Ansichten eines Informatikers

Journalistische Halbwertszeit

Hadmut
7.9.2017 9:43

Ach, es ist schrecklich. Man sollte eigentlich gar keine Presseerzeugnisse mehr lesen.

Ich hatte doch gerade einen Artikel über Atombömbchen geschrieben, in dem ich damit hadere, was eigentlich schlimmer ist, eine Atom-/Wasserstoffbombe (nach der Explosion, also nur bezüglich der radioaktiven Verschmutzung) oder ein explodiertes Kernkraftwerk. Die Leser hatten mir diverse Meinungen zu unterschiedlichen Mengen, Gefährlichkeiten und Halbwertszeiten geschickt, wonach eine Atombombe (also nur die Hinterlassenschaft nach der Explosion betrachtet, es ging um den Einsturz der Kammern, die durch unterirdische Tests entstehen) im Vergleich zu einem Kernkraftwerk ziemlich harmlos sei.

Ich hatte dazu eine Quelle gesucht, in der die Halbwertszeiten des „Fallouts“ bzw. der Hinterlassenschaften von Tschernobyl angegeben sind und war per Google auf einen Artikel des Bayernkurier gestoßen und hatte den verlinkt, aber nicht ganz gelesen.

Ein anderer Leser schrieb mir nun, dass ich den Artikel besser ganz gelesen hätte, bevor ich ihn verlinke.

Der Autor Andreas von Delhaes-Guenther schreibt in diesem Absatz:

Die Halbwertszeit ist die Zeitspanne, in der die Menge und damit auch die Radioaktivität eines Radionuklids durch den natürlichen Zerfall auf die Hälfte gesunken ist. Nach dem Ablauf der jeweiligen doppelten Halbwertszeit ist also jeder radioaktive Stoff vollständig zerfallen. Die meisten radioaktiven Elemente aus Tschernobyl waren kurzlebig und zerfielen innerhalb weniger Stunden oder Tage. So sind die von Tschernobyl ausgehenden Stoffe Cäsium 134 (Halbwertszeit 2 Jahre), Cäsium 136 (13 Tage), Tellur 133 (6,5 Tage), Antimon 125 (2,8 Jahre), Cer 144 (284 Tage), Barium 140 (12,7 Tage), Ruthenium 103 (39 Tage), Ruthenium 106 (1 Jahr), Strontium 89 (50 Tage) sowie die Edelgase Krypton 85 (10,8 Jahre) und Xenon 133 (5,25 Tage) längst abgebaut.

Er hat es nicht verstanden. Er meint, wenn nach der Zeit x die Hälfte weg ist, dann ist nach 2x dann auch die anderen Hälfte weg, geht also von linearem Zerfall aus. (Linearer Zerfall wäre aber ohne zentrale Organisation, Einwirkung oder eine Art Uhr m. E. auch nicht möglich, denn irgendwoher müsste dann ja die Lebenszeitbegrenzung kommen.)

Das heißt zwar nicht, dass die angegebenen Zahlen falsch sind. Es heißt auch nicht, dass die Aussage insgesamt falsch ist, denn „abgebaut“ erfordert ja nicht, dass nichts mehr übrig ist, sondern dass das Zeug in seinen natürlichen Anteilen angekommen ist. Wobei da tatsächlich nicht mehr viel übrig sein kann, wenn die Halbwertszeit 39 Tage beträgt, weil das nach 30 Jahren 280 Halbwertszeiten beträgt und damit die 0.5280 -fache Menge (ungefähr 0.184) übrig ist, die ganze Erde aber angeblich (ich hab’s jetzt nicht nachgerechnet) 6·1049 Atome enthält.

Er hat seine Angaben zwar selbst nicht verstanden, aber damit sind sie noch nicht falsch.

Aber Zitieren ist schwer geworden.

*Seufz*