Die beachtlichen Maßstäbe der Claudia Roth
Eine Anmerkung.
Eine „Gedenkminute” der AfD im Bundestag für die ermordete Susanna sorgt für Streit.
(Ich habe allerdings noch nie verstanden, wie man jemandes gedenken kann, den man gar nicht kannte, aber da gehen die Auffassungen auch weit auseinander. Ich hatte vor Jahren mal in einem Sportverein erheblichen Krach mit jemand bekommen, der mir übel vorwarf, nicht an einer Gedenkveranstaltung für einen Verstorbenen teilgenommen zu haben, den ich überhaupt nicht kannte, nie gesehen und noch nie etwas von ihm gehörte hatte, der mir in jeder Hinsicht einschließlich seines Aussehens, seines Namens, seines Schaffens komplett unbekannt war. Man warf mir Pietätlosigkeit und Ähnliches vor, weil ich äußerte, dass ich nicht wüsste, wie ich gedenken solle, wenn ich nichts zum denken hätte, ich es umgekehrt jedoch als pietätlos und geschmacklos empfinde und es mir zuwider sei, selbiges gegenüber einem Toten, er sich nicht wehren kann, zu heucheln, und mich auch das angebotene Essen nicht zur Heuchelei bringen könne. Wenn’s egal wäre, ob ich den Toten kannte oder der mich, müsst’s ihnen doch auch egal sein, ob ich oder einfach irgendein Fremder zum Essen käme. Gab Ärger. Aber nur mit den Lebenden. Jemand anderes sagte mir, den Toten hätte sowas amüsiert und ich wäre ihm damit wesentlich lieber gewesen als die, die kamen.)
Ausgerechnet die Moral-, Emotional- und sonstiges-Kreisch-Sirene Claudia Roth regt sich darüber auf, wie die WELT schreibt.
Roth: Der Mord an Susanna ist ein abscheuliches Verbrechen, das mich tief betroffen macht. […] Ich denke da insbesondere an die inszenierte Schweigeminute der AfD im Bundestag. Hier wurde mit voller Absicht gegen die Geschäftsordnung verstoßen, um die Ermordung eines 14-jährigen Mädchens für politische Zwecke zu missbrauchen. […] Es stößt mich ab, weil es einer Entwürdigung dessen gleichkommt, was Mitgefühl und Anstand, was Pietät bedeuten. […]
Das kann man so sehen, wenn man will. Isoliert betrachtet, ist es eine vertretbare Meinung.
Problematisch ist es dann, wenn man es selektiv so sieht, immer nur dann, wenn es einem in den Kram passt. Dann nämlich gehört man ebenso zu denen, die das für politische Zwecke missbrauchen.
Nur mal zum Vergleich:
- Kann sich noch jemand an den Fall Tugce erinnern?
Da hat man die Riesen-Gedenk-Pietäts-Show abgezogen, die gute, edle Tugce, die ihr Leben gab, um andere zu schützen. Ach, wie zivilcouragiert. Dass die von ihr angeblich geretteten Mädchen davon nichts wussten, sie den Streit selbst gesucht und das Handgemenge sogar selbst angezettelt hat, störte niemanden, denn wenn die Täter-Opfer-Lage politisch genehm ist, dann wird natürlich überall getrauert und gedacht. Derer gedacht, die man nicht kennt. Siehe oben.
Die hat man politisch so richtig schön auszuschlachten versucht.
Und niemand hat es gestört.
- Kann sich noch jemand an den Fall Anders Breivik erinnern?
Auf unzähligen feministischen Hetzveranstaltungen habe ich mitangehört, wie sie den zum Prototypen des weißen Mannes erklärt und kraft Geschlecht und Hautfarbe auf alle zwangsverallgemeinert haben. Alle seien sie Anders Breivik, jeder Mann weißer Hautfarbe, ob er will oder nicht. Ich hatte das mal beschrieben, dass damit sogar Godwin’s Law und die Reductio ad Hitlerum für gewisse Zeit ausgesetzt wurde.
Tötet ein Migrant eine Frau hier vor Ort, dann heißt es, ein Einzelfall, den darf man auf keinen Fall verallgemeinern. Und zwar auch dann nicht, wenn es in der religiösen oder kulturellen Erziehung begründet lag, die vielen zuteil wurde. Die Folgerung, dass sich Leute mit gleicher Erziehung gleich oder ähnlich verhalten würden, gilt als nicht tragbar. Breivik auf alle weißen Männer zu verallgemeinern, weil die Koinzidenz von Geschlecht und Hautfarbe sofort die Kausalität begründe, das war gesellschaftlich gestattet.
Und auch die Toten der Insel dabei immer und immer wieder zu politischen Zwecken zu missbrauchen, auch das wurde allgemein goutiert.
Denn niemand hat es gestört.
- Kann sich noch jemand an den Fall Harvey Weinstein erinnern?
Auch da fand man es allgemein erlaubt und berechtigt, einen Mann auf alle zu verallgemeinern, solange sie nur die gleiche Hautfarbe haben. Ist einer ein Monster, sind sie es alle.
Und auch das hat niemand gestört.
Haben wir aber zum x. Mal die umgekehrte Situation, dann ist es strikt verboten, darauf irgendwie hinzuweisen oder darin mehr als nur einen Einzelfall zu sehen.
Roth: Wir sollten nun nicht so tun, als seien Geflüchtete per se krimineller als Deutsche.
Das kann man auf zwei Arten verstehen.
Erstens: Alle sind gleich kriminell.
Zweitens: Die Deutschen sind die Kriminellsten.
Dumm sind beide.
Hat man uns nicht ständig einreden wollen, es gäbe kein Geschlecht, das sei alles nur kulturell und gesellschaftlich ansozialisiert? Warum sollte das dann bei Kriminalität nicht möglich sein? Geschlecht soll man beliebig anerziehen können, Gewalt aber nicht?
Wie kommt es dann, dass Feministinnen immer den Männern die Schuld für Gewalt zuschieben und behaupten, das läge am Geschlecht? Wenn doch Geschlecht nur ansozialisiert sein soll, Gewalt aber gar nicht? Was denn nun?
Und wenn man „Geflüchteten” nicht mehr Kriminalität unterstellen dürfe als uns, warum fliehen sie dann nach Deutschland, wenn’s dort doch genauso ist wie hier? Wovor fliehen sie dann?
Wenn man unterstellt, dass „Geflüchtete” nicht krimineller wären als Deutsche, unterstellt man damit nicht gerade den Deutschen pauschal eine bestimmte Kriminalität? Warum darf man es Deutschen unterstellen, wenn nicht „Geflüchteten”?
Wer fällt eigentlich auf das Geschwätz dieser Frau noch herein?
Übrigens: In Viersen wurde heute eine Frau von einem Mann erstochen. Mal sehen, worauf das hinausläuft.
Nachtrag: Beim Tagesspiegel steht was dazu:
Die 15-Jährige aus Viersen ist rumänischer Herkunft. Sie wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo sie wenig später starb. […]
Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung entdeckten Obdachlose das Mädchen, die Schreie gehört hatten. Einer von ihnen alarmierte demnach die Rettungskräfte. Das Mädchen sei blutüberströmt und von Messerstichen übersät gewesen, sagte ein Augenzeuge der Zeitung.
Von Messerstichen übersät. Die Variante hatten wir auch schon öfters. Ich verliere da aber inzwischen den Überblick.