Die Potemkinsche Kanzlerin
Wenn immer mehr vorgegaukelt wird.
Nun hatte ich ja neulich mal betrachtet und berichtet, dass man am Bundesverfassungsgericht dazu neigt, echte Verfassungsbeschwerden in die Tonne zu treten, wenn sie den Richtern nicht in den Kram passen, während man umgekehrt Verfassungsbeschwerden einfach vorgaukelt, wenn man politisch entscheiden will, indem gerichtsnahe oder -ehemalige Personen die für die Entscheidung benötigten Beschwerden schreiben und passende „Beschwerdeführer” dann gecastet, mit „anwaltlicher Vertretung” und den nötigen Finanzmitteln ausgestattet werden, um pro forma durch den ganzen Instanzenweg zu reiten und dann den Verfassungsrichtern den Vorwand für eigenmächtiges Regieren oberhalb von Regierung und Demokratie zu liefern.
Ähnliche Effekte findet man nun anscheinend auch bei Angela Merkel.
Es ging doch gerade so durch die Presse, dass Merkel zutiefst mutig und bevölkerungsnah in die Merkel-muss-weg-Bundesländer gefahren sei um mit den Leuten zu reden.
Scheint jetzt auch nicht ganz so völlig zu stimmen.
Die Ostthüringer Zeitung berichtet über das Bewerbungsverfahren, das man durchlaufen musste, um der Kanzlerin da gegenüberzutreten. Da musste man sich vorher bewerben, und dann von 10 bis 18 Uhr Zeit haben. (Womit die arbeitende Bevölkerung schon mal von vornherein ausgeschlossen ist.)
Der Bürgerdialog beginnt um 10 Uhr mit einem vorbereitenden Workshop. Bei diesem besteht die Gelegenheit einander kennenzulernen und sich auf die Themen des Bürgerdialogs vorzubereiten. Nach einem Mittagsimbiss startet dann gegen 15 Uhr der eigentliche Bürgerdialog mit Angela Merkel. Er wird gegen 16.30 Uhr beendet sein. Anschließend lädt die Bundeskanzlerin alle Teilnehmer zu einem kleinen Empfang ein.
Da werden die Fragenden auf die Themen vorbereitet. Ich war nicht dabei, aber man könnte das so verstehen, als ob man den Fragenden sagt, was sie zu fragen haben, und vor allem, was nicht. Oder dass man da die castet, die fragen dürfen.
Zustände wie … wie … ja wie am Bundesverfassungsgericht, könnte man meinen.
Oder auch nicht. Ich habe ja mal auf Auskunft geklagt, weil bei der Wahl einer Verfassungsrichterin Ungereimtheiten nicht geprüft wurden. Da stellte sich heraus, dass der Wahlausschuss des Bundestages die nie gesehen hatte und nicht kannte, nicht zu einer Aussprache geladen hatte. Heißt: Wer im Fernsehen der Kanzlerin eine Frage stellt, wird weit genauer überprüft als wer Verfassungsrichter wird.
Vor ein paar Tagen schickte mir ein Leser eine Karikatur (die ich hier aus urheberrechtlichen Gründen nicht einbinden kann und deren Quelle ich nicht kenne), in der es genau darum ging, nämlich dass man die Leute, die Politikern Fragen stellt, genauer prüft und vorbereitet, als die Politiker selbst.
Die Frage, um die es letztlich geht: Was kann man Verfassungsorganen oder deren Teilen wie Kanzlern und Verfassungsrichterin eigentlich noch glauben?
Nun hatte ich ja gerade über Anne Will geschrieben, und darüber, dass sie meint, sie wäre gut, weil sie im Westen einen höheren Zuschaueranteil hat als im Osten. (Einem Mann würde man für sowas sofort Diskriminierung vorwerfen.) Und dafür noch einen enormen Haufen Geld bekommt. Da stieß ich auf diesen Artikel über Will und Merkel und das Bild mit der Merkelraute.
Und da gingen mir drei Dinge durch den Kopf:
- Jedes Mal, wenn ich Merkelraute schreibe, schreiben mir die Leser, dass das geometrisch falsch sei, denn dass sei keine Raute (Viereck mit vier gleich langen Seiten, jeweils parallel, sondern ein Drachen oder Drachenviereck mit je zwei gleichlangen Seiten, die paarweise aneinanderstoßen.
Das mag stimmen, aber nur ein kleiner Teil der Bevölkerung vermag das zu verstehen. Der Rest der Bevölkerung würde mir „Der Merkeldrachen” ganz anders auslegen.
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Wenn schon normale Menschen für eine einfache Frage an Merkel so ausführlich vorbereitet werden und dafür ein Mittagessen bekommen, wie wurde dann Will vorbereitet, ausgewählt und was bekam sie?
Anders gefragt: Kann man überhaupt seriös sein, wenn Merkel freiwillig zu einem kommt?
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Ein Leser trug mir vor wenigen Tagen eine völlig verschrobene, durch nichts zu rechtfertigende, frei erfundene, absurde, unglaubwürdige, lächerliche Verschwörungstheorie vor, um sich nach meiner Wertung derselben zu erkundigen.
Er nämlich war auf die Vermutung gestoßen, dass Merkel in Wirklichkeit eine ganz extreme Kampflesbe und linksaußen sei, und die Merkelraute eben nicht einfach eine Handhaltung sei oder – wie es in der Presse hieß – ihr von Rhetoriktrainern antrainiert wurde, weil sie nicht wusste, wohin mit den Händen, sondern dass das ein lesbofeministisches Erkennungs- und Bekenntniszeichen darstellt und das Symbol für ihre … Oh je, raus aus meinem Kopf, ihr dummen Gedanken.
Jetzt geht mir das so durch den Kopf (Kennt Ihr das? „cannot be unseen”), dass Merkel da ständig in die Kamera keine Raute und keinen Drachen, sondern ihre … Oh, neee.
Jetzt seh ich da dieses Bild von Will und Merkel und denk mir – Ogottogottogott, ach herjeh, herjemineh – wie stehen die denn da, die Lesbe und die debil grinsende Merkel mit der Kanzlermuschi … Oh nein, wie krieg ich diesen Unsinn jetzt wieder aus dem Kopf raus?
Und irgendwie habe ich plötzlich das Gefühl, dass hatte einen Grund, warum Merkel … und dann noch diese Verfassungsrichterin … nee, raus aus meinem Kopf.
Alles so schlimm.