Neo-Mythologie durch Neo-Animismen?
Mir geht gerade eine Frage durch den Kopf. Sind Informatiker die Magier und Zauberer der Neuzeit?
Zu meinem Artikel über Feminismus als Symptom psychischer Störungen gab es etwas Feedback, das mich veranlasst hat, noch etwas über die Sache nachzudenken. Dabei ging mir ein Gedanke durch den Kopf.
Nämlich die Frage, warum gerade diese Feminismus-, Genderismus-, SJW-Klientel gleichzeitig auf der einen Seite technophob und technologisch unbegabt ist, auf der anderen Seite aber hochgradig technikaffin, was die Nutzung von Social Media angeht. Einerseits schimpfen sie auf alles Männergemachte, andererseits kommen sie ohne den social-media-Schnickschnack nicht aus. Einerseits verstehen sie es technisch nicht, andererseits ist es für sie von höchster Wichtigkeit, sich als „Internet-Expertinnen“ auszugeben.
Da leuchtete mir in einer der Hirnwindungen eine Assoziation auf. Aus dem Lateinunterricht. Tempelpriesterinnen. Vestalinnen. Antike Mythologie. Den Gottheiten zu huldigen. Auch nicht grundsätzlich anders als die Rituale von Inkas und Azteken.
Ein zentraler Dreh- und Angelpunkt war damals, dass man viele Gottheiten hatte und vieles oder alles, was man an Gegenständen, Pflanzen, Tieren sah, in Verbindung mit Gottheiten brachte und in deren Zuständigkeiten einordnete. Allem kam ein belebter, beseelter Kontext zu. Andere Religionen gingen noch weiter und sahen in allem, jedem Baum etwa, selbst ein beseeltes Wesen, ob gut oder böse. Alles wird in einen irgendwie magisch-absichtsverfolgenden Kontext gestellt.
Der Fachbegriff dafür ist Animismus. Den hatte ich schon im Blog, nämlich zu der Betrachtung, wenn man toten Algorithmen böse Absichten zuordnet, als würden einen die Algorithmen verfolgen wollen, und damit eine Art Nachfolger der Atomkraft schafft. Algorithmen sind heute für viele so etwas wie die Marken des Bösen, so das, was im Mittelalter der Aberglaube war, schwarze Katze von links, zerbrochener Spiegel und sowas. All die Unglücks- und Teufelszeichen.
Der Gedanke, dass Feminismus eine Neuauflage all dessen ist, ist nicht neu, man bezeichnet das ja auch gerne als „Männerexorzismus“, und wie die sich aufführen hat schon große Ähnlichkeit mit der heiligen Inquisition und dem Versuch, in allem, wie etwa Werbung, Teufelswerk zu sehen, das verbrannt werden muss. Früher hieß es Ketzerei, heute heißt es Sexismus, ist aber das gleiche. Den Scheiterhaufen haben sie auch noch, wenngleich heute doch eher im übertragenen, gesellschaftlichen Sinne, aber mit derselben psychischen Wirkung. Wer gegen die Kirche aufbegehrt, wird verbrannt. Und wenn man mal auf feministische Veranstaltungen geht, naja, sagen wir es positiv: Die müssen sich gar nicht mehr verkleiden, um zu Fasching als Hexen zu gehen. Das Benehmen stimmt jedenfalls überein. (Der Unterschied ist: Die Hexen des Mittelalters wussten wirklich was.)
Wie kommt es zu diesem Wiederaufleben antik-mittelalterlich-mythologischen Denkens?
Mir geht gerade die Frage durch den Kopf, ob daran nicht die Informatiker schuld sind.
Kann das vielleicht sein, dass wir all die mythischen beseelten Dinge, die sich die Menschheit in den letzten 10.000 Jahren nur einbildete, gerade gebaut haben?
Als ich Kind war, war mein Spielzeug „tot“. Es war nicht schlecht, aber alles Spielen musste ich selbst übernehmen, das Zeug hat nicht von selbst gespielt. Klar, ich hatte auch elektrisch betriebenes Zeug, Eisenbahn, Rennbahn, Kran, Fischertechnik, und sogar ne Dampfmaschine. Aber das waren alles Sachen, die man trotzdem steuern musste. Ohne direkten Steuerungseingriff haben die nichts gemacht.
Heute hat alles ein Eigenleben, alles bimmelt und dudelt und macht von selbst. Inzwischen liefert Amazon den elektronischen Hausbutler, bei dem die Leute sich hinterher sogar bedanken, die Autos fahren demnächst von selbst, und jedes Gadget ist irgendwie belebt. Nicht immer elektronisch, aber Social Media sind ja auch ein Weg, das kleine elektronische Ding als belebt wahrzunehmen, obwohl es das nicht ist.
Könnte es am Ende sein, dass wir mit all dem elektronischen Schnickschnack und Gebimsel so eine moderne Analogie einer mythisch-beseelten Umwelt erschaffen und damit im Gehirn der Leute etwas gereizt oder ausgelöst haben? Dass die jetzt wieder in solche Umweltreligionen verfallen, sich mythisch verhalten und sich als Tempelpriesterinnen des Gottes des Internets aufspielen?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das irgendwo gelesen habe, und wenn ja, wo, aber irgendwie klebt mir im Hirn noch der Gedankengang fest, dass diese mythische Denken, dieser Animismus, quasi eine Fehlfunktion des Gehirns ist, das dieses Verhalten erst evolutionär entwickelt hat und dann nicht schnell genug an den gesellschaftlichen Fortschritt angepasst hat.
