„Die Schweigespirale bekommt Risse”
Das ist jetzt neu: Der Typ sei ein „Drecksack”, sagt der erste.
Ich hatte mich ja neulich schon gewundert, warum die Presse monatelang per #Aufschrei auf Rainer Brüderle rumtrampelte, nur weil der einer „Journalistin” (oder einer, die sich dafür hält) ein (wie ich mich neulich überzeugen konnte unberechtigtes und sehr geschmeicheltes oder wohl eher ironisch gemeintes) Kompliment über den Füllstand ihres Dirndls machte, aber neutral und nur ganz kurz über einen berichtete, der seiner Frau einen Strick um den Hals band und sie an der Anhängerkupplung seines Autos durch die Straßen schleifte.
Ich hatte auch von der Journalistenkonferenz des „Netzwerk Recherche” berichtet, dass die da eine regelrechte Beleidigungssession abhielten, in der es 90 Minuten lang nur darum ging, dass sich Quoten-Journalistinnen der intellektuell untersten Kategorie wohlig, wie Schweine in der Schlammpfuhle, darin suhlten, Brüderle als „alten Sack” zu titulieren.
Man kommt zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass Brüderle – so rein pressemäßig gesehen – weitaus besser beraten gewesen wäre, wenn er statt sich über das Dirndl zu äußern gleich sein Abschleppseil geholt und die Frau ein paar Runden durch die Gassen gezogen hätte. Dann nämlich wäre ihm von der Presse nichts passiert und der #Aufschrei wäre ihm völlig erspart geblieben. (Da bekommt „Frauen abschleppen” ne ganz neue, politisch sogar korrekte und von Feministinnen akzeptierte Bedeutung.)
Sogar nachträglich hätte er die Sache noch ins politisch Korrekte retten können, er hätte sich nur auf die Scharia berufen müssen. Er habe halt sagen wollen „Sie können eine Burka auch ausfüllen” und das eben kulturell integriert. Damit hätte ihm eine Parteikarriere in der SPD offen gestanden, bei denen wird man dafür Staatssekretär. Die stehen auf Scharia.
Szenenwechsel.
LKW-Anschlag in Berlin.
Vergleicht mal den Attentäter Anis Amri mit Rainer Brüderle.
[ *denk* … *denk* … *denk* … Hä!? ]
Also jetzt nicht die Personen, sondern den Umgang der Presse mit den beiden.
Über wen hat die Presse böser geschrieben?
Na?
Entsetzt?
Macht es nochmal.
Vergleicht mal die Islamisten mit der FDP.
Also jetzt nicht die Organisationen, sondern den Umgang der Presse mit den beiden.
So rein pressemäßig wäre Brüderle gut beraten gewesen, wenn er mit dem LKW durch besagte Veranstaltung von Netzwerk Recherche gefahren wäre. Dann nämlich hätten sie zumindest mal geschrieben, dass man das nicht auf die FDP verallgemeinern dürfe, die meisten von denen würden hier ja nur friedlich leben wollen.
Und der ganze Feminismus hätte auch geschwiegen. Kein #Aufschrei. Keine Debatte. Im Gegenteil, man hätte jeden als Irgendwas-isten beschimpft, der danach noch die FDP kritisiert hätte. Die hätten nie wieder Wähler gebraucht, weil man für alle Landes- und Bundesparlamente eine FDP-Quote gefordert hätte.
Es ist in der Tat schwierig, etwas von unserer Presse zu finden, worin ernstlich negativ über den Attentäter und sein Umfeld geschrieben wurde. Halt so der übliche Boulevard- und Blaulicht-Scheiß. Trauer, Entsetzen, wie schrecklich. „Jetzt sprechen die Eltern” und so’n Mist. Manchmal eingereit zwischen den Neuigkeiten von Sarah und Pietro und dann meist auch auf dem gleichen Niveau. Mehr als ein „er hat sich radikalisiert” und „er hat ISIS Treue geschworen” kommt da kaum rüber. Dumm, dass er jetzt tot ist, der wäre der höchstdotierte „Star” im RTL Dschungelcamp geworden, und die hätten auch endlich wieder Zuschauer bekommen. Islamist muss Schweinehoden fressen um Sterne zu kriegen. Das liebt das Publikum und die Klickzahlen für die Werbeeinnahmen stimmen.
