Fotographieren lernen im Kunstunterricht?
Noch ein Tritt gegen den Schulunterricht.
Meine Erinnerungen an die Schulzeit sind zwiespältig. Zwar hatte ich (jedenfalls bis zur zehnten) eine richtig tolle Schulklasse und jede Menge Spaß.
Was mir aber so richtig auf den Zeiger gegangen ist, waren einige Fächer, in denen der Unterricht – und vor allem die Themen – so unglaublich schlecht und demotivierend waren. Fächer, die mir eigentlich Spaß gemacht hätten und später auch viel Spaß gemacht haben, waren eine reine Katastrophe. Geographie finde ich richtig spannend, aber der Schulunterricht was extrem öde, langweilig und dumm. Dumpfes Auswendiglernen von irgendwelchen Zahlen, Bodenschatzverteilungen, Textabsätzen die ich beruflich oder auf Reisen nie wieder brauchen konnte. Dabei kann das soviel Spaß machen.
Ähnlich mit Sport. Immer dasselbe. Fußball, Leichtathletik, Turnen. Nur zwischendrin mal ein halbes Jahr Schwimmen. Da hab ich gehört, daß es an manchen Schulen tolle Sachen gibt, wie Judo, Skifahren, Cheerleading, Skaten, Fechten und solche Sachen. Es geht also, wenn man will. Meine Lehrer wollten nicht.
Deutsch und Englisch waren auch Fächer, die mich eigentlich sehr interessieren und mir Spaß machen, die aber auch von unerträglichem, nutzlosem, demotivierend-dummem (und meist falschem) Lehrstoff ertränkt wurden. Ich sage nur: Textinterpretationen. Dreimal während meiner Schullaufbahn hatten wir Gelegenheit, Buchautoren zu treffen oder zu befragen, und die sind alle im Dreieck gesprungen als sie hörten, was wir da reinzuinterpretieren hatten. Nur dummes Zeug.
Noch so ein Krampf-Fach war Kunst. Ein gelangweilter Kunst-Lehrer sitzt vorne, läßt uns pinseln ohne zu lehren, liest die Zeitung und vergibt hinterher schlechte Noten. Nur Zeugs, was mir nicht liegt. Wasserfarben. Dann Wasserfarben. Und Wasserfarben. So mit dem schrecklichen Pelikan-Wasserfarbenkasten. Zur Abwechslung mal Aquarelle – mit Wasserfarben. Dann vielleicht mal eine Collage aus irgendwelchen Zeitschriftenseiten. Schrecklich. Ich erinnere mich nur an zwei positive Ausnahmen, Töpfern und aus Paperstreifen Türme bauen. In der Summe hat mir der jahrelange Kunstunterricht nichts, wirklich gar nichts gebracht – außer einer Aversion gegen Wasserfarben. Nie wieder konnte ich irgendetwas davon verwenden. Sinnbild der nutzlosen Zeit- und Resourcen-Vergeudung sind für mich der Wasserfarbenkasten und der DIN-A3-Zeichenblock mit 10 Blättern, den man mitzubringen hatte. Wer hätte jemals nach seiner Schulzeit noch was mit Wasserfarbenkasten und Schulzeichenblock gemacht? Ich kenne einige Leute, die wirklich malen. Aber die haben das nicht in der Schule gelernt.
Ich denke oft, daß man eigentlich im Kunstunterricht heute auch sowas wie Webdesign ober überhaupt Design lernen müßte. Welche Farben passen zusammen. Wie stelle ich eine Farbpalette zusammen? Was sollte man über Proportionen, goldener Schnitt usw. wissen? Wie wählt man Schriften aus? Das sind zwar eigentlich alles Sachen, die mit dem Internet zusammenhängen, die es aber damals zu meiner Zeit überhaupt nicht gab. Zwar kann man das auch unabhängig von Internet etwa für Buchdesign verwenden, aber auf sowas ist damals keiner gekommen. Schaut man sich heute Bücher aus den Siebziger Jahren an, dann wirkt das aus heutiger Sicht meist amateurhaft-billig. Insofern kann man meinen Lehrern von damals daraus eher keinen Vorwurf machen, das hatte man damals einfach nicht drauf. Heute würde ich sowas aber auf jeden Fall erwarten. Ich weiß zwar, daß Webseiten bauen heute in mancher Oberstufe drankommt, aber in Informatik. In Kunst würde ich sowas heute auf jeden Fall verlangen.
Aber kürzlich ging mir noch was durch den Kopf, was man eigentlich auch in den Siebziger Jahren schon hätte machen können und sollen: Fotographie.
Grundlegende Themen der Fotographie sind damals wie heute gleich und unverändert. Belichtung, Lichtmessung, Blende, Brennweite, Belichtungszeit, und ihre Bildwirkungen sind thematisch gleich geblieben. Gut, ich habe das schon als Kind alles mitbekommen, weil mein Vater Kameras gesammelt hat, und da bekommt man das zwangsläufig mit. Aber das wäre doch mal ein Riesen-Thema für den Kunstunterricht gewesen, ordentlich fotographieren zu lernen. Viel wichtiger als Pinseln. Und übrigens eine gute Grundlage für Malerei, nämlich Bildaufbau usw.