Ursprünglich, mit einem primitiveren, dem Tier näheren Gehirn war es vermutlich sinnvoll, hinter allem und jedem gute und vor allem böse Absichten sehen zu wollen, weil etwa eine Bewegung im Gras bedeuten könnte, dass da der Säbelzahntiger lauert und uns fressen will. Immer mal in die Situation eines niedriger entwickelten Gehirnes zurückversetzen, das unter Zeitdruck und in Fluchtnot überlegen muss, ob das gefährlich ist, und nicht so komplex denkt, dass da der Tiger lauern und das Gras bewegt haben könnte, sondern einfach „böses Gras, will mich fressen, weg hier“ denkt.
Ich war ja neulich in Südafrika in verschiedenen Safari-Parks (es heißt dort game drive und nicht Safari, führt jetzt aber hier zu weit), und da erzählte mir der Park Ranger etwas erstaunliches. In diesem Park nämlich fliegen sie auch mit zwei Hubschraubern Patrouille, und ich hatte gefragt, wie die Tiere mit dem Hubschrauber so umgehen, ob die sich daran gewöhnen. Und er sagte, das sei bei manchen ein großes Problem. Früher hätten eigentlich alle Tiere die Hubschrauber als harmlos angesehen, sich schnell an deren Lärm gewöhnt. Dann hatten sie aber ein paar Umwilderungen, bei denen sie aus gut be- oder sogar überfüllten Nationalparks Tiere in andere umgesiedelt haben, wo sie zu wenig. Also haben sie verschiedene Tiere, ich weiß nicht mehr, irgendwelche Vierbeiner eben, vom Heli aus mit Narkosegewehren betäubt, in ein Netz am Hubschrauber gepackt, und weggeflogen, um sie woanders wieder abzusetzen. Für die Tiere, die sie rumgeflogen haben, war das kein Problem, die waren betäubt. Woran sie aber nicht gedacht hatten war, wie die Tiere das auffassen, die nicht gefangen werden, aber dabei zusehen. Sie hätten danach sehr deutlich gemerkt, was diese Tiere „gedacht“ hätten. Nämlich Ogottogott, was für ein schreckliches Raubtier! Wenn der Löwe kommt, ist einer von uns weg. Wenn das fliegende Monster kommt, ist gleich die Hälfte von uns weg. Frisst uns mit einem Haps und trägt uns weg. Und daraus hat sich tierische Folklore gebildet, selbst solche haben Angst vor dem Heli, die bei den Fängen nicht dabei waren und das nur von anderen übernommen haben können. Und seither sehen manche Tiere im Hubschrauber ein schreckliches Raubtier, vor dem sie fliehen müssen, und deshalb müssen sie jetzt viel vorsichtiger und höher fliegen, damit die Tiere keine Panik bekommen. Seit sie das verstanden haben, fangen sie Tiere anders.
Wenn man versteht, wie Tiere Gefahren lernen und Fluchtverhalten aufbauen, drängt es sich geradezu auf, dass wir da noch archaische Hirnfunktionen haben, die auf einfache Weise rechtzeitiges Fliehen ermöglichen sollen, indem sie Dingen, Oberflächlichkeiten Absichten zuordnen und auf primitive Weise in Gut und Böse einteilen. Gar nicht erst fragen, warum sich das Gras bewegt, es herauszufinden könnte ja tödlich sein, sondern nichts wie weg hier. Dummheit, die Leben rettet, weil Flucht wichtiger als Denken ist.
Es spricht manches dafür, dass die frühen Naturreligionen genau daraus entstanden sind, oder besser gesagt, das sind, was entsteht, wenn man diesen archaischen Mechanismus mit neuem Großhirn vermischt. Einteilung in gut und böse, letztlich auf Überlegen ausgelegt, allem und jedem Absichten zuordnen, die man bewertet.
Könnte es vielleicht sein, dass wir durch die aktuelle technische Revolution, die bislang toten Dingen ein „Leben“ einhaucht und ihnen gute und böse Absichten und Aktionsmöglichkeiten verleiht, solche Urmechanismen im Hirn reaktiviert haben und die sich jetzt eben als die Priesterinnen der Gottheiten der Kommunikation und des Internet aufspielen wollen?
Dass all diese Ängste, von denen die neuen Bekloppten getrieben werden, von elterlicher Fehlerziehung zwar aktiviert und überdreht werden, der Grundmechanismus, nämlich Angst, aber ja ursprünglich nichts anderes als ein – teils lernfähiges – Gefahrenvermeidungsprogramm ist. Und dass die Leute durch die Fehlerzerziehung einerseits, das moderne Bombardement von mythisch beseelten Dingen (wie Fernsehern und Handys, die einen ja inzwischen regelrecht dauerhaft verfolgen) andererseits so von diesem keiner-beschützt-mich-alle-bedrohen-mich überwältigt sind, dass die diese „safe spaces“ brauchen, damit das Dauerfeuer auch mal etwas Ruhe gibt?
Wäre es – diagnostisch oder therapeutisch – sinnvoll, die Leute mal für längere Zeit in eine Umgebung zu stecken, in der alles wirklich tot ist, also kein Handy, kein Fernseher, nur Bücher und Zeitung und sowas?