Aber: So richtig mal irgendwas Negatives, das ist nicht drin. Mancherorts darf man ja nicht mal mehr „Weihnachtsmarkt” sagen oder „Weihnachtsgebäck” anbieten, das könnte ja Jetzt-auch-Bürger grämen. Wie könnte man sich da negativ über Terroranschläge äußern?
Wenn’s die FDP wäre, da könnte man draufhauen. Wie, der Brüderle war in Berlin auf einem Weihnachtsmarkt und hat Frauen von hinten angesprungen um ihnen Komplimente für Dirndl zu machen? Feuer frei, auf allen Rohren. Aber wenn ein Islamist dieselben Frauen plattwalzt – schwierig. Ganz schwierig. Am besten zeigt man nur ein paar Bilder und sagt eigentlich gar nichts dazu.
Wie ich darauf jetzt komme?
Eine Leserin hat mich angeschrieben.
Eine Alt-Feministin. (Ihre Selbstbeschreibung.)
Macht Euch das mal klar: So schlimm steht es um dieses Land, so heruntergekommen ist die Presselandschaft, dass mich schon eine Alt-Feministin anschreibt, um mir zuzustimmen. Mir.
Und auch sie schreibt, dass sie glücklicher war, es ihr wohler ging, als sie mich noch für einen durchgeknallten Spinner hielt. Sie kommt aber als Alt-Feministin auch nicht damit klar, dass man Brüderle für ein loses Mundwerk öffentlich per #Aufschrei hinrichtet, jetzt aber zu allem schweigt.
Der aktuelle Anlass ihres Anschreibens war dieser Artikel des SWR-Hauptstadtkorrespondenten Frank Wahlig. Da ging es nämlich genau um diese „Schweigespirale”, die jetzt „Risse bekäme”.
Er wagt sich vor und macht erste Geh- und Sprechübungen in Meinungsfreiheit.
„Der Typ ist ein Drecksack” sagt er. Schreibt er.
Das üben wir jetzt alle mal gemeinsam (bitte gedanklich auf Loriots Jodelschule einstellen, wir konjugieren Imperfekt 2 nach Anschlag, auch als Prekäritum bezeichnet:)
„Der Typ ist ein Drecksack”
„Der Typ ist ein Drecksack”
„Der Typ ist ein Drecksack”
(Bitte jetzt leichte Lockerungsübungen für Zunge, Stimmbänder und Meinung. Nächste Woche üben wir die Vergangenheitsform posthumperfect „Der Typ war ein Drecksack”.)
Aber weiter im Text:
Nach dem Anschlag von Berlin haben Politiker über die Sicherheit diskutiert und die Bürger aufgerufen, besonnen zu bleiben. Keiner hat Zorn gegen den Täter geäußert. SWR-Redakteur Frank Wahlig hat dafür kein Verständnis.
Was Politiker nicht zu sagen wagen: Der Typ ist ein Drecksack. Nicht nur Täter, sondern Drecksack, mitsamt seiner mörderischen Ideologie. Warum sagt das keiner? Weil Politiker mit anderem beschäftigt sind – mit dem Üblichen. Zum Beispiel, dass die Tat nur den Rechten nutze. Der Bürger sollte auf den Weihnachtsmarkt gehen und die Blockflöte zum Fest hervorholen.
Null Emotion, kein Zorn. Zorn ist aber wichtig – es geht um unsere Lebensweise, um unser Land, um das, was viele Menschen hier geschaffen haben. Die Opfer lagen noch nicht mal in der Leichenhalle, da musste das Sturmgeschütz gegen Rechts, der Vize-SPD-Vorsitzende Ralf Stegner, schon lostwittern. Natürlich gegen das, was er als Rechts begreift. Das sind im Zweifel alle außer ihm selbst. Alles Populisten außer Stegner und die Seinen. […]
Das einzig Gute am Schlechten ist die Debatte, die sich nicht mehr halten lässt. Weder durch Verschweigen, noch durch Grüne und SPD mit Stegner. Die Schweigespirale bekommt Risse. Es wird nicht so bleiben, wie es ist. Die Bürger diskutieren und lassen sich nicht von Politikern zum Glühweintrinken auf Weihnachtmärkte schicken.