Man hätte ohne weiteres dazu Unterricht geben können und einen Klassensatz Kameras anschaffen. Und mal zwei oder drei Diafilme durchzuziehen und zu entwickeln wäre auch nicht teurer gewesen als der sonstige Quatsch mit Klebstoff, Farben, Pinseln und was wir da sonst alles mitbringen sollten. Im damals hochmodernen Schulgebäude hätte es phantastische Möglichkeiten gegeben, tolle Aufnahmen zu machen. Oder die Schüler sich gegenseitig. Wir hatten ein paar verdammt gut aussehende Mädels und auch einige sportliche Jungs, die auch was hergemacht hätten. Oder den Lehrer.
Das hätte wirklich was gebracht und Wissen vermittelt, das man im Leben auch gebrauchen kann. Nichts, Fehlanzeige. Weil die Lehrpläne von irgendwelchen Sesselfurzern in den Ministerien gemacht wurden. Fotos kamen bei uns nur in Form des Lehrerverzeichnisses vor (wie Passbilder) und der alljährlichen unvermeidlichen stinklangweiligen Klassenfotos, wo alle brav, gerade und in drei Reihen dastanden. Jedes Bild sieht gleich aus. Keine Möglichkeit für die Schulklasse, sich mal selbst zu charakterisieren.
Wieviele Schüler sind heute in einer Schulklasse oder einem Oberstufenkurs? Immer noch so um die 30?
Ab und zu werden die Basis-Kameras von Canon oder Nikon mit zwei Objektiven von ca. 28-200 für 400 bis 450 Euro angeboten. Die sind von der Qualität nicht so der Brüller, aber allemal ordentlich und ausreichend, um das Prinzip zu verstehen. Mit ca. 15 Kamerataschen und noch etwas Sonderzubehör wie mal ein Studioblitz könnte man Zweierteams losschicken. Erst erklären, wie man es macht. Und dann mal losschicken. Macht mal Fotos für eine Webseite. Oder ein Video für Youtube. Aber nicht einfach nur draufhalten und Handy-Foto, sondern mal so richtig. Schärfentiefe, Kontraste, Bildelemente und so. Oder ein paar geile Perspektiven für die Schülerzeitung. Was gefällt Euch an der Stadt und was nicht? Mensch, hätte man da tolle Sachen machen können. Stattdessen hocken wir da und sollen irgendwelche Scheiß-Aquarelle malen – mit Wasserfarbe.
Macht man das heute? Und wenn nicht, warum eigentlich nicht?
(Wo kämen wir schließlich hin, wenn wir nicht mehr für die Schule, sondern für das Leben lernten…)
5 Kommentare (RSS-Feed)
Wir haben mal ein paar Portraitfotos gemacht. Aber so richtig über Belichtung etc.? Nichts …
Kunstunterricht war bei mir auch zu 90% Wasserfarben – Öl dauert auch zu lange, da bräuchte man mehr Planung, als ein Kind/Anfänger leisten kann, um nicht ganze Schulstunden blockiert zu sein, weil da erst was trocknen muß – jedenfalls wurde anfangs sauberes Ausmalen honoriert, bzw. mein Geschmiere sanktioniert, und da war das Verhältnis gleich getrübt.
Im Kunstunterricht habe ich kaum was gelernt, und dann, als ich es i.d. 11. abwählen konnte entdeckte ich in der Bücherei ein Buch “Zeichnen lernen”, welches versprach einem Zeichnen beizubringen, so daß man sogar eine Hand zeichnen kann. Und das war locker und flockig Schritt für Schritt erklärt, so daß das wirklich bewältigbar aussah, und in einer Woche mit dem Buch lernte ich mehr als zuvor in Jahren in der Schule.
Da kann man so einen Haß auf die Schule kriegen, die oft als Institution erscheint den Kindern das Interesse an Fächern zu verleiden, statt es zu vermitteln.
Mit Mathe- und Physiklehrern hatte ich dagegen Glück. Diese hatten Spaß an ihrem Job und brachten das rüber – was bei den Kunstlehrern schief gelaufen war – ich weiß es nicht.
In der Oberstufe besuchte ein Freund von mir eine Foto-AG, die wohl nicht in die Note einfloß, und über die Freiwilligkeit wurde vielleicht die Frage nach teurem Equipment beantwortet.
Insgesamt sind die Lernerfolge besonders groß, wenn die Schüler eine eigene Motivation mitbringen, und sich selbst fragen, wie sie ihre Leistung verbessern können – nicht wie sie möglichst billig an eine brauchbare Note kommen.
