10:45 – 11:45: Netzwerk der Neuen Rechten
Gute Güte.
Die erste Veranstaltung, auf der ich heute war, war „Netzwerk der Neuen Rechten” von Christian Fuchs, DIE ZEIT.
Ich sag’s rundheraus: Das war nach meinem persönlichen, subjektiven, individuellen Empfinden die dämlichste Veranstaltung des Tages. Die fand ich so richtig, richtig schlecht.
Der stellte sich, wenn ich das jetzt richtig in Erinnerung habe, als Mitglied eines Teams mit Schwerpunkt auf Rechte vor. Er nannte zwar mal die AfD und ein paar Allgemeinplätze, im wesentlichen drehte sich das aber fast alles um zwei bestimmte Personen. Man konnte wirklich den Eindruck bekommen, dass es in Deutschland nur fünf Rechte gibt: Die drei Hauptpersonen der AfD plus diese zwei Personen. Namen verkneife ich mir hier mal.
Was mich daran aber so ungemein störte, war, dass er als Merkmale von und Vorwürfe gegen „Rechte” durchweg Dinge aufzählte, die zwar sicherlich irgendwo stimmen, die aber auf Linke noch viel mehr zutreffen und damit nicht geeignet sind, Rechte zu unterscheiden oder zu charakterisieren:
- Sie hätten den Umbau unserer Gesellschaft vor [ warum nennt man sie dann „konservativ”? ]
- Sie würden nicht diskutieren, sondern die „Party beenden” wollen.
- Sie wollten einen Einheitsstaat mit exakt einer Meinung.
- Sie wollen polarisieren bzw. die Polarisierung verstärken
- Sie wollten neues aufbauen, hätten eine Reform oder Revolte als Endziel.
- Sie seien verschwörungsideologisch.
- Sie stellten sich gegen die offene, liberale, plurale Gesellschaft
- Sie träten für Ethnopluralismus (?) und nationale Identität ein
- Sie argumentierten „biologistisch.”
- Jedes Volk solle einen Wesenskern und Wirkensraum haben.
- Sie hegten Verschwörungstherien, etwa dass George Soros [vor dem er offenbar großen Repsekt hat, denn er lobte ihn für dessen „Demokratiebewegungen”] dahintersteckt oder eine Umvolkung stattfinden würde.
- Sie wollten die Grenze des „Sagbaren” nach rechts verschieben.
- Sie benützten Tarnnamen.
- Sie betrieben „Denkfabriken”, Magazine, Kampagnen.
Ich sitz da drin und denke mir, was für ein Quatsch. Fast alles trifft auf Linksextreme zu (ich erinnere daran, dass ich der Auffassung bin, dass sich Linke und Rechte kaum voneinander unterscheiden), denn der Umbau der Gesellschaft wird ganz eindeutig von links betrieben, marxistische Absichten. Die Diskutieren auch nicht und wollen Kapital und weiße Männer „beenden”, polarisieren, bei denen hat die Revolte sogar einen Namen (Klassenkampf) und so weiter. Und die größte und absurdeste Verschwörungstheorie von allen ist, dass sich die Männer verschworen hätten, um das Geschlecht Frau zu erfinden und zu unterdrücken. Und enorm viele Linke betreiben Blogs usw. anonym oder unter Tarnnamen. Ist mir damals bei den Piraten schon so sauer aufgestoßen.
Und dann sagte der auch noch, dass die Rechten „linke Aktionsformen” kaperten. Da dachte ich mir wirklich, Du Depp, was soll der Quatsch? Erst sagt er, was die Rechten für schlimme Eigenschaften haben, und dann beschwert er sich, dass sie dabei die Linken plagiieren. (Gut, sowas habe ich hier im Blog schon so oft beschrieben – aber ich fand’s ja diesen Standpunkt auch schon immer idiotisch, links gut, rechts schlecht, vor allem, weil das gleiche mach. Motto: Ihr seid Verbrecher, und Ihr habt es von uns geklaut!)