Ja.
Bevor Ihr jetzt aber in Euphorie verfallt: Ein anderer Leser hat mir diese Woche auch was zum SWR geschrieben. (Wie sich das manchmal so trifft, jahrelang hört man nichts von denen und dann beides in einer Woche.) Ein Leser hatte sich nämlich mit dem SWR um Fake News gezofft. Und darin schrieb ihm einer vom SWR unter anderem:
„Fake-News” sind Nachrichten, die (mit einem seriösen Anstrich versehen) in der Regel von Laien komplett erfunden werden. Bei dem Fall, den Sie anführen, geht es um ein tatsächlich geführtes Interview und dort auch nicht um grundsätzliche Inhaltsdifferenzen, sondern um die exakte Zitierung.
Ich habe deshalb mal bei denen nachgefragt, ob das Zitat echt ist und wie sie das gemeint haben. Ob „Fake News” nur außerhalb der Redaktionen entstehen könnten. Und bekam nicht nur die Bestätigung, sondern weitere Erläuterungen des Redakteurs, in denen es heißt:
Der Hörer mailte direkt nach einem Hörfunkbeitrag, der in unserem Programm lief, und der sich auf gezielte Falschmeldungen im Netz bezog. Als Beispiel wurde die Fake-News um Frau Künast und ihr angebliches Verständnis für den mutmaßlichen Mörder der Freiburger Studentin genannt. Solche (nennen wir sie “bewussten”) Fake-News werden in der Regel von Nicht-Redakteuren in die Welt gesetzt, und zwar über das Internet. Das heißt selbstverständlich NICHT, dass in irgendeinem Medium nicht auch einmal etwas Falsches stehen oder gesendet werden kann. Ein Zahlendreher oder Ähnliches – wir sind alle nur Menschen und begehen unabsichtlich Fehler. Aber kein seriöses Medium wird eine Geschichte “erfinden”, in der Absicht, Stimmung zu machen (wobei großes Medium auch nicht unbedingt seriöses Medium bedeutet).
Vielleicht hat Ihr Leser Ihnen verschwiegen, dass ich ihm sogar auch das Beispiel einer ganz anders gearteten Falschmeldung, die vor nicht allzu langer Zeit in vielen großen Medien stattfand, genannt habe. Es war die Pistenraupe, die angeblich aus Versehen nach Schleswig-Holstein geliefert wurde. Natürlich kann man auch solch eine Nachricht als “Fake-News” bezeichnen, denn sie ist schlicht und einfach falsch. Aber wir müssen lernen, genau zu unterscheiden und klar zu machen, ist es ein “Versehen”? Ist es ein PR-Gag, auf den Journalisten hereingefallen sind, weil sie nicht ausreichend recherchiert haben? Oder (und das war Thema unseres Beitrags, auf den sich der Hörer bezog) sind es Falschnachrichten, die bewusst erfunden wurden, um eine Stimmung zu erzeugen oder einer bestimmten Person zu schaden?
Um Ihre Frage zu beantworten: Ich sage definitiv NICHT, dass es ausgeschlossen ist, dass Fake-News (wenn man Beispiele wie jenes oben so nennen mag) den Weg in große Medien finden. Ich schließe es für den SWR (aus eigener Erfahrung), für die Öffentlich-Rechtlichen generell und für den Großteil der Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine aber aus, dass dort Redakteure* Geschichten erfinden, um Stimmungen zu erzeugen oder Menschen zu schaden.
Heißt: Lügen tun immer nur die anderen. Journalisten können nicht lügen, sie machen höchstens mal Fehler oder fallen auf Lügen anderer herein. Die blütenweiße Unschuld.
Sie würden niemals Geschichten erfinden, um Stimmungen zu erzeugen oder Menschen zu schaden.
Aber sie machen aus einem Dirndl einen Elefanten, um Stimmungen zu erzeugen und Menschen zu schaden (hier: Brüderle), und anderes lassen sie weg, um Stimmungen und Schaden zu vermeiden.
Wetzt Euch Euren Verstand daran. Bildet Euch eine Meinung. Werdet medienkompetent.