Falschbeschuldigung als politisches Mittel
Auch Presseleute stecken drin.
Über Jakob Augstein habe ich ja auch schon ab und zu geschrieben. Der kommt gerade mal wieder feministisch um die Ecke und subsumiert Falschbeschuldigung unter Rache:
Es geht um einen Pressestreit. Zuerst hatte eine Carolin Würfel in der ZEIT über den Sexismus der Berliner Kulturszene geschimpft. Was an sich schon dumm ist, denn in Sex und Drogen erschöpft sich die Berliner Kulturszene. Nehmt denen den Sex und es bleibt fast nichts mehr übrig. Wer Sex nicht will, sollte die Berliner Kultur meiden. Oder umgekehrt: Wer in Berlin in die Kultur will, der weiß, worauf er sich eingelassen hat. Und sie droht da unverholen:
Ich kann Euch nur sagen: Die Täter gibt es auch hier. Wir haben Namen. Nicht nur ich habe sie endlich aufgeschrieben, auch die anderen Frauen. Wir stehen in regem Kontakt. Die Liste ist lang. Ihr seid der Gastronom, der Kokain gegen Oralverkehr tauscht. Ihr seid der Verleger, der kein Nein versteht und Frauen ungefragt zur Begrüßung in den Schritt greift. Der Anzeigenverkäufer, der uns an den Hintern grabscht. Der Künstler, der Frauen zum Sex zwingt. Der Galerist, der seine Hände nicht bei sich lassen kann. Der Schriftsteller, der öffentlich slut shaming betreiben darf. Der Kurator, der seine anzüglichen Bemerkungen nicht stecken lässt. Ihr seid der Journalist, der seine Lippen ungefragt auf Frauenmünder presst. Der Herausgeber, der Mitarbeiterinnen schikaniert, weil sie nicht mit ihm schlafen wollen. Die Architekten, die Frauen mit Alkohol und Drogen abfüllen, um sie dann, wenn sie schon fast bewusstlos sind, gemeinsam durchzuvögeln. […]
Wenn wir uns das nächste Mal auf einer Veranstaltung sehen (und das werden wir ganz sicher), dann werde ich Euch, diesen zehn Männer auf meinem Post-it, nicht rechts und links die Wange küssen. Stattdessen werde ich Euch beim Namen nennen, von diesem offenen Brief erzählen und zu Euch sagen: Der Gastronom, Künstler, Architekt, Verleger, Herausgeber, Anzeigenverkäufer, Journalist, Schriftsteller oder Galerist bist Du. Vielleicht habt ihr Euch bis dahin überlegt, wie es weitergehen soll. Ihr wisst ja, wer Ihr seid.
Man könnte es auch Erpressung nennen. Und es wirft die Frage auf, ob Anne Will mit ihrer in Berlin produzierten Trash-Sendung nicht Teil dieser kulturorientierten Aktion ist und ganz bewusst Angst erzeugen will, indem sie da Fernsehtribunale als Erpressungsverstärker abhält.
Es wirft außerdem die Frage auf, was eigentlich das Selbstverständnis der ZEIT ist. Manchmal überlege ich, ob die sich deshalb noch auf echtes Papier drucken, weil Klopapier digital nun mal nicht funktioniert.
Mit dem Gedanken scheine ich nicht völlig allein zu stehen, denn
kurz drauf fragte – ebenfalls in der ZEIT – eine Sabine Rückert, ob das Journalismus sein solle:
Der Text von Carolin Würfel vom vergangenen Donnerstag auf ZEIT ONLINE hat für erheblichen Ärger gesorgt. Viele Kolleginnen und Kollegen waren empört über den “denunziatorischen Sound” des Artikels “Wir wissen es”. Und als ich das Stück selber las, verstand ich den Unmut. Der Text liest sich wie ein Aufruf, gewisse Männer des Berliner Kulturbetriebs, die sich Frauen gegenüber angeblich respektlos oder sogar verbrecherisch aufführen, im Auge zu behalten und auf eine schwarze Liste zu setzen. Allerdings nennt die Autorin weder Ross noch Reiter. Dafür stellt sie eine Drohung in den Raum: “Ihr wisst ja, wer Ihr seid”, heißt es da unverhohlen an die Adresse der Gemeinten. Und ihr Postulat: “Ich will, dass Ihr wisst, dass Ihr Euch ändern müsst.” Sonst – was, Kollegin Würfel? Sonst machen Sie irgendwelche Namen öffentlich? Mit welchem Recht? Und wo? In der ZEIT?
“Ich will, dass Ihr Euch ändert!” Ein großes Wort. Klingt nach Tugendtribunal. Und welche Beweise legen Sie vor? Gelesen habe ich keinen einzigen! Ihre Quellen seien “Geschichten, die sich Frauen flüsternd untereinander weitergeben, aber nie laut aussprechen”, schreiben Sie. Ist Erpressung und Rufmord jetzt eine neue Art des Journalismus?
Trash eben. Der übelste Klatsch. Wird im Kreis herumerzählt und jedesmal 20% draufgeschlagen. Mich schüttelt’s ja, wenn ich in den Gender Studies nie irgendetwas Nachprüfbares, aber solche Hexenkunstformulierungen wie „Wir wissen um …” gebraucht werden, die Einbildung zur Realität erhoben wird. Leute hinhängen, weil irgendwo irgendwelche Scheißhausgerüchte die Runde machen. Journalismus heute.
Haben wir Journalisten uns unter dem Vorwurf der “Lügenpresse” nicht vorgenommen, transparent zu berichten? Und aufzuklären und eben nicht an der allgegenwärtigen Verschwörungskultur teilzunehmen?