Wie man mit Lehrplänen, Ministerien usw. an einer Verbesserung arbeitetn könnte liegt aber außerhalb meiner Kompetenz. 🙂
Schön, dass ich nicht alleine bin!
Auch wenn es bei uns in der Oberstufe einen Wahl-Fotokurs gab (so richtig mit Fotos entwickeln), bin ich vom Prinzip her zu quasi 100% deiner Meinung. Vielleicht solltest du ein offenes Projekt starten, dass pro Fach Vorschläge für einen vernünftigen Lehrplan sammelt?! So eine Art Wiki, in dem jeder an einem Vorschlagslehrplan pro Fach mitgestalten kann. Ich würde mich bestimmt ein paar Zentimeter daran beteiligen, weil ich mich auch schon längere Zeit ärgere, was mir alles an Sinnlosigkeit in der Schule beigebracht wurde bzw. was mir eben an wirklich Weiterführendem nicht beigebracht wurde. Wenn es gut wird, dann wird kein Bildungsministerium daran vorbeikommen, zumindest einen Blick zu riskieren. Zuerst müsste man sich aber vermutlich Gedanken machen, welche Fächer überhaupt vernünftig sind, also welche zu viel sind und welche es nicht gibt. Zu meiner Schulzeit gab es z.B. kein Fach, in dem man den Umgang mit dem Computer lernt, nur Informatik als zusätzliches, freiwilliges Fach, wo man ausschließlich Programmieren gelernt hat. Vielleicht muss man auch gar keinen Lehrplanvorschlag machen sondern einfach mal nur sammeln, was man alles in der Schule an Grundlagen lernen sollte. Damit ergibt sich im Umkehrschluss sofort, was überflüssig bzw. Bonus ist.
Beschreibt den Kunstunterricht dem ich bis zum Jahr 2004 ausgesetzt war hervorragend. Kennste einen, kennste alle.
Hallo Hadmut,
auch wenn man immer den Eindruck hat, andere Schulen waren besser, muß ich sagen, daß im Endeffekt ich doch eine ordentliche Schule besucht hae. Ich konnte zwar weder Griechisch, Russisch, Spanisch oder Italienisch lernen, auch Judo/Karate und sonstige Sportarten die interessanter als dauern im Kreis rumrennen oder eine Ball hinterherrennen sind gab es nicht. Auch die Musik-AG mit Geigenunterricht fiel damals dem Stundenplan zum Opfer. Trotzdem muß ich meinen Lehrern (nicht allen!) bescheinigen, daß sie mir eine ordentliche Bildung mitgegeben haben.
Daß einiges von dem Unterrichtsstoff besser aufbereitet hätte sein können, das haben wir uns damals auch gewünscht. Aber ich denke, die Lehrer waren damals wie sie es auch heute sind in Ihren Lehrplänen gefangen. Nur wenige schaffen es wirklich, aus den Lehrplänen auszubrechen.
Wenn man das Ganze verbessern will, muß man ganz woanders ansetzen, nämlich in den Kultusministerien und pädagogischen Hochschulen (womit wir wieder bei Deinem Lieblingsthema wären). Insbesondere das G12, daß sich irgendein Sesselfurzer ausgedacht hat, nimmt soviel Zeit in Anspruch, daß die Lehrer und Schüler für anderes fast keine Zeit mehr haben.
Aber zurück zum Kundstunterricht: Wir hatten damals das Glück, einen guten Kunstlehrer zu haben. Er hat, natürlich neben dem Arbeiten mit Wasserfarben, uns auch mit anderen Materialien gezeigt, z.B. Tusche, Öl, etc. Er hat auch dafür gesorgt, daß man einen recht guten theoretischen Unterbau bekommen hat (Stilrichtungen, Maltechniken, Ausdrucksformen, etc), allerdings ist es nicht sein Fehler, wenn vieles davon heutzutage bei mir verschütt gegangen ist. Und er hat eine Foto-AG geleitet. Wir hatten zwar nur eine Spiegelreflexkamera für ca. 13 Schüler. Aber es reichte, um Fotografieren zu lernen und dank des Fotolabors konnten wir sogar selbst entwicklen/Abzüge herstellen. Zwar meist schwarzweiß, aber es reichte um die Techniken u.a. auch zur Fotomontage zu lernen, lange bevor Photoshop & Co. da waren. Leider war dieser Lehrer mehr Künstler als Lehrer und wurde durch den Schulbetrieb nervlich zum Zusammenbruch getrieben (sowohl durch “ungezogene” Kinder, als auch durch (vereinzelte) mobbende Kollegen).
Und ich denke, es gibt durchaus Schulen, die auch heute die Techniken des Fotografierens den Schülern beibringen. Aber damit das in den Grundlegenden Kunstunterricht aufgenommen wird und nicht nur durch ein paar vereinzelte engagierte Lehrer vermittelt wird, wird man dafür sorgen müssen, daß die Kultusministerien sich dessen bewußt werden. Und da sind Kämpfe gegen Windmühlen vorprogrammiert.