Ich war heute auf der IFA 2016
Eigentlich wollte ich über tollen neue Dinge bloggen.
Gab aber keine. Ich könnt’s auch in einem Wort zusammenfassen: Stinklangweilig Und das obwohl sie in der Stadt Werbung plakatiert haben, irgendein Blabla von stündlichen Innovationen. Ich hab keine entdeckt.
Das Ärgernis fand schon morgens statt. Ich merk ja nun inzwischen auch, dass der kaputte Meniskus das nicht mehr so wie früher mitmacht, den ganzen Tag über die Messe zu rasen und wie früher fast die ganze CeBIT zu besichtigen. Also wollte ich es etwas gemächlicher als früher angehen, und mir per von der IFA angepriesener IFA-App einfach einen Plan machen, zu wem ich will, und dann eben nicht mehr vollständig alles abmarschieren.
Aber, ach.
Schon in der Vorbereitung zuhause hakelte die App so komisch und wollte auch die Pläne nicht so richtig dolle anzeigen. Dort ging dann gar nichts mehr. Obwohl die vorher behauptet hatten, die App würde sich vorher alles runterladen und dann offline funktionieren, versuchte das Ding ständig, irgendwas im Netz runterzuladen und beschwerte sich ständig über unzureichendes Netz. Kunststück, auf ner Messe mit tausenden Leuten. Das Ding wollte Werbung, Termine, Aktualisierungen, weiß der Kuckuck was nicht alles nachladen, und das ging eben nicht, und die App blieb ständig hängen, stürzte ab, flog aus den Menüs, unbenutzbar, unbedienbar. Und selbst bei dem einen Mal, in dem sie wirklich einen Hallenplan angezeigt hat, gab es nur die völlig nutzlose Information, dass an Stand 109 mein Favorit Nummer 34 logiere. Da die Standnummern nicht sichtbar waren und die App beim Zoomen wieder abnippelte, eine völlig nutzlose Information.
Stand der Technik in Deutschland. Innovation und Multimedia schreien und an einer profanen App scheitern.
Führte dazu, dass ich mir keine Notizen auf Papier gemacht hatte, aus dem Gedächtnis nicht mehr genau wusste, was ich alles sehen wollte, noch weniger, wo das war, und landete doch wieder bei der herkömmlichen Methode, alles abzulatschen.
Beim Gang in die zweite Halle, es war 10:20, um 10:00 hatte die Messe erst geöffnet, wurde ich von einer der unvermeidlichen Messehostessen angesprochen, die mich mittels Tablet-Computer interviewen wolle, wer, warum, wieso, weshalb, und ob ich wieder würde. Sie wollte wissen, wie mir die Messe gefallen habe. Ich meinte, das wüsste ich doch vorher nicht, das müsste sie mich doch abends fragen, wenn ich die Messe gesehen habe. Geht nicht, meinte sie, abends wären die Leute zu müde, um sie zu befragen, und wollten nach hause. Deshalb fragen sie sie morgens, wie ihnen die Messe gefallen hat. Na, dann.
Und sie wollte wissen, ob ich die IFA-App kennen würde. Ja. Ob ich sie auch benutzt hätte. Ja. Wie ich sie auf einer Skala von 1 bis 6 (1=sehr gut, 6=sehr schlecht) bewerten würde. Da vergebe ich eine 8. Ja, meint sie lakonisch, das sagen alle.
Fernseher.
Größer, breiter, heller, bunter, hochauflösender, teurer. 3D-Fernseher mit 3D-Brillen sieht man nicht mehr, das Thema ist tot. Hat als Hype nicht funktioniert. Gebogene Fernseher, kürzlich noch der letzte Schrei, findet man auch nur noch am Rande. Hat als Hype nicht funktioniert. Also sucht man den nächsten Hype. Hochauflösend, 4K oder mehr. Großer Farbraum, mehr Farben, mehr Pixel, mehr von allem. Mehr von Euro. Eine hübsche Hostess trägt mir das neueste, bunteste, hochauflösendste Modell an. Wieviel es kostet? Offiziell 6000 Euro, aber mit etwas Glück bekäme ich es schon für 4.500 Straßenpreis. Ich erwidere, dass ich bereits einen recht großen FullHD-Fernseher derselben Marke habe, der zwar langweilig sei, aber alles zu meiner derzeitigen Zufriedenheit erledige, und ganze 350 Euro im Sonderangebot gekostet hat. Ich sähe nichts, was den Mehrpreis – noch dazu vorzeitig vor Ablauf der Lebensdauer des alten – rechtfertige. Die Auflösung bringt mir nichts, weil es a) bisher keine 4K-Quellen gibt und ich b) zweitens bei gehörigem Abstand von meinem Sofa aus schon den Unterschied zwischen PAL und FUllHD oft kaum ausmachen kann. Und die Farben: Käme ja nicht von ungefähr, dass sie ihren Ausstellungsstand da komplett in Schwarz gepackt haben, damit die Farben gut rauskämen, zudem die Sättigung auf Extra-Zuckerguß gestellt hätten, mein Wohnzimmer dagegen sei weiß und hell, da bliebe von der Farbenpracht nicht viel übrig. Ich käm auch kaum noch zum Fernsehen. Und für das Geld fahr ich dann persönlich dorthin, wo’s was zu sehen gibt, und guck’s mir direkt an. Mehr Farben, mehr Brillanz, mher Auflösung, mehr 3D und so.
