Ansichten eines Informatikers

Zur Corioliskraft

Hadmut
1.12.2018 2:55

Wütende Leserzuschriften…

Herrje, was habe ich angerichtet? Wütende und tadelnde Leser schreiben mir, ich hätte keine Ahnung, was ich schriebe sei falsch, natürlich und so weiter. Wenn man Leute an ihren Glaubensrichtungen und Überzeugungen anfasst.

Ich fange mal mit einem ganz banalen Argument an, für das man eigentlich gar nichts denken oder begreifen muss: Man kann es einfach sehen, dass es nicht stimmt. Wir hatten die Diskussion schon mal zu Oberstufenzeiten und dann nochmal im Studium. Zwar sind wir da nur in unserer Stadt auf der Nordhalbkugel gelieben und haben uns die Gegenprobe mit der Südhalbkugel geschenkt, aber es war eben nicht zu beobachten, dass Wasser da immer in dieselbe Richtung abfließt. Manche Badewannen haben zwar einen bevorzugte Drehrichtung (und nicht mal das alle), aber insgesamt ließ sich nicht beobachten, dass über mehrere Badewannen und Abflüsse hinweg eine signifikat vorherrschende Drehrichtung bestehe. Und das wäre ja erst einmal eine Voraussetzung dafür, dass es es überhaupt Unterschiede zwischen den Halbkugeln geben könnte (man könnte natürlich behaupten, dass das Wasser auf der Nordhalbkugel zufällig und auf der Südhalbkugel immer in eine Richtung abfließt, aber dann müssten auf der Südhalbkugel ja gänzlich andere Gegebenheiten herrschen.

Einer schilt, was ich geschrieben hatte, sei offenkundig falsch, weil Wasser, das Richtung Erdmittelpunkt durch einen Abfluss fließt, ja auch seinen Rotationsradius ändere, also abgelenkt werde. Stimmt. Da hatte ich mich dämlich ausgedrückt. Was ich damit sagen wollte: Es gibt keinen Unterschied zwischen Nord- und Südhalbkugel. Denkt an das Experiment mit dem, der auf einem Drehstuhl sitzