Das bekloppte Gender-Recruiting von Daimler
Vorhin am Bahnhof:
Hat irgendwer unter den Lesern vor 50 Jahren mal bei Daimler gearbeitet?
Damals war man im Bewerbungsgespräch beim Eintreten in den Raum schon durchgefallen, ohne dass es einem gesagt wurde, wenn man keinen dunkelblauen Anzug trug. Es wurde von Bewerbern erwartet, dass man sich so mit dem Unternehmen und seinen Bedürfnissen vertraut gemacht hat, dass man wusste, dass die Firmenfarbe dunkelblau ist, und das einfach als Zeichen vorauseilender Loyalität demonstriert wird.
Hat irgendwer unter den Lesern vor 40 Jahren mal bei Daimler gearbeitet?
Damals waren die so piefig, dass sich intern viele sträubten, ein Unterschichten-Fahrzeug wie die neue C-Klasse, die damals noch 190 hieß und erst später mit der Namensänderung nach den X-Klassen umbenannt wurde, überhaupt anzubieten. Man stritt intern, ob man in den Niederlassungen nicht getrennte Eingänge für Mercedes- und 190-Käufer bauen müsste, weil es einem S-Klasse-Kunden nicht zuzumuten sei, einem 190-Fahrer auch nur an der Tür zu begegnen, durch dieselbe Tür zu gehen.
Hat irgendwer unter den Lesern vor 30 Jahren mal bei Daimler gearbeitet?
Damals haben sie sich fast selbst umgebracht, weil sie meinten, dass sie sich von McKinsey durchruinieren lassen müssen, die dann alles rauswarfen, was nicht unbedingt erforderlich und zu 130% mit wichtigsten Aufgaben ausgelastet ist. Danach hat man schmerzlich herausgefunden, dass auch jemand, der nur zu 50% seiner Zeit Sachen macht, die nur normal wichtig sind, einfach fehlt, wenn man ihn gefeuert hat.
Vorhin habe ich am Bahnhof diese Anzeige auf einer Werbetafel gesehen:
Du gehst gerne wandern und trägst bunte Socken?
Dann halte bei uns den Laden am Laufen!
Heieieieiei.
Die haben’s aber wirklich auf die Kompetenzelite abgesehen.
Und dann der feministische Volltreffer:
Bei uns steht die Work-Life-Balance im Mittelpunkt.
Das ist neu. Früher war man mit der Firma verheiratet und musste arbeiten.
Aber heute ist Feminismus, und eines der wichtigsten Schlagworte im modernen Feminismus ist „Work-Life-Balance” – also der Anspruch, hochbezahlte Führungsposten zu haben und trotzdem nicht viel dafür arbeiten zu müssen. Das bieten die da jetzt an.
Und dann dieser schicksalsschwangere Satz:
Im Bereich Cross Functions unterstützt Du uns durch Deine persönlichen Skills.
Das ist hartes Brot.
Da sitzt man dann im Zug, guckt aus dem Fenster, und fragt sich ergebnislos: Was soll es bedeuten?
Das muss man erst mal googeln:
A cross-functional team is a group of people with different functional expertise working toward a common goal. It may include people from finance, marketing, operations, and human resources departments. Typically, it includes employees from all levels of an organization. Members may also come from outside an organization (in particular, from suppliers, key customers, or consultants).
Cross-functional teams often function as self-directed teams assigned to a specific task which calls for the input and expertise of numerous departments. Assigning a task to a team composed of multi-disciplinary individuals increases the level of creativity and reduces groupthink.
Es heißt also: Gar nichts.
Leute, die nichts miteinander zu tun haben, hocken irgendwie beisammen und versuchen, zusammen ein Ziel zu erreichen. Und keiner weiß, warum.
Aber „Divers” sind sie: Jeder Beruf, jede Ebene der Organisation ist repräsentiert, weil – und das wissen sie vielleicht wieder von McKinsey – man heute nichts mehr braucht als Diversität, einfach verschiedene Leute in einen Raum stecken. Und natürlich wieder rauslassen, damit sie nicht zuviel arbeiten, die Work-Life-Balance.
Zum Beispiel im Projekt-, Change- und Facility Management, durch Kommunikation oder IT.
Ah, jetzt hab ich’s verstanden: Kaffee kochen.
Facility Management. Die Kommunikation zwischen Hausmeister und Putzkolonne verbessern?
Früher hieß es Hausmeister, heute kann man’s studieren, aber genau das wird hier ja nicht verlangt. Auch Beton-Genderista und Gebäudesoziologen sind gern genommen.
Finde heraus, wobei Du uns unterstützen kannst!
Früher hieß es: Wir suchen … das, das und jenes.
Heute heißt es: Kommt halt mal, wir versuchen dann irgendwas zu finden, was sogar Du kannst und nicht allzusehr versemmelst.
Nicht machen, konstruieren, entwickeln, leiten, bauen. Unterstützen. Schwester: Tupfer! Fräulein Meier, bringen Sie bitte den Kaffee und etwas Gebäck rein!
Daimler Group Services Berlin
Da erkennt man dann irgendwie auch nicht, was die eigentlich machen und suchen.
Fassen wir mal zusammen:
- Sie suchen Leute.
- Sie können nicht ansatzweise artikulieren, was sie wofür suchen oder worum’s eigentlich geht.
- Sie sagen überhaupt nichts über Anforderungen, sondern im Gegenteil, dass sie alles nehmen, es wird sich dann schon vielleicht was finden.
- Man erfährt nicht, was man dann da macht.
- Außer zu „unterstützen”, also anderen beim Arbeiten zuschauen.
- Aber davon nicht zu viel, Work-Life-Balance ist wichtig, heißt auf deutsch: Du kannst nichts, deshalb brauchen wir Dich eigentlich auch nicht, komm trotzdem.
- Glaub ja nicht, dass Du hier was wichtiges zu tun bekämst. Dafür kannst Du Dich anziehen wie Du willst, auch mit bunten Socken, und viel Wandern gehen.
Ist zwar nicht explizit gesagt, aber eindeutig: Wir suchen dringend Frauen, die wir nicht brauchen.
Ich habe so das Gefühl, die haben schon welche, und die sitzen jetzt im Recruiting.