Ich hab’s dann etwas zurückhaltender formuliert: Was er eigentlich unter dem Begriff „sagbar” verstünde, habe ich gefragt (Antwort am Ende). Und ich habe darauf hingewiesen, dass ja nicht alle Verschwörungstheorien falsch wären, so manche habe sich als wahr herausgestellt, und deshalb seine Begriffszuordnung nicht eindeutig verständlich sei. Ich hatte ihn gebeten, beim Gebrauch des Begriffs Verschwörungstheorie jeweils dazuzusagen, ob er sie für richtig oder falsch hält (Gelächter im Publikum). Selbstverständlich fände er sie alle falsch. Kämen ja von rechts. (Zirkelschluss.)
Er berichtete dann, wie sie recherchieren. Beispielsweise habe er einen Rechten befragen wollen, der ihn barsch mit „Wollen Sie wieder Lügengeschichten schreiben” (oder sinngemäß) empfangen hätte, und als er sagte, nein, er wollte vorher mit ihnen sprechen, auf einmal freundlich reingebeten wurde. Der „Rechte” hätte sich sehr gefreut und gesagt, dass er der erste Journalist sei, der mit ihm sprechen würde, und ihn das eben sehr erfreue. Zwei Stunden oder so habe mit dem in dessen Küche gesesssen. Er plädiert dafür, dass man mit Rechten sprechen müsse und durchaus könne.
Wie gesagt, ich fand den Vortrag ziemlich trashig, aber das ist die Stelle, die mir besonders aufgefallen ist und die in den Tageseindruck passte: Das Aufgaben der Positionen der letzten Jahre, diese Desorientierung, Orientierungslosigkeit. Jahrelang sagten sie, mit Rechten spricht man nicht, die führt man höchstens vor, die können ja nicht mal sprechen, keine Plattform bieten und so weiter und so weiter, und jetzt kehrt sogar einer, der versucht, sich weiter gegen Rechts zu positionieren, seine Position zu ändern und den Standpunkt der letzten Jahre aufzugeben, zu revidieren. Vor allem diese Diskrepanz, einerseits auf Rechte zu schimpfen, andererseits aber zu sagen, dass sie linke Taktiken übernehmen, zeigt, dass die Journalistisch im Nirgendwo angekommen sind.
Eine Frau aus dem Publikum beklagte sich über die Bezeichnung „Neue Rechte”. Weil sich „Neue” positiv anhört, und das dürfe nicht sein. Man müsse eine negative Bezeichnung finden und benutzen. Auch dürfe man Rechte gar nicht erst im Fernsehen übertragen, um sie nicht zu fördern.
Als die Veranstaltung schon am Ende war, erinnerte ich noch schnell, dass er mir noch die Erklärung schulde, was er unter „sagbar” verstehe.
Er bezog sich dabei auf einen „gewachsenen Wertehorizont” als Maßstab dessen, was man sagen könne.
Man darf also nur sagen, was der Mainstream denkt? Wessen Wertehorizont überhaupt?
Bemerkenswert für mich ist, dass sich diese Definition auf eine Position bezieht, die man bisher dort eindeutig als rechts „verortete” und verachtete – den Bezug auf gewachsene Werte. Bisher hieß es doch immer, das Linke, das „Progressive”, das, was alle Werte zertrümmert und eine völlig werte- und bezugslose Gesellschaft schafft, sei das Gute. Das Konservative, das Nationale, sei schlecht. Wir müssten uns öffnen, für jegliche, beliebige Werte, alles aufgeben, uns in Beliebigkeit ergeben. Die völlige Wertelosigkeit als Ziel, als Ideal. Außerdem hieß es doch immer mit Foucault, dass der Diskurs die Realität schafft, man durch Sprache alles verändern kann und darf, dass die Maßstäbe der Sprache folgen und nicht umgekehrt.
Und jetzt kommt der daher, schimpft gegen rechts und nimmt dann einen „gewachsenen Wertehorizont” als Maßstab dessen, was man dürfe und was nicht. Also eine bisher als rechts angesehene Argumentationsweise.
Das war für mich ein zentrales Merkmal dafür, dass diese Leute sich gerade völlig im Wald verirrt haben. Die wissen gar nicht mehr, wo oben und unten, wo vorne und hinten ist. Von links und rechts will ich gar nicht weiter reden.