Ende einer Technologiewelle
Nach ungefähr 15 Jahren scheint eine ganzer Technologiebereich gerade aus der Mode zu kommen und vor dem Ende des Einsatzes in großer Breite zu stehen.
Digitalkameras.
Glaubt man so gar nicht, aber es ist tatsächlich so. Firmen wie Nikon, Canon, Sony, Panasonic sind gerade ganz schön am Rudern und Paddeln, um ihre Geschäftsbereiche gesundzuschrumpfen, auszumisten, zu kürzen, zu reduzieren, und teils auch Verkäufe ins Auge zu fassen.
Wie ich des Früheren schon niederschrieb: Sie haben aus der Handy-Pleite nichts gelernt und wiederholen die Fehler von Nokia im großen Maßstab.
Jahrelang haben sie uns mit immer neuen Schnick-Schnack-Kameras und ständig neuen Modellen überhäuft, für jedes Feature musste man einen neue Kamera kaufen. Das hat für gewisse Zeit funktioniert, weil
- Noch nicht alle genügend viele Digitalkameras hatten,
- die technische Entwicklung noch andauerte (die ersten Digitalkameras hatten noch ein viertel oder halbes Megapixel und eine Dynamik wie eine Scheibe Brot
- noch neue Features punkten konnten.
Jetzt ist das aber durch. Kameras sind ausgereift und profitauglich, sie sind längst am physikalischen Limit. Und selbst, wenn sie das nicht wären, sind sie an einer physikalischen Grenze angekommen, an der nicht mehr der Sensor die (alleinige) Schwachstelle ist, sondern es verdammt teuer wird, die Optiken noch qualitativ mitzuziehen. Wer heute mal alte Analogfotos von vor 30 Jahren anschaut, wird sich wundern, mit welch schlechter Qualität man damals zufrieden war. Heute muss das alles Pixel-Scharf sein, und dazu muss man auch das Glas verbessern, und das kostet eben.
Dummerweise aber ist der Bereich der Optiken, die ordentliche, für zeitgemäße bezahlbare Kameras Qualität von allgemein akzeptierter Güte liefern, auch kein Hexenwerk mehr, weil es inzwischen genug Software und Fertiger gibt, die auch für kleines Geld Objektive mit „Sweet Spot“ hinkriegen. Zwischen billigen guten und sehr teuren sehr guten Objektiven ist da jetzt nicht mehr so viel, was den Markt zu den billigen drückt.
Der Markt ist ausgereizt, eine Kamera mit 16 oder 20 Megapixel bekommt man heute günstig. Da passiert auch in der Fortentwicklung nicht mehr so viel.
Das führt dazu, dass günstige Kameras locker mal 3 bis 5 Jahre halten, und weil schon jeder eine hat, der Umsatz natürlich sinkt, bei gleichzeitigem Verdrängungs- und damit Preiswettbewerb.
Das nächste Problem ist, dass viele Leute eine normale Digitalkamera gar nicht mehr (rumschleppen) wollen, weil inzwischen die Handy-Kameras zwar nicht richtig gut, aber zumindest so gut sind, dass sie den meisten Leuten reichen und den Vorteil haben, dass man sie dabei hat.
Dann haben sich die Kamera-Hersteller nie so richtig Gedanken über Handling gemacht, man muss immer noch Akkus, Ladegerät usw. mitschleppen, für jede Kamera ein anderes. Das ist nicht mehr zeitgemäß, das macht keiner mehr. Die Leute wollen kompakte Geräte, die man am USB lädt und fertig. Kurios. Erst hat jeder darüber gelacht, dass irgendwer (war das nicht die EU?) ein standardisiertes Lade-Gerät durchsetzen will, und heute ist das als Standard marktbestimmend. Wer keinen USB-Ladeanschluss anbietet, macht sich unbeliebt.
Und auch ein wichtiger Punkt: Mit Kameras kann man nicht allzu viel mehr machen als eben fotografieren. Bisschen Nachfilterung und so sehen die zwar vor, aber ist nicht so der Brüller. Und nicht erweiterbar. Man hat es lange versucht, Pseudo-Schnickschnack als Neuerungen draufzupacken, irgendwelche Sonderfunktionien, die man nicht wirklich braucht, aber es zeigte sich, dass man sie nicht wirklich braucht.
Mit Handys kann man sich beliebige Apps reinziehen, die alles mögliche mit Bildern und Videos anstellen, und die dann auch gleich weiterverarbeiten, Sharen, Twittern, Facebooken, Youtuben, Mailen, Drucken, weiß der Kuckuck was nicht alles. Das haben die echt verschlafen.
Naja, nicht ganz, ich habe eine neuere Digiknipse, die per NFC und Pseudo-WLAN ihre Produkte auf das Handy überleiern kann, damit die von da weiterverarbeitet werden.
Aber letztlich sieht man auch hier wieder den iPhone-über-Nokia-Sieg: Die unüberschaubare Vielzahl von Geräten mit festen Eigenschaften, die ständig wechseln und die man ständig neu kaufen soll, verliert gegen das einheitliche Gerät, das keinen eng definierten Zweck hat, sondern einfach mit ordentlicher, starker Hardware ausgestattet ist und den Rest über erweiterbare Software macht.
Der Bereich der einfachen Kameras wird nicht ganz verschwinden, aber doch radikal ausgedünnt werden, ein Schrumpfen der Modellvielfalt. Es wird sich auf ein paar Standardmodelle und ansonsten den gehobenen bis professionellen Bereich zurückziehen.
Man merkt das beispielsweise auch daran, wie die Elektronikmärkte ihre Läden umbauen. Früher war der Fotobereich gut einsehbar und Kundenmagnet. Wie beispielsweise im MediaMarkt am Berliner Alexa ganz vorne im Erdgeschoss. Jetzt ist er zwar größer und schöner, musste aber ins 2. OG weichen und stattdessen Handys und Lautsprechern Platz machen. Saturn ähnlich: Handys sind gleich vorne, Kameras weit hinten.
Man bietet es zwar noch an, aber nicht mehr für die Laufkundschaft, sondern packt es da hin, wo die hingehen, die gezielt danach suchen.
Das Segment der Digitalkameras wird in nächster Zeit sehr deutlich schrumpfen. Steigende Preise haben sie schon. Anbieter werden verschwinden.
Wir haben den Aufstieg einer Technologie erlebt, deren Boom und deren Trivialisierung, weil sie technologisch ausgereizt ware, keinen Fortschritt mehr brachte und durch die Billig-Anbieter und die Handy-Hersteller auf eine pragmatische, qualitativ ausreichende Variante heruntergestutzt wurde.
Mal sehen, ob es bei Stand der Technik bleibt oder ob ihnen nicht doch noch irgendetwas dazu einfällt.