Den Feminismus neu definiert…
Wer schon immer mal wissen wollte, wohin sich Feminismus, Emanzipation, Gleichberechtigung so hinbewegen…
Eine Leserin, die darüber stocksauer ist, hat mich auf das hingewiesen, worin die ZEIT den Fortschritt des Feminismus so sieht:
Michelle Obama hat mit ihrem Stil den Feminismus neu definiert und den amerikanischen Traum weitererzählt. Ihr ist gelungen, woran weiße Frauen bisher gescheitert sind. Von Susanne Mayer […]
Also, welches ist jetzt das Schönste der drei Michelle-Obama-Vogue-Cover? Das Letzte, in dem sich die coolste und taffste First Lady, die Amerika je hatte, in einem bodenlangen weißen Kleid ins Moos schmiegt? Hat jemand: “Vorsicht! Grüne Flecken!” gerufen? Das Erste, Frühjahr 2008, die Obamas sind gerade ins Weiße Haus gezogen, sie liegt da in einem bodenlangen scharlachroten Kleid von Jason Wu? Oder Cover Nummer zwei? Typ: textile Rüstung, geschlitzt vom Hals bis zur schmalen Taille, will sagen: Kriegerin! Die eigentliche Frage ist natürlich, wie es nur sein kann, dass Michelle Obama als Model auftritt, und niemand auf den Gedanken kommt, sie mit einem hübschen Kleiderbügel zu verwechseln, wie es der Herzogin von Cambridge passierte, arme Kate. Michelle Obama ist glamourös wie es nur eine Jackie Kennedy war, aber ohne diesen Anflug von Zartheit oder Schwäche. Sie ist athletisch und 180 Zentimeter hoch, wieso also fühlen sich die Leute von dieser Frau nicht eingeschüchtert? Sie ist brillant und hochpolitisch, aber sie lässt keine, wirklich keine auch nur klitzekleine Möglichkeit aus, von ihren Töchtern zu schwärmen und ihre Mütterlichkeit zu beschwören. […]
Die Vergangenheit wirkt als düsterer Fond in die Gegenwart eines Landes hinein, das zwar einen schwarzen Barack Obama zum Präsidenten wählte, aber doch so rassistisch ist wie eh und je und Schwarze zu Abertausenden in Gefängnissen verschwinden lässt. Das ist der Background, von dem sich Michelle so leuchtend abhebt. Black and beautiful. […]
Mein Lieblingsbild von Michelle Obama ist keines der legendären Vogue-Cover. Aber es ist auch ein Foto aus der Vogue, eines von Annie Leibovitz, das Bild zeigt Michelle Obama, wie sie mit ihrem gloriosen Arsch auf einem Säulenpodest ruht. […]
Und da sitzt sie in diesem hautengen, tief dekolletierten, dunkelgrünen Kleid, und ihr Kopf sieht aus, als habe Barack ihr gerade das Haar verwuschelt, einer der Träger ist schon freudig von der Schulter gerutscht. […]
Das Bild, und das macht seine Stärke aus, sieht in jedem einzelnen Detail exakt nicht so aus, wie das klassische Bild einer schwarzen Frau vor einem säulengeschmückten Prachtbau, an das sich die Öffentlichkeit gewöhnt hat, spätestens, seit in Vom Winde verweht eine Mammy in einer Art Nachthemd ihren Auftritt hat, brabbelnd und jammernd, eine quadratisch formatierte Witwe Bolte in Schwarz und mit lebenslanger Festanstellung als Kindermädchen. […]
Spätestens seit dem ersten großen Auftritt in einem mintgrünen Mantel-Ensemble zu farngrünen Handschuhen eine Ikone stylischer Weiblichkeit. Designer wer? fragten sich Journalisten unter Schock. Isabel Toledo! Aus Kuba? Immigrantin? Reporter verlesen seither stockend wie Schulkinder von Pressekommuniqués des Weißen Hauses die Namen der Couture-Häuser herunter, die Michelle Obama luxuriös umhüllen. Jason Wu. Narciso Rodriguez. Tracy Reese. Tom Ford. Laura Smalls. Diane von Furstenberg. Mimi Plange. Versace, bis hin zu jener goldschimmernden, um ihre straff trainierte Fülle drapierten Sensation, die sie für das letzte große Dinner im Weißen Haus trug. Heute wirkt Michelle Obama als modisches Wunder und zugleich als moralisches Orakel, das der verzweifelnden Welt erklärt, wo es langgeht, modisch und moralisch. “If they go low, we go high!” rief sie in der Schlammschlacht des Trump-Wahlkampfs den Gedemütigten zu. […]
Michelle Obama ist in der Lage, ihr Muttersein auszuspielen, wie es einer weißen Frau nur schwer möglich wäre. Zu vergiftet ist das Terrain, auf dem Generationen von weißen Frauen ihre Chancen auf den Wickelkommoden ihrer Kinder opferten. […]
Nun, viele von Michelle Obamas Kleidern waren dann rot und weiß oder pink und blumig oder, zuletzt, beim nun schon berühmten letzten Staatsdinner, ein orangeschimmerndes Gold. Michelle Obama ist flashy und witzig und sauernst und brillant und ernsthaft und hochpolitisch. Sie kann alles. Eleganz. Würde. Haltung. […]
Dass sie irgendwas intelligentes oder staatstragendes gesagt hätte, steht nicht drin.
Hätte ich mich über Feminismus lustig machen wollen, hätte ich das gleiche geschrieben.
Wenn sie meinen, dass das die „Neudefinition des Feminismus” ist … jo, von mir aus gern …