Der zentrale Presseirrtum
Warum Journalisten die Lage völlig verkennen.
Ich war irgendwie, ich glaube durch Leser-Hinweis, auf diesen Tweet aufmerksam geworden:
Ich habe @Birgit_Kelle zu #metoo interviewt. Anders gesagt: Ich habe ihr so gut es ging widersprochen. https://t.co/1IgWPS5l8L
— Jonas Schaible (@beimwort) 25. Oktober 2017
Ich hatte mir aber das Interview gar nicht erst angesehen (und weiß auch nicht, ob ich das noch tue oder will), dem Schreiberling aber spontan geantwortet:
Entweder interviewen oder widersprechen. Beides zusammen geht nicht in einer Person. Und das soll @nannenschule sein?
— Hadmut Danisch (@Hadmut) 26. Oktober 2017
Denn das ist der Grund, warum ich es gegen Geld nicht kaufen würde, und eigentlich auch nicht mal die Zeit aufwenden würde, es kostenlos zu lesen. Man kann jemanden interviewen. Und man kann jemandem in einem Interview auch mal sachlich widersprechen. Wenn aber einer da „widerspricht so gut es geht”, dann nimmt er eine Streitposition ein und begeht zudem den Fehler, dass er sich eigentlich selbst interviewt und seine eigene Meinung herausstellt und nicht die des Befragten.
Wieder das übliche Problem, dass Journalisten von heute den Unterschied zwischen Berichterstattung und eigener Meinung nicht mehr kapieren, auch nicht, wenn sie in der Nannen-Schule gelernt haben. (Seit ich mich auf Journalistenkonferenzen herumtreibe, wundere ich mich immer mehr, was man da überhaupt lernt.)
Da ging so ein bisschen das Ping-Pong hin und her (könnt Ihr Euch selbst auf Twitter angucken und zusammenpopeln) und er meinte, ich solle ihm doch mal ein „gelungenes Interview” zeigen, wenn ich eines zur Hand hätte. Zur Hand hatte ich keines, und Zeit zu suchen auch gerade nicht. Ich solle ihm doch zeigen, was an seinem Interview so wäre, dass Birgit Kelle ihre Meinung nicht habe rüberbringen können (vielleicht schon die Fragen?).
Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass ein Journalist sich eine Sache nicht zueigen machen solle, ein anderer Leser warf dazu noch
— Christian Zell (@ChristianZell) 29. Oktober 2017
ein.
Er kam dann mit so einem sehr unangenehmen Tonfall an, er versuche doch nur, mich zu verstehen und so, so der typische Tonfall, den Journalisten neuerdings so trainieren und favorisieren um mit „Rechten” umzugehen. Im Tonfall so dämlich wie wohl seine Interviewtechnik. So tun, als hört man zu, dabei nur selbst reden und die Inhalte vorgeben wollen.
Das ist aber alles nicht der Punkt.
Vergesst mal das Interview und dessen Fehler und das mit dem zueigen machen, und geht mal eine Meta-Ebene höher.
Der Mann will von mir, dass ich rechtfertige und erkläre, warum mir sein Interview nicht gefällt, und ich es dazu natürlich erst mal lesen müsste, und ihm dann noch Vergleichsinterviews liefere, um zu belegen, was ich auszusetzen haben.
Der hat überhaupt nicht verstanden, dass nicht ich ihm irgendwas erklären muss oder mich rechtfertigen müsste, warum mir sein Stil nicht gefällt, sondern dass er als Journalist (oder einer, der sich dafür hält) Hersteller eines Produktes ist, das sich nun wirklich immer schlechter verkauft und dessen Produzenten inzwischen Hungers leiden.
Es wäre doch – wie bei jedem anderen Hersteller eines Produktes – seine ureigenste Aufgabe, die Qualität herauszustellen und zu erklären, warum man es kaufen/lesen/unter Werbeeinwirkung konsumieren solle.
Die haben überhaupt noch nicht kapiert, dass sie Hersteller eines Produktes sind, das sie verkaufen müssen, um davon zu leben. Die glauben immer noch, sie sind eine Art Institution mit Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeitrag, bei dem man schon einen guten Grund liefern müsse, um sich abmelden zu müssen. Und dass man sich dafür rechtfertigen und erklären müsse, ihnen nicht zu folgen.
Wann gehen da endlich mal ein paar pleite?