Krieg sinnlos war – dann wäre das Bein ganz umsonst geopfert worden. Was nicht sein darf, das kann nicht sein.
Es wäre eine eigene Entscheidung nicht zu morden – zu morden ist oft nicht die eigene Entscheidung.
Strafrechtlich in unserem Rechtsraum zum Glück schon – vor Gericht soll sich das Individuum nicht darauf berufen, gezwungen gewesen sein. Unser Rechtssystem setzt aber eben auch das Individuum vorraus, das nötig ist, um individuell zu entscheiden, daß man wie eins leben möchte.
Die Argumentation bringt nichts. Mich selbst als den Maßstab hinzustellen ist wenig sinnvoll, weil andere Leute – insbesondere aus manchen Kulturkreisen – jede Menge Dinge mit Wonne tun, die ich nie tun würde. Rauchen, Saufen, Stiere in einer Arena töten, mich gegenüber irgendeinem Heiligtum verbeugen, sich tätowieren oder irgendwelches Zeugs durch die Backe stoßen, usw. usw.
Nur weil ich meine (nichtexistente) Schwester nicht umbringen würde, heißt das noch lange nicht, daß jeder andere das auch schlecht findet. Nur weil ich nie Rauchen würde, heißt das nicht, daß alle Raucher der Welt sich dazu gezwungen fühlen.
Vorweg: Zumindest unter den Türken ist der Kreis derjenigen, die Ehrenmorde toll finden sehr klein. Die meisten Türken mögen zwar nicht begeistert sein, wenn die Tochter/Schwester mit dem falschen ausgeht oder ihren eigenen Kopf durchsetzt, aber ihnen würde nie in den Sinn kommen, deswegen diesTochter/Schwester zu töten. Sie verurteilen auch diese Morde. Es sollten daher nicht alle über denselben Kamm geschoren werden.
Man muß auch bedenken, daß vor gar nicht allzu langer Zeit (<30Jahre) es in südeuropäischen (Spanien, Italien, Griechenland) Ländern teilweise ähnlich streng zuging udn in manchen Gegenden anscheinen immer noch zugeht! Auch dort wurden die Brüder so erzogen, daß sie für Ihre Schwestern verantwortlich sind und manche nahmen das zu genau, wenn die Schwester mit dem falschen ausging. Ich kenne einige Spanierinnen und Italienerinnen, die große Probleme mit ihren Eltern bekamen, weil Sie mit Deutschen ausgingen. Sie hatten aber anscheinend “Glück”, daß sie gemäßigtere Brüder hatten.
Achja: Adana ist zwar im Süden der Türkei, aber schon eher “östlich” und da ist die Türkei eher “Multikulti”, d.h Araber, Kurden, Türken und einige andere Minderheiten leben da zusammen. In dieser Gegend ist die arabische Kultur recht einflußreich.
Die jungen Männer kommen in den klassischen Konflikten – zumindest für meinen Geschmack – in der Rolle “Bruder” eigentlich auch schlecht weg.
Die Rolle des Rächers mit Pistole, den dann eine Haftstrafe erwartet, ist ja auch nicht so attraktiv. Die einfältige Patriachatskritik verkauft die Männerrolle ja gerne als die des Gewinners – bedingt mag das ja auch so sein – lieber Mörder sein als tot – aber vor allem ist man ja ein Werkzeug der Sippe, nicht frei zu tun was man will, sondern von Regeln umhüllt, nur ohne die sichtbaren Symbolisierung durch eine Burka.