Ansichten eines Informatikers

Zweifel an der Demokratie

Hadmut
1.9.2009 9:36

Es ist Wahlkampfzeit.

Doch erstaunlicherweise merkt man nichts davon. Würde hier irgendeine Partei sagen, was sie in den nächsten 4 Jahren vorhat? Kein Wort. Steuern wollen sie senken. Das war’s. In allen Medien hört man, daß die CDU einen „Personenwahlkampf“ macht und sich darauf beschränkt, Merkel zu zeigen. Man wählt das Gesicht.

Die SPD beschränkt sich darauf, sich über die Wahlverluste der CDU zu freuen. Und bringt auch nur Gesichter.

Wahlplakate sich magenkrampfauslösend nichtssagend, beliebig und austauschbar. Für Deutschland, mit uns in eine bessere Zukunft, weil es wieder aufwärts gehen muß, Bild von Politiker mit Kind, Frau, Schwarzem oder sonstwas lächelnd. Aussagewert gleich Null. Bestenfalls mal so eine saudämliche „nur mit uns“-Aussage. Demokratie gibt es nur mit uns.

Welchen Zweck erfüllt eine solche Wahl eigentlich? Wer ankreuzt ist der Dumme, weil er sich hinterher sagen lassen muß, Du hast uns doch gewählt, also beschwer Dich nicht? Kein Wunder also, daß die Wahlbeteiligung so niedrig wird, daß vermutlich zum ersten Mal die Parteien alle zusammen nicht mehr auf 100% kommen. Da ja jetzt schon die einen sagen, daß das Volk schwarz-gelb nicht will und die anderen behaupten, daß rot-rot-grün nicht mehrheitsfähig sei, ist wohl davon auszugehen, daß weder das eine noch das andere Lager an die 50% rankommt und deshalb die Summe der Stimmen unter 95% bleibt. Zwar mathematisch nicht möglich, aber wenn man sich anschaut, wie die regieren, glaubt man es glatt.

Worin besteht der Sinn einer Wahl, wenn man da nur Gesichter wählt?

Ist da nicht beispielsweise Zensursula vorangeprescht und hat gesagt, sie will jetzt das Internet sperren, weil es ihr politischer Wille sei? Welcher Wähler hätte das vorher absehen können? Wodurch war das demokratisch legitimiert?

Gut, jetzt wissen wir’s. Das ist einer der wenigen Punkte, bei denen man nach der nächsten Wahl nicht behaupten könnte, man hätte das vorher nicht gewußt. Ob aber irgendwer bei der CDU die Frage stellt, ob die erheblichen Stimmverluste von über 10% bei den Wahlen am Sonntag irgendwas mit Zensursula zu tun haben könnten?

3 Kommentare (RSS-Feed)

Usul
1.9.2009 10:00
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Der letzte Satz in Form einer Frage legt mit einem Beispiel den Finger in die Wunde: Man hat bei unserer Form der Demokratie irgendwie nicht mehr das Gefühl, man könnte da irgend etwas beeinflussen oder gar steuern, einfach weil die Konsequenzen von etwas, und sei es eine Wahlentscheidung, so völlig unvorhersehbar ist. Selbst wenn man sich die Frage mit Zensursula stellen würde, wie oder wer wöllte sie beantworten? Umfragen? Das ich nicht lache …

Gerade bei Wahlen habe ich manchmal den Eindruck, dass bei gewissen Wahlausgängen sich Koalitionen bilden, die der Wähler gerade nicht im Sinn hatte. Auch kann ich mich z. B. nicht entsinnen, dass mal bei einer anstehenden Koalitionsentscheidung mal auf einem Parteitag oder dergleichen abgestimmt wurde, welche Koalition denn die Basis will. Oder war das z. B. bei den Grünen in Hamburg so, als Schwarz-Grün beschlossen wurde?

Wie auch immer, manchmal wünscht man sich so eine Art Bedingungswahlrecht: Ich wähle Partei A, aber nur, wenn sie nicht mit Partei B koaliert, dann würde ich lieber B wählen. Wie wir alle wissen, sind Koalitionsansagen vor der Wahl recht sinnlos bzw. sogar kontraproduktiv, weil man ggf. hinterher als Lügner dasteht.


Mephane
1.9.2009 10:22
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“Ob aber irgendwer bei der CDU die Frage stellt, ob die erheblichen Stimmverluste von über 10% bei den Wahlen am Sonntag irgendwas mit Zensursula zu tun haben könnten?”

Nein, das wird wie immer als “Vermittlungsproblem” weggeredet. Anders gesagt, der Wähler sei nur zu blöd, zu kapieren, dass das alles gut und richtig und absolut notwendig sei…


Stefan
2.9.2009 3:22
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Zumindest früher hat es bei den Grünen ewige Diskussionen auf Parteitagen gegeben, ob man eine Regierungskoalition bilden will, und ich denke das praktizieren sie auch heute noch.

Früher war der Gedanke der Basisdemokratie aber stärker ausgeprägt, es gab den Beschluß nach 2 Jahren zu rotieren, über den sich die Medien kaputtgelacht haben: Wie kann man bekannte Gesichter, die die Leute wählen würden, durch weniger bekannte ersetzen?

Inzwischen hat der Pragmatismus auch dort die Oberhand gewonnen – Gesichter hatten sie auf Plakaten lange Zeit nicht, und wollten vieles besser machen.

CDU-Gesichter fallen mir aber kaum auf – nur das quasireligiöse “Wir sind die Kraft” – “Wir sind das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Amen”.Oder “Sicher leben”. Ich lebe nicht mehr, ich wohne schon!

Aber für wen werden die Plakate geklebt? In erster Linie doch für den Kreisvoritzenden K, der abends rumfährt, um zu sehen, ob man mehr Plakate seiner Partei sieht als von der anderen, und ob sie besser hängen, an besseren Orten und schön gerade und sauber.

Wer eine Tageszeitung liest, oder sich politisch informiert, der läßt sich ja durch so Plakate nicht beeinflussen. Das kann doch nur für den außerintellektuellen Bodensatz gedacht sein, so Leute, die Frau Merkel vom Stern- oder Spiegelcover kennen, wenn sie am Kiosk sich ein Sixpack kaufen, oder die Pferdefreizeit. Und im Wahlkampf dann “Ach, das Gesicht kenn ich, die ist sympathisch!”.

Traten in Sa, Thü und SL eigentlich die Piraten an? Solange die nicht 10% Zulauf hatten sind die 10% Weglauf der CDU nicht darauf zurückzuführen, daß Frau v..d. Leyen auf Ablehnung stößt. Ich schätze die Zensursula-Debatte haben vielleicht 0,1% der Wahlberechtigten verfolgt – mehr nicht. Irgendwie am Rande mitbekommen sicherlich mehr, aber jetzt 3 Argumente jeder Seite aufzählen, das kann doch nur eine kl. Minderheit, die der CDU auch kaum weglaufen kann, weil sie vorher schon weg waren – bei der Vorratsdatenspeicherung schon.