Ansichten eines Informatikers

Von der Strafbarkeit, zu berichten

Hadmut
28.5.2018 0:16

Und niemand der üblichen Schreihälse von ARD, ZDF und Reporter ohne Grenzen sagt etwas dazu. [Updates!]

In England gehen gerade bemerkenswerte Dinge vor sich. Jemand, angeblich ein weit rechter „Aktivist”, namens Tommy Robinson ist da auf seltsame Weise festgenommen, verhaftet worden, muss wohl eine Gefängnisstrafe fürchten, einfach weil er über etwas berichtet hat. Anscheinend ging es um irgendetwas mit Kindesmissbrauch mit irgendeinem islamischen Hintergrund und einen Strafprozess darüber. Anscheinend standt der da irgendwie draußen und hat berichtet, war wohl live mit dem Handy auf Sendung und wurde dann von der Polizei wegen „breach of peace” (hört sich an wie „Volksverhetzung”, könnte aber auch generell für groben Unfug oder Erregung öffentlichen Ärgernisses stehen) festgenommen.

Die Sun zeigt ein Video davon, auch der Independent berichtet, da ist auch von incitement (Aufwiegelung) die Rede, allerdings auch davon, dass der gar nichts gemacht hat außer eben da zu stehen und zu filmen.

Allerdings dann eben auch:

Robinson, whose real name is Stephen Lennon, had claimed that verdicts were due on Friday but court officials confirmed that the trial of nine defendants is ongoing.

“This isn’t contempt of court?” he asked during the broadcast. “You are allowed to do this, aren’t you?”

Contempt of court is a criminal offence that can see people jailed for speeches or publications that create a “substantial risk that the course of justice in the proceedings in question will be seriously impeded or prejudiced”.

Robinson is already under a suspended sentence for committing contempt of court over a gang rape case heard in Canterbury last year.

Judge Heather Norton handed him a three months imprisonment in May last year but suspended it for 18 months on the condition he did not commit further offences.

Also geht es um Missachtung des Gerichts (von außerhalb des Gerichtssaals?) und darum, dass der deshalb schon mal verurteilt wurde und auf Bewährung war. Das lässt die Sache anders aussehen als sie gerade durch die Blogosphäre rauscht. (Ich wurde gebeten, aus Solidarität auch darüber zu berichten, für mich sieht das unter diesen Randbedingungen aber eben nicht so klar und eindeutig aus, wie andere das sehen wollen.)

“This is not about free speech, not about the freedom of the press, nor about legitimate journalism, and not about political correctness,” the judge told Robinson at the time

“It is about justice and ensuring that a trial can be carried out justly and fairly, it’s about being innocent until proven guilty.

“It is about preserving the integrity of the jury to continue without people being intimidated or being affected by irresponsible and inaccurate ‘reporting’, if that’s what it was.”

Kann man einfach sagen, dass das mit Rede- und Pressefreiheit einfach nichts zu tun habe, wenn man Leute für das Berichten von der Straße wegverhaftet? Dein Grundrecht nutzt Dir nichts, weil das hier einfach nicht um Meinung geht?

Die Funktionsfähigkeit der Gerichte ist schützenswert, aber war sie davon überhaupt betroffen? Ist das ein Vorwand?

Ich bin dabei durchaus gewillt, den Engländern als legitim zuzugestehen, dass man über Gerichtsprozesse nicht live berichten darf. Das kann man durchaus so sehen, zumal auch bei uns nicht in den Verhandlungen selbst aufgenommen werden darf. Und ich denke, dass sie das auch verbieten können und dürfen. Ein Gericht frei von Beeinflussung zu halten wäre in meinen Augen ausreichend um zu verlangen, dass erst nach Ausgang des Verfahrens darüber berichtet wird.

Es geht dabei auch um den Schutz der Beteiligten. Bei uns finden Strafverfahren, an denen Minderjährige beteiligt sind, unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, und es ist hier strafbar, Inhalte von Strafakten zu veröffentlichen, bevor sie in der Verhandlung öffentlich erörtert wurden.

Trotzdem kann sowas ziemlich blöd nach außen wirken und Meinungen umwerfen. Und man kann dazu eben auch andere Meinung sein. Scheint sich schon aufzuschaukeln. Sich Märtyrer zu machen, war schon immer gefährlich.

Mal sehen, ob man davon noch was hört. (Das war jetzt ein blöder Satz.)

Updates: Einige Leser schrieben mir weitere Informationen dazu.

Demnach sieht die Sache schon anders aus als im allgemeinen Geschrei ventiliert.

Ein anderer Leser hat einen Bekannten, der britisches Recht studiert hat und dazu folgende Auskunft geschickt:

In England werden viele Strafprozesse von einer Jury (Laienrichtern) begleitet – gerade diejenigen, die in der Öffentlichkeit stark diskutiert werden. In der Vergangenheit wurde durch Journalisten massiver Einfluss auf die Laienrichter genommen. Deshalb existiert ein sehr striktes Verbot von journalistischer Tätigkeit/Berichten um eine Bannmeile um das Gerichtsgebäude selbst. Im Gegenzug gibt es fest installierte Kameras, die den gesamten Gerichtssaal abbilden und im stream den Medien zur verfügung gestellt werden, damit einer Presse- und informationspflicht/-rechte gewährleistet sind. Die Engländer nehmen das sehr ernst und das Übertreten dieses Gesetzes ist tatsächlich kein “Kavaliersdelikt” (und zwar weil die Einflussnahme auf die Laienrichter das gesamte Rechtssystem zerstören kann […] Dieses Gesetz muss man nicht mögen – Robinson kannte es und hat es trotzdem übertreten. Wahrscheinlich wollte er genau das tun, was das Gesetz unterbinden will, nämlich verbotenerweise Einfluss und Druck auf die Jury ausüben.

Ein dritter Leser sagt, dass die britische Presse über den Fall nicht berichtet, weil sie es nicht berichten darf, bis der zugrundeliegende Strafprozess, um den es hier geht, beendet ist – aus genau demselben Grund. Das gilt wohl als eine Gerichtsangelegenheit und deshalb herrscht da Ruhe bis zum Abschluss des Verfahrens.

Wenn es darum geht, dass die dort Jury-Gerichte vor Druck und Einflussnahme schützen wollen, und es nur darum geht, dass bis zum Ende des Verfahrens Ruhe ist, halte ich die Vorgehensweise für berechtigt. Und wenn der genau deshalb schon zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt war, und gezielt dagegen verstoßen hat, dann halte ich das auch für berechtigt, dass sie ihn einkassieren – nicht wegen des neuen, sondern vor allem wegen der zur Bewährung ausgesetzten Strafe.

Ich halte es für gut, dass man auf solche Vorgänge achtet, aber die heiße Luft darum war zu heiß. Man kann über das Gesetz unterschiedlicher Meinung sein, aber an dem konkreten Einzelfall kann ich bisher nicht viel sehen, was ich auszusetzen hätte.