Es kommt das Zwangs-DNS
Die Kinderpornosperrdebatte nimmt einen gefährlichen Verlauf.
Erst kürzlich hatte die SPD verkündet, daß jeder, der einen eigenen DNS-Server betreibt, der Kinderpornographie Vorschub leistet. Wer seinen eigenen DNS-Resolver benutzt, ist ein Kinderschänder.
In die gleiche Richtung schlägt nun der BKA-Chef Ziercke, indem er sagt, daß das Umgehen des Stopp-Schildes strafbar sei. Was im Prinzip auf ein Verbot eigener DNS-Server hinausläuft, denn wer seinen eigenen DNS-Resolver einsetzt, kann das Stopp-Schild gar nicht beachten, weil er es nicht bemerkt. Die DNS-Sperrmethode wirkt sich auf Internet-Nutzer mit eigenem DNS-Resolver überhaupt nicht aus.
Wenn also jemand – und Methoden gibts ja genug um jemanden ohne seinen Willen und ohne daß er es merkt zu Webzugriffen auf irgendwelche Seiten zu veranlassen – mit eigenem DNS-Resolver an allen Stopp-Schildern vorbei auf Pornoseiten zugreift, dann unterstellt ihm Ziercke automatisch Vorsatz und bewußtes Suchen von Kinderpornographie.
Was das BKA dabei nicht bedenkt:
Der klassische Internet-Nutzer verwendet immer seinen eigenen DNS-Resolver. Das ist eigentlich der Normalzustand. Daß ein Benutzer den DNS-Cache des Providers verwendet, war ursprünglich nur ein kleines freiwilliges Zuckerle, das sich halt durch die starke Ausbreitung des Internet im Klein- und Privatkundenbereich zum Quasi-Standard für Privatanschlüsse gemacht hat. Überall da, wo WAN-Zugänge mit Protokollen wie PPP oder DHCP vergeben werden. Der “normale” Internet-Nutzer hat aber “normalerweise” eine Standleitung und fest zugewiesene IP-Adressen, und damit auch kein Protokoll zum Aufbau einer Sitzung mit Zuweisung dynamischer IP-Adressen und DNS-Server. Nur wissen das die wenigsten, weil “Internet-Wissen” und Expertentum sich heute schon darin erschöpfen, zuhause einen normalen Heim-Internet-Anschluß zu haben. Die sehen ihre Fritzbox und glauben, daß das immer so geht.
Dabei ist das Mißverständnis nicht neu. Schon in der Frühphase der Kinderpornosperraktion äußerte das BKA den Wunsch, daß die Provider ihnen doch einen ungefilterten DNS-Zugang zur Verfügung stellen sollten, damit das BKA selbst noch auf die Kinderpornoseiten zur Kontrolle draufkommt. Meinen damaligen Hinweis, daß ein Internet-Nutzer in der Größe des BKA – und noch dazu in der Rolle des BKA – bei einer ordentlichen Installation seinen eigenen DNS-Resolver betreiben müßte, und das vermutlich auch tut und sie es nur selbst nicht wissen, hat man nicht gerade mit Begeistung und Verständnis aufgenommen. Wie generell das Verständnis für die Funktionsweise des DNS auf Seiten derer, die die Sperre propagieren, nicht gut ist.
Die Entwicklung in die Richtung, daß ein selbständiger Internet-Nutzer gleich straferschwerend als vorsätzlicher Sperr-Umgeher angesehen wird, halte ich für sehr bedenklich und gefährlich. Wer sich nicht freiwillig den fragwürdigen Moralvorstellungen unserer Politiker unterordnet, wird von vornherein als Vorsatztäter und Kinderschänder eingestuft. Auch eine Art, eine Zensurinfrastruktur zu etablieren.
Ich will es mal zurückhaltend und neutral formulieren: Meine Moralvorstellungen weichen von denen unserer Politiker an sehr vielen Stellen erheblich ab.