Andere Fernsehhersteller haben auch schöne Ausstellungen. Bei einem tanzen drei große Industrieroboter mit drei Riesenbildschirmen, auf denen was läuft. Hübsch. Aber nichts für mein Wohnzimmer. (Apropos Roboter im Wohnzimmer: eine kleine asiatische Firma mit einem Stand kleiner als mein Badezimmer will mir eine Kreuzung aus Roboter und Beamer andrehen. Wozu das gut sein soll? Das Ding würde mich in meiner eigenen Wohnung verfolgen und immer da, wo ich mich gerade befände, Fernsehen oder Filme irgendwohin beamen. Na, das fehlte mir gerade noch. Ein Fernseher, der mich verfolgt. Wo will das Ding überhaupt hinbeamen? Wände, Decke, was gerade frei wäre. Wäre auch gut für Firmen und Besprechungsräume. Ich muss grinsen. Stellt Euch vor, mitten in die Chef-Besprechung kommt ein Roboter reingefahren und beamt Pornos an die Decke.) Gefallen hat mir eine Wand bei einem anderen Hersteller, wo sie ein Arrangement aus ca. 30 oder 40 Fernsehern verschiedener Größen zwischen groß und riesig unregelmäßig und wild überlappend kugelig übereinandergepappt und damit ein Wahnsinns-Fernsehbild erzeugt. Das hat mir gefallen. Wäre ich Bill Gates, könnte ich mir sowas leisten. Und das Wohnzimmer, wo sowas reinpasst. Aber wozu soll man sich heute einen 4K oder 8K-Fernseher kaufen? Ohne 4K-Videomaterial?
Sie versuchen eben, zu hypen, was zu hypen ist.
Virtual Reality heißt der neue Hype. Jede Menge 3D-Brillen. Jede Menge Probestände. Vier oder fünf Brillen hatte ich heute auf. Nett, aber noch steinzeitlich. Niedrige Auflösung, Taucherbrillenblick, teils so schwer, dass ich das Ding nicht mehr als 5 Minuten tragen will. Vier Papp-Bausätze für 3D-Brillen habe ich abgestraubt, und in keine einzige davon passt mein Handy rein. Immerhin gibt es dafür wenigstens Material, ARD und Arte wollen 3D-Dokus auf ihren Webseiten anbieten.
Ein Hersteller machte da eine Riesen-Show draus. Da konnte man (wenn man lange genug anstehen wollte) auf Pseudofahrrädern, in Pseudo-Kajaks, in Pseudoachterbahnen sitzen, die dazu etwas wackelten, und per 3D-Brille den optischen Eindruck dazu holen. Wobei 3D wohl nicht richtig stimmt, es waren 360°-Videos, aber nicht stereoskopisch. Dafür kann man sich dann echt mal umgucken, auch nach oben und unten. In einem Film hatten sie die Kamera und das Stativ wegretuschiert, man sah nach unten nur Boden (gängige Praxis bei Kugelpanoramen), aber dafür noch den Schatten der Kamera und des Stativs. Auch mit Fallschirmspringern bin ich vom Himmel gesprungen. Um beim Blick von deren Helm (wo eben die Kamera befestigt war) direkt auf deren GoPro-Halterung zu gucken. Ach ja: Auch virtuelle Bungee-Sprünge hatten sie. Man wird am Kran hochgezogen, bekommt ne Brille auf und dann schlagartig 2 Meter fallengelassen.
Ob’s tatsächlich hypet, wird man sehen.
Der nächste Hype sind diese komischen Fahruntersätze, wie aussehen wie Segways für Arme, Brett mit zwei Rädern, in der Mitte mit Drehgelenk. Die, die in den USA, in Australien und Asien so gerne Feuer fangen oder explodieren. Sind hier jetzt schwer im kommen. Hofft man. Gab jede Menge Anbieter.
Und Drohnen. Vond er Größe eines Zwei-Euro-Stückes bis hin zum Monstrum mit über einem Meter Durchmesser. Überall dröhnt’s.
Gefallen hat mir dabei der Ableger, nämlich die Gimbal-Köpfe.
Apropos, das hat mir gefallen: Es gibt einen chinesischen Konkurrenten zur GoPro, der als besser als das Original gilt und deutlich billiger ist, Yi oder so ähnlich heißt die. Die bringen demnächst ein Set aus Kamera, Teleskop-Selfie-Stick und Gimbal heraus. Man kann mit dem Stick ja auch andere Sachen aufnehmen. Den kann man schwenken und heben und drehen und der Kopf hält die Kamera Richtungsstabil. Hab ich ausprobiert, hat mir sehr gefallen. Soll wohl so um die 399,- kosten, man weiß es noch nicht genau. Auch sonst waren unglaublich viele Leute mit Gimbal-Kameras unterwegs.
