Ansichten eines Informatikers

Ein Professor erklärt das Siechtum der SPD

Hadmut
10.1.2018 23:36

Oh. Der Tagesspiegel kann doch, falls die mal wollen.

Der Mainzer Professor für Neueste Geschichte Andreas Rödder erklärt das Siechtum der SPD.

Diagnose: Postmodernismus

Therapie: keine, geht Richtung Sterbehospiz

Sagen wir’s mal so: Im Rahmen seiner Möglichkeiten als Geistes- und Kulturwissenschaftler macht er das ziemlich gut. Aber nur in diesem Rahmen. Fehler und Ideologiegläubigkeit unterlaufen ihm auch.

Herr Professor Rödder, Sigmar Gabriel hat kürzlich geklagt, die SPD verliere so viele Wähler, weil sie zu sehr auf postmoderne Themen setze. Ist die Postmoderne ein politisches Phänomen?

Definitiv. Entstanden ist die Postmoderne in universitären Seminaren in Paris und im kalifornischen Berkeley in den 80er Jahren. Was auf den akademischen Höhenkämmen debattiert wurde, sickerte dann in die Breite westlicher Gesellschaften durch.

Er beschreibt dann recht anschaulich – ist ja sein Beruf – was es mit dieser Postmoderne so auf sich hat:

Was ist die Hauptthese der Postmoderne?

Die hat der französische Philosoph Jean-François Lyotard formuliert: Die „große Erzählung“, so sagte er, habe ihre Überzeugungskraft und ihre Verbindlichkeit verloren. Gemeint sind die großen Ordnungsentwürfe der klassischen Moderne seit dem 19. Jahrhundert, nämlich das Fortschrittsdenken der Aufklärung oder Hegels Vorstellung, dass die Weltgeschichte auf ein bestimmtes Ziel zulaufe. Gemeint sind ebenso die Geschlechterordnung der bürgerlichen Moderne mit der Rollenaufteilung zwischen Mann und Frau oder die Vorstellung der Nationen als natürlicher Institutionen. Es betrifft die Geschichte, es betrifft die Vorstellung vom Westen. Die Postmoderne hat große und wirkungsmächtige Denkgebäude erschüttert.

Der Punkt ist eben: Außer geistigem Vandalismus und Kaputtmachen haben sie nichts zu bieten.

Postmoderne ist im Geistigen, was es im Physischen ist, wenn die Leute hier Autos anzünden, Bushaltestellen kaputtschlagen, auf die Straße koten. Es ist alles kaputt, alles widerlich, aber leisten können sie nichts.

Was die Postmoderne bewirkt hat, nannte der Historiker Zygmunt Bauman einmal die „Zerschlagung der Gewissheit“. Nun stellt sich aber die Frage: Was gilt, wenn das Alte nicht mehr gilt?

Was ist, wenn alles kaputt ist? Wenn Fahrkartenautomaten, Telefone, einfach alles kaputt und verdreckt ist? Was kommt dann?

In den 80er Jahren haben viele die Auflösung der Gewissheit als Befreiung empfunden. Lyotard stellte die These auf, die Postmoderne habe nicht nur die Ganzheit zugunsten von Pluralisierung überwunden, sondern auch die Sehnsucht nach Ganzheit überwunden. Das war sein entscheidender Irrtum.

Ja, den alten Spruch kenne ich noch: Macht kaputt, was Euch kaputt macht. Von Aufbau war nie die Rede. Nur vom kaputtmachen.

Und daran ist auch die SPD erkrankt:

Gabriel argumentiert, viele Menschen würden das Versprechen der Vielfalt nicht als Bereicherung empfinden. Sie hätten den Eindruck, ihre eigenen Bedürfnisse würden durch die Aufmerksamkeit der Politik für die neuen Themen missachtet. Ist das so?

Es gibt ein schlagendes Beispiel für die Richtigkeit dieser These – nämlich die Flüchtlingskrise und die Willkommenskultur nach dem Herbst 2015 in Deutschland. In der öffentlichen Debatte dominierte die Kultur des Regenbogens, der ungesteuerte Zuzug wurde als moralisch unabweisbar und gesellschaftlich bereichernd gefeiert. Gleichzeitig gaben die Wortführer dieser Kultur einen engen Rahmen des Sagbaren vor: Wer sich – egal mit welcher Begründung – gegenüber einem ungeregelten Zuzug skeptisch zeigte, wurde schnell als Fremdenfeind ausgegrenzt. Das hatte Züge einer repressiven Toleranz. In der Breite der Gesellschaft stieß die Willkommenskultur dagegen keineswegs auf ungeteilte Zustimmung.

Richtig, aber nicht vollständig erkannt. Die zentrale Rolle als Propagandainstrument spielte dabei die Presse. Genauso wie beim Schulzhype und in vielen anderen Fällen stellt die Presse die Meinung völlig anders dar, als sie tatsächlich ist.

Denn Menschen, denen man bestimmte Denk- oder Sprachweisen vorgeben will, fordern ihre Freiheit oft umso vehementer ein.

Oh ja, das ist richtig.

