Ansichten eines Informatikers

Kriegsarchäologie

Hadmut
21.7.2018 0:28

Das ist doch jetzt endlich mal eine spannende und hochinteressante Herangehensweise.

In ZDF heute+ haben sie gerade etwas gebracht, was mir sehr gefallen hat. Sie berichteten über zwei syrische Archöologen in Berlin, die gerade damit beschäftigt sind, möglichst viele aktuelle und Vorkriegsbilder von Aleppo zu sammeln, um die Stadt erst mal digital zu rekonstruieren, wie sie mal war, denn inzwischen ist sie wohl ziemlich zerstört, und sie dann wieder aufzubauen. Das Berliner Stadtschloss fänden sie da sehr interessant, weil es beweise, dass man zerstörtes auch in altem Zustand modern wieder aufbauen kann. (Zumal wir hier ja auch gewisse Erfahrung damit haben, zerstörte Städte wieder aufzubauen.) Kurioserweise gibt es in Berlin auch noch ein islamisches Museum mit einem „Aleppo-Zimmer”, einer historischen Innenausstattung eines Gebäudes in Aleppo, das schwer beschädigt wurde, die damit hier also quasi gerettet wurde.

Sowas gehört zu den Projekten, die mir gefallen. Das ist doch eine tolle Herangehensweise (abgesehen von dem Umstand, dass der Krieg dort erst mal enden und die Kriegsparteien weg müssen.) Das wäre doch mal ein Ding, die Leute hier genau dazu auszubilden und sie das hier auch üben zu lassen, damit die das dort dann auch können.

Ich muss dabei immer an die Vereinigten Arabischen Emirate denken. Dort habe ich nämlich mehrererlei gesehen:

  • Arabische Architektur, gerade auch sowas wie die Souqs, macht ordentlich was her, vor allem, wenn die bei diesem verschnörkelten klassischen Zuckerbäckerstil mal richtig loslegen. Wie 1001 Nacht. Seid Ihr mal durch arabische Souqs gepilgert? Das ist wunderbar. Naja, die meisten. Nicht alle.
  • Die echt traditionelle Bauweise ist eher einfach und nicht immer gerade, aber in den Emiraten haben sie das gut hinbekommen, auch modern und mit modernen Bautechniken zu bauen und es trotzdem alt, aber exakt aussehen zu lassen, nicht unähnlich unserem Stadtschloss in Berlin.
  • Allerdings habe ich bei Neubauten von Privathäusern auch viel Pfusch gesehen. Sie versuchen zwar auch bei Privathäusern oft, klassisch-arabische Stilmittel einfließen zu lassen und sogar die traditionelle Struktur nachzubilden, mitunter sogar die historische „Klimaanlage” der Windtürme, das aber oft ziemlich hingerotzt aussieht. Vor allem, wenn die noch nicht verkleidet sind, sieht das manchmal arg gruselig nach Pfusch aus.
  • Der klassische Aufbau eines arabischen Hauses (also das, was ich dort gesehen und besichtigt habe) ist für uns hier kaum geeignet, weil zuviele Außenwände und Oberfläche und damit bei Kälte nicht energieeffizient, außerdem etwas platzverschwenderisch. Davon abgesehen aber eine feine Sache, mir würde das sehr gefallen. Innen ein abgeschlossener Innenhof.

Wir haben doch hier eh Fachkräftemangel beim Bau.

Das wäre doch mal ein tolles Ding, das zu entwickeln und die Leute auszubilden, wie man mit modernen Bautechniken, vielleicht sogar mit diesen neuartigen großen Beton-3D-Druckern, schnell und effizient ordentliche Häuser baut, die hier digital geplant werden, und für die man sogar Baumaschinen und dergleichen vorbereitet.

Gerade weil es dort sehr warm ist und man weniger Kälteisolierung und weniger Heizung braucht als hier und dort viele nach historischen Mustern gleichartige Strukturen baut, sollte das eigentlich gut möglich sein, Fertigbau- oder andere Schnellbautechniken anzuwenden, wie etwa 3D-Druck. Es gab ja in letzter Zeit schon einige Berichte darüber, dass man innerhalb weniger Stunden kleinere und größere Häuser mit mobilen 3D-Druckern gebaut hat.

Das wäre doch jetzt mal ein geiles Ingenieursprojekt, und würde uns auch selbst nutzen, bei uns fehlt’s ja auch an Wohnungen. Wir müssten das jetzt entwickeln, wie man zunächst am Computer nicht nur einzelne Häuser, sondern ganze Blocks entwirft, wie man ganze Stadtteile designt, nach altem Muster oder neuen Erkenntnissen, moderne Kanalisation, Verkehrswege, Läden, Infrastruktur, und es trotzdem historisch-arabisch aussehen lässt. Dazu die passenden Bautechniken.

Dann kann man hier mal irgendwo eines dieser völlig vergammelten und verlassenen Minidörfer auf dem Land mit sowas proberenovieren. Neulich haben sie ja irgendwo mal so ein Minidorft verkauft und der neue Inhaber hat sich gegruselt, als er merkte, was man da alles renovieren muss. Wäre doch mal ein Ding, da irgendwo probemäßig Klein-Aleppo in die Landschaft zu bauen. Solche Grundtechniken braucht man ja im Prinzip überall, auch in Afrika oder in den diversen Katastrophengebieten. Inneneinrichtungen kann man dann auch effizient entwickeln. Soll nicht gerade IKEA-mäßig sein, aber der IKEA-Stil zeigt zumindest, wie man es effizient herstellt und verpackt, und es so macht, dass es jeder selbst aufbauen kann.

Das wäre doch so ein richtig geiles Ingineursprojekt, nicht einzelne Häuser, sondern ganze Städte im Ruck-Zuck-Verfahren aufzubauen. Das wird zwar lange dauern, bis man das durchdrungen hat, aber bis dort wieder Frieden herrscht, dauert das ja auch. Vorher vielleicht noch per Satellitenradar vermessen und sich überlegen, was man wie und in welcher Reihenfolge aufbauen muss. Samt Energieversorgung, Krankenhäuser, Kläranlagen und was man eben so braucht.

Und es würde auch endlich mal die grenzenlose Trostlosigkeit deutscher Architektentätigkeit durchbrechen.

Ich glaube nur, dass wir viel zu doof, faul, feministisch für sowas sind. Die Chinesen werden das machen und schneller hinkriegen. Und wir scheitern ja schon am BER.