Ansichten eines Informatikers

Der CCC mit nordkoreanischen Alüren

Hadmut
28.12.2017 22:41

Presseheucheln und Pressefreiheit.

Im heute journal kam gerade ein Bericht vom 34C3, der Jahreskonferenz (Congress…) des Chaos Computer Clubs.

Und man berichtet, dass das Fernsehteam dort nicht eine Sekunde unbeaufsichtigt geblieben wäre. Sie wurden auf Schritt und Tritt begleitet, um zu kontrollieren, was die aufnahmen. Wie in Nordkorea. Weil der CCC (Einspieler Frank Rieger) darauf achte, dass niemand ungefragt gefilmt werde. Weil wir doch alle überwacht und automatisiert bewertet werde.

Schön.

Gut.

Aber nicht besser als es schlecht ist.

Ich habe das ja schon ein paarmal beschrieben, dass ich in Berlin und im Ausland (und auch anderen Fotografen ist es schon passiert) attackiert wurde, weil ich irgendein Straßenbild gemacht habe und irgendwer winzig im Hintergrund war. Es kommt mittlerweile in Mode, Fotografen zu attackieren oder wenigstens zu drangsalieren.

Mal abgesehen davon, dass es eine Überbewertung des Rechtes am eigenen Bild gegenüber dem Recht des anderen, ein Bild zu machen, ist, denn im Ergebnis kann man dann gar nicht mehr öffentlich fotografieren, weil immer irgendwo irgendwer im Bild steht, der nicht will, ist es auch eine Verletzung der Pressefreiheit und fake news, denn es wird auf diese Weise ein anderes Bild erzwungen, als es der Wahrheit entspricht. Ein Foto oder ein Videobericht von einer solchen Veranstaltung, auf der nur noch die drauf sind, die damit einverstanden sind, ist nicht mehr wahrheitsgemäß.

Im Prinzip nimmt sich der CCC damit heraus, in die Medienberichterstattung über die Veranstaltung einzugreifen.

Würde das jemand anderes machen, gar Trump oder die AfD, würde man die sofort an die Wand tackern und einen bösen Vortrag über sie halten.

Und Claus Kleber kriecht ihnen dafür metertief in den Arsch, weil es doch glücklicherweise noch ein paar Leute gäbe, die die Übersicht behielten. Die Nachrichtenleute, die sich sonst immer über Beschränkungen der Pressefreiheit beschweren. Würde sich Erdogan sowas leisten wie der CCC, wäre der Aufschrei groß und man würde die Freilassung von Deniz Yücel wieder mal fordern.

Das ausgerechnet „Hackern” sowas passiert: Mit der Sichtweise kann man jeden Bildbericht verhindern, indem man nur genug Leute aufstellt, die sagen „Ich will nicht”. Hieß es nicht mal, Presse sei für Demokratie wichtig? Das hängt halt immer davon ab, ob man damit Claus Kleber gerade in den Kram passt.

Und wie sagt man so schön? Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung:

§ 22 UrhG Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. […]

§ 23 UrhG:

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
[…]
1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
[…]

(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.

Also gibt es Recht am eigenen Bild keine Grundlage, jemanden am Aufnehmen zu hindern, sondern nur am Veröffentlichen. (Ausnahme: Privat- und Intimbereich, etwa unter der Dusche oder in der Wohnung, siehe Strafrecht). Beispielsweise können Journalisten Aufnahmen auch nur zum Beweis, als Gedächtnisstütze oder aus Sorgfaltsgründen machen.

Dann sind solche Veranstaltungen gleich dreifach davon ausgenommen. Erstens sind solche Großveranstaltungen ein Vorgang der Zeitgeschichte, wenn auch nur nachrangig, sonst würde man ja nicht breit darüber berichten. Zweitens sind Leute im Hintergrund in der Regel nur Beiwerk der Örtlichkeit. Und drittens ist es eine Versammlung.

Und dann findet das ganze in Leipzig statt, also gilt sächsisches Presserecht. Da steht jetzt zwar nicht drin, dass auch ein Teilnahmeanspruch an privatrechtlichen Veranstaltungen besteht. Der aber steht in § 6 VersG (Versammlungsgesetz):

(2) Pressevertreter können nicht ausgeschlossen werden; sie haben sich dem Leiter der Versammlung gegenüber durch ihren Presseausweis ordnungsgemäß auszuweisen.

Das heißt, dass der CCC und seine Teilnehmer – sofern sie nicht ein geschütztes Interesse darlegen – nicht nur keine rechtliche Handhabe hatte, Fernsehteams vom Filmen abzuhalten, sondern damit auch gegen das Versammlungsgesetz verstoßen haben, denn ein Verbot der pressemäßig Tätigkeit ohne Rechtsgrundlage ist ein Ausschluss.

Faktisch kann man darin eine Verletzung der Pressefreiheit sehen.

Und Claus Kleber jubelt.

Wieder mal zweierlei Maßstab, wieder mal double standards.

Man sollte sie daran erinnern, wenn sie sich wieder mal über Trump oder Erdogan oder die AfD beklagen.