Grundsätzlich hat die Postmoderne völlig Recht: Die Nation ist genau so wenig eine naturgegebene Kategorie wie die bürgerliche Geschlechterordnung des 19. oder 20. Jahrhunderts. Beides sind kulturelle Konstrukte, beides sind auch Ordnungen von Macht. Jetzt aber kommt mein Einwand. Die Postmoderne sagt, dass alle Ordnungen diskursiv erzeugte Machtkonstrukte sind. Wenn das so ist, dann geht es auch bei den Forderungen nach Anti-Diskriminierung, Diversität und Gleichstellung um Macht.

Und jetzt ist der Professor hart an die Grenze seiner intellektuellen Reichweite als Geisteswissenschaftler gestoßen.

Natürlich sind Nationen naturgeben.

Einmal durch Biologie und Evolution: Ich habe schon so oft über den Tribalismus, den Herdentrieb geschrieben. Natürlich werden diese Grenzen der Herde durch moderne Kommunikationsmittel oder einheitliche Sprache (Luther-Deutsch, Englisch in den USA usw.) deutlich größer, aber sie existieren weiterhin. Der Mensch ist biologisch ein Herdentier.

Der zweite Grund dürfte ein mathematisch-spieltheoretischer sein. Denn wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Erfolg setzt Kooperation und Regeln voraus. Man muss sich zusammentun und gegen Angreifer wehren, und man muss sich Regeln geben. Nun gibt es gegenläufige Effekte. Steigt die Größe, nimmt zwar einerseits die vereinte Stärke und der Kooperationsgewinn zu, andererseits nimmt die Regierbarkeit und Einigungsfähigkeit ab, und das System wird angreifbarer, weil es Feinde nach innen nimmt. Irgendwo dazwischen liegt ein Maximum, eine optimale Größe.

Nationen sind eben nicht willkürlich.

Wo begegnet Ihnen Macht in der Gender-Debatte?

Denken Sie an die geschlechtergerechte Schreibweise mit großem Binnen-I für ProfessorInnen und ManagerInnen. Haben Sie jemals die geschlechtergerechte Schreibweise für MörderInnen und MenschenhändlerInnen gelesen?

Das Thema hatten wir hier auch schon oft.

Sind Verbrecher männlich, heißt es, dass muss so sein, Frauen machen sowas nicht.

Sind Vorstände männlich, heißt es, Frauen würden unterdrückt, man muss sie fördern und reinquoten. Frauen sind so gut, so rein, solche Engel.

Über die Gender-Studies sind neue diskursive Ordnungen von aggressiver Männlichkeit und guter Weiblichkeit aufgekommen. Zugleich ist eine neue Hierarchie von ausgleichsbedürftigen Benachteiligungen entstanden. Der ehemalige Telekom-Vorstand Thomas Sattelberger, seinerzeit selbst ein Förderer von Gender Mainstreaming, hat es so formuliert: An der Spitze stehen Frauen, am Ende stehen Behinderte.

Ich drücke es gerne ähnlich aus: Überall geistige Rollstuhlrampen für Frauen.

Ich bin ein postmoderner Konservativer. Das heißt, ich sehe keine naturgegebene Ordnung und bin auch skeptisch gegenüber der Rede von den “ewigen Werten”.

Was soll man sagen. Er ist halt doch nur Geisteswissenschaftler. Von Biologie und Mathmematik und Optimierung und Empirie noch nie etwas gehört.

Manchmal frage ich mich, wie diese Leute sich die Welt in der Zeit vor Entstehung des Menschen vorstellen. Oder wie sie glauben, dass Leute zum Mond und Sonden zum Mars fliegen können, und dort eine Physik vorhersagbar funktioniert, obwohl doch noch gar keiner da war und sie hindiskursen konnte. Alles so doof.

Es wäre aber ein böser Irrtum, wenn man deshalb zu dem Schluss käme, dass gar nichts mehr gilt. Die Nachgeschichte der Postmoderne hat ja gerade gezeigt, dass es Sehnsucht nach Sinn gibt. Welcher Sinn sich durchsetzt, das muss gut begründet und in einer demokratischen Öffentlichkeit ausgehandelt werden. Das gilt auch für die großen politischen Ideen: Was Sozialdemokratie, was Christdemokratie, was Liberalismus oder auch was grünes Denken im 21. Jahrhundert eigentlich heißt, muss neu begründet werden. Gabriel hat völlig richtig erkannt, dass davon das Überleben aller politischen Parteien abhängt. Es gibt in der Geschichte viele Beispiele dafür, dass eine Partei schneller verschwindet, als die Zeitgenossen sich das vorstellen können.

Immer das zentrale Problem: Sie randalieren und machen kaputt, aber können keinen Ersatz liefern.

Dazu kommt, dass die SPD alle mit Hirn in die Flucht geschlagen und sich mit Idiotinnen angereichert hat. Die sind nicht in der Lage, da noch was zu liefern.

Die SPD ist ein Entsorgungsfall.

Bleibt zu hoffen, dass alle diese Poststrukturalisten und Postmodernisten – Politiker, Journalisten, SPD – möglichst schnell pleite gehen.