Nach Erscheinen des Textes erreichten mich durch Berliner Kollegen Namen von Herren, die – vielleicht, vielleicht auch nicht – gemeint sein könnten. Offenbar hat die Anklägerin nicht bedacht, dass jetzt auch Unbescholtene in üblen Geruch kommen könnten, bloß, weil sie Gastwirte sind oder Galeristen. Dass das Rätselraten jetzt losgeht, liegt auf der Hand. Ist das in Ordnung, andere dem üblen Verdacht auszusetzen, selbst aber im Warmen, Trockenen zu bleiben? Ist das der Mut, den eine Autorin heute aufbringen muss?
Hat sie es nicht bedacht? Oder ist es genau so gewollt? Dass über jeden übelste Gerüchte herumgehen, die er selbst nie erfährt und gegen die er sich nie wehren kann, bis irgendwann alle überzeugt sind, dass es die Wahrheit sei?
Das alte Prinzip FUD, Fear, Uncertainty, Doubt? (Und dann haben die noch die Frechheit andere „Populisten” zu nennen…)
Und dann kommt Jakob Augstein um die Ecke und schreibt
Aber Würfels Text war auch nicht normal. Er war ein Ruf zu den Waffen. Denn wir brauchen in der Tat eine Revolution. Eine neue sexuelle Revolution. Wie jede Revolution wird auch diese hier nicht ohne Opfer abgehen. Das ist eine Feststellung, keine Rechtfertigung.
Es wird Männer treffen, die das nicht verdient haben. Wir kennen solche Fälle. Der Lehrer Horst Arnold, der von einer Kollegin zu Unrecht beschuldigt worden war. Der Mann verbrachte fünf Jahre im Gefängnis.
Erst nach seiner Entlassung wurde er rehabilitiert. Aber er starb bald danach an Herzversagen. Oder der Meteorologe Jörg Kachelmann, der nach einer erfundenen Beschuldigung mehr als 130 Tage in Untersuchungshaft saß und danach jahrelang um Entschädigung prozessierte und um die Wiederherstellung seiner Ehre.
Aber in der neuen Geschlechterdebatte geht es darum, die Gewichte der Macht zu verschieben – und das geht nicht ohne Gewalt ab. Wer verfügt über die Möglichkeit, den anderen jederzeit und ohne nennenswertes eigenes Risiko zu gefährden oder zu erniedrigen? Bisher waren das immer die Männer. Die Frau, die sich wehrt, wird da zur Schreckensvision.
Das permanente Risiko körperlicher oder seelischer Übergriffe
Nun hört man schon die Männer – und manche Frauen – murren, dann dürfe bald also auch in Deutschland kein Mann mehr allein mit einer Frau im Fahrstuhl fahren. Aber das klagt sich leicht, wenn man dabei übergeht, dass das Risiko einer solchen Fahrt bislang vor allem bei der Frau lag.
Wer um den unbeschwerten Umgang der Geschlechter trauert, sollte bedenken, dass aus weiblicher Sicht damit nichts anderes gemeint war als die dauernde Gegenwart der Gefahr – das permanente Risiko körperlicher oder seelischer Übergriffe.
Es ist schon so: wenn die Frauen ihre Furcht verlieren sollen, müssen die Männer diese Furcht erst selbst kennenlernen.
Er nimmt also ebenfalls, so wie in Amerika die Autorin Emily Lindin, von der ich gestern geschrieben hatte, nicht nur ganz bewusst in Kauf, dass Männer zu Unrecht beschuldigt werden, er will es sogar. Juristisch gesehen nicht mehr nur bedingter Vorsatz, sondern Vorsatz.
Er schreibt, man wolle die Gewichte der Macht verschieben, das ginge nicht ohne Gewalt ab, und das sei eben die Methode, mit der man Gewalt anwenden wolle. Es kommt nicht mehr darauf an, ob ein Mann tatsächlich etwas getan hat, Männer sind schuld qua Geschlecht, weil sie über die Möglichkeit verfügen, zu gefährden und zu erniedrigen. Das allein reicht ihm als Grund. Männer kann man beschuldigen allein deshalb, weil sie Männer sind. Und der wirft anderen Sexismus vor.
Das Risiko einer Fahrstuhlfahrt soll bisher vor allem bei der Frau gelegen haben? Mir ist kein Fall bekannt, indem eine Frau in einem Fahrstuhl belästigt worden wäre. Es gibt aber eine Menge Leute in der Open-Source-Szene, die nicht mehr ohne Zeugen Fahrstuhl fahren können, weil sie in ständiger Gefahr sind, falsch beschuldigt und festgenommen zu werden, um sie zu erledigen.
Sein politisches Ziel ist, dass Männer „Furcht kennenlernen”, allein deshalb, weil sie Männer sind. Nicht weil sie etwas getan hätten, sondern einfach, weil sie Männer sind. Und dazu wird bewusst das Mittel der Falschbeschuldigung und des Streuens von Gerüchten eingesetzt. Und dass das so synchron und inhaltsgleich in den USA und in Deutschland publiziert wird, zeigt sehr deutlich, dass es sich um eine konzertierte Aktion handelt. Das ist ganz bewusst so gewollt. Und in diesem Licht muss man auch ARD und ZDF sehen.
„Lügenpresse” ist damit noch weit untertrieben und unvertretbar verharmlost. Man müsste sie „Verleumdungs- und Erpressungspresse” nennen. Oder kurz „Erpresse”.
Wer kauft diesen Müll eigentlich noch? Wer finanziert solche Leute?
Wer glaubt diesen Leuten noch irgendetwas?