Gute Zeitungen, schlechte Zeitungen?
(K)Eine gute Frage.
Gibt gerade Leute, die mir auf Twitter was an den Kopf werfen, weil ich wieder mal die falschen Zeitungen zitiert hätte. (Hier zum Thema linke Gewalt an amerikanischen Universiäten.)
Der erste Punkt ist, dass ich ja aber nun schon seit Jahren über linke Gewalt an deutschen und amerikanischen Universitäten schreibe, das also nicht jetzt spontan aus der Luft gegriffen habe, sondern mich auf eine große Breite von Informationen stütze. Das ist ja nicht so eine Schnaps-Meldung, die da jetzt einzeln hochgepoppt ist.
Der zweite Punkt ist, dass ich solche Kritik sowieso nicht ernst nehmen kann, solange mir nur jemand entgegenschleudert „Die darf man nicht zitieren”, ohne auch nur ansatzweise zu sagen, was an dem Artikel oder der Information jetzt eigentlich falsch sein soll. Genauso, wie ich polticial correctness ablehne, lehne ich es auch ab, Presse (oder wen auch immer) so kategorisch und von vornherein in die Zitierbaren und die Unzitierbaren einzustufen. Und heißt es nicht immer, man soll keine Vorurteile haben? Heißt es nicht immer, alle sollten die gleichen Rechte haben und gleichgestellt sein?
Der dritte und wichtigste Punkt ist aber:
Welches seriöse Blatt soll man denn heute noch bedenkenlos zitieren können?
Gerade erst habe ich darüber geschrieben, dass die amerikanische Presse ziemlich geschlossen gegen Trump antreten will, sich also gleich selbst für interessengesteuert und befangen erklärt und aus der Seriosität abmeldet. Die berichten nicht mehr neutral, sondern die sagen ja sogar selbst, dass sie gegen die Regierung schreiben. (So wie sie sonst für die Regierung schreiben.)
Wer ist denn noch so naiv zu glauben, dass das dann seriöser wäre?
Wie sonst könnte man noch eine gewissen Neutralität erreichen können, wenn nicht durch große Breite der Warnehmung und eine gewisse Mittelung?
Man sollte sich klarmachen, dass die Notwendigkeit, heute auch „unseriöse” Medien zu lesen und zu zitieren, dafür steht, dass man den „seriösen” Medien nicht mehr trauen kann.
Ich habe die Story schon so oft im Blog zitiert, daher jetzt zum n+1-ten Male:
Ich war 2002, 2003 und 2004 auf diversen Konferenzen in den USA, meist IETF, und dabei auch irgendwann in San Francisco, ausgerechnet in der Woche, als dort der Krieg gegen Irak losging. In den Fernsehnachrichten kam nur Patriotenscheiße und systematische Desinformation. Sie behaupteten, sie müssten die Golden Gate Bridge großräumig sperren aus Schutz vor Terroranschlägen, und zeigten einen wackeren Soldaten, der eine ur-amerikanische Mutter mit Kindern nicht zur Brücke ließ. Nur: Ich war am nächsten Tag dort, da war gar nichts, alles normal. Am Imbiss an der Brücke hatten sich ein gelangweilter Stadt-Fahrrad-Cop und ein Autobahnbulle zum Mittagessen getroffen, sonst war da nichts mit Polizei oder Bewachung. Dafür hat man der Familien des ersten Toten (LKW-Unfall, keine Feindeinwirkung), die man vor Fernsehkameras gezerrt hatte, mit viel Hurra gratuliert, weil sie die ersten waren, die das „ultimate sacrifice” abgeliefert hatten. Die waren völlig verängstigt, verunsichert, konsterniert, die kleine Schwester heulte und fragte, wer sie denn jetzt zur Schule brächte. So eine gequirlte Scheiße!
Weil damals gerade die Tagesthemen als enorme Neuerung zum Download im Internet bereitstanden, habe ich mir (als damals einzigem Weg, außerhalb der Konferenzen an Internet zu kommen) damals in einem Starbucks den hintersten Tisch (mit Steckdose) genommen, mich mit Essen eingedeckt (eigentlich mehr, damit die mir Strom- und Internet gestatteten) und dann da Tagesthemen geguckt. Auf einmal kamen zwei Streifenpolizisten rein, guckten mich komisch an, als würden sie mir misstrauen und mich kontrollieren wollen, und fragten dann höflich, ob sie sich dazusetzen und mit mir auf dem Notebook Tagesthemen gucken könnten, weil sie der amerikanischen Presse und dem Fernsehen nicht mehr trauen würden. Die konnten zwar kein Deutsch, aber wollten die Bilder sehen und ich habe ihnen das dann so ein bisschen übersetzt.
In der Woche habe ich auch die einzig seriöse Zeitung bekommen (habe ich aufgehoben, habe ich noch irgendwo). Ein ganz billiges, werbefinanziertes Käseblatt, das in der Stadt kostenlos verteilt wurde, weil werbefinanziert (und dementsprechend voller Werbung). Auf der Titelseite (comic-mäßig gezeichnet) nur: Ein auf einem Stuhl gefesselter Journalist, Augen verbunden, dem einer von der Regierung in US-Farben den Brei per Löffel reinschiebt. Unterschrift: „Spoonfeeding the press”. Die haben das Ding genau getroffen.
Und jetzt kommen irgendwelche Nachtwächter und political-correctness-Ritter daher, und werfen mir vor, ich würde die falschen, unseriösen Quellen zitieren?
Nein, ich gehöre nicht zu diesen „Journalisten”, die sich den political-correctness-Brei reinfüttern lassen und das auch noch für gute Berufserfüllung halten.