Fotografie war nicht so das Thema, bei Panasonic hab ich aber etwas rumspielt. Die haben nette Kameras, und wegen Micro Four Thirds ganz kleine, reisetaugliche, bis große Kameras mit dem gleichen Objektivsystem. Feine Sache. Die Spiegellosen trumpfen auf, auch bei den Drohnenherstellern und bei Zeiss wurde vieles mit den Spiegellosen von Sony präsentiert. Digitalkameras mit bewegtem Spiegel sind so out wie Dieselmotoren, wer in sein will präsentiert Elektroautos und spiegellose Kameras. Allerdings wollte der mir dann gleich meine D800 abspenstig machen, digitaler Sucher wäre doch vieeel besser und alles vieeel schneller. Mal abgesehen davon, dass kein digitaler Sucher so schnell ist wie der optische, hatte die Sache einen anderen Schönheitsfehler. Denn zwar zeigte der elektronische Sucher dort sehr gut und schnell angepeilte Gesichter, und die automatische Gesichtserkennung erkennt Gesicht, Lage der Augen, zeichnet die ein und stellt entsprechend scharf. (Wer dann eigentlich der Urheber ist und ob man dann noch Fotograf oder nur noch menschliches Stativ ist, ist eine andere Frage.) Aber nur eben diese Gesichter waren im Sucher gut zu sehen. Der ganze Rest der Messeumgebung flackerte seltsam, pumpte in der Helligkeit und blinkerte sehr unruhig. Anscheinend hat die Hallenbeleuchtung eine Eigenfrequenz, die sich mit der Eigenfrequenz der Kamera biss und zu Interferenzen bzw. Schwebungen führte. War denen selbst noch gar nicht aufgefallen. Hier, guckt mal durch Eure eigene Kamera. Und dann erkennet, dass auch optische Sucher ihre Vorteile haben. Nichtsdestotrotz muss ich zugeben, dass mir die Kameras gut gefallen haben, auch die Leica-Objektive dazu.
An diesem Stand und an allen anderen Ständen auch ist mir aufgefallen, dass da gar nichts gegendert ist und noch die traditionelle Geschlechterverteilung herrscht. Die Männer sind die Kompetenzbolzen und laufen im langweiligen Anzug rum (fast alle inzwischen ohne Krawatte. Anzug ohne Krawatte ist zwar eigentlich stillos, aber was Stil angeht, dennoch das geringere Übel, denn von der Minderheit, die noch Krawatte trägt, ist die deutliche Mehrheit mit dem Binden derselben hoffnungslos überfordert.) Kommt aber nicht so drauf an, sind eh alle hässlich.
Frauen dagegen sind hübsch, es gab da ziemlich viele gutaussehende Messehostessen, wie eh und je, aber fast alle eben mehr oder weniger als Dekoration. Die, die wirklich was zu sagen haben, laufen im Business-Kostüm herum und nicht im bunten Röckchen oder Manga-Dress. Und sind nicht hübsch neben den Produkten drapiert.
An besagtem Fotostand haben sie es auf die Spitze getrieben: Die Männer standen im dunkeln Poloshirt bei den Kameras und haben technisch beraten, in der Mitte saß eine Hübsche als Fototestobjekt auf einer Schaukel und machte nichts anderes, als hübsch auszusehen und eben zu schaukeln. Schaukeln und lächeln. Schaukeln und lächeln. Schaukeln und lächeln.
Ich habe mal einen vom Stand gefragt, wie lange die da schaukeln, bis irreversible Demenz eintritt. Er meinte, das ginge relativ schnell. Aber sie hätten zwei davon, die sich immer kurz vorher abwechselten.
Gibt’s was, was mir uneingeschränkt gefallen hat? Ein Highlight?
Ja.
Eine Art Kunstwerk.
In der Halle eines Hausgeräteherstellers hatten sie einen großes zylindrisches Podest. Durchmesser vielleicht so vier, fünf Meter, vielleicht 40 oder 50 Zentimeter hoch. Schwarz. Steht einfach da und tut sonst gar nichts. Was nicht ganz stimmt. Tatsächlich tat sich doch was, unsichtbar. Innendrin gab’s ein Gebläse, und rund um den Rand herum gab es eine Rille, die Luft nach innen bläst. Das war alles. Das führte dazu, dass es Luftverwirbelungen bis in eine Höhe von vielleicht 6 Metern gab, und sie hatten ein großes, hauchdünnes, halbdurchsichtiges, rotes Tuch von vielleicht vier oder fünf Metern Länge da rumfliegen, was innerhalb dieses Luftstroms chaotisch da rumflog, die seltsamsten wolkenartigen Bewegungen ausführte, mal unten am Podest ankam, dann mal fünf Meter hoch flog, aber nie verloren ging und sich immer auf sehr eindrucksvolle wundersame chaotische wolkige Weise herumbewegte. So ein bisschen wie eine Lava-Lampa, nur in groß, mit Luft und viel schneller.
Völlig undigital.
Völlig nutzlos.
Ganz profan.
Und so schön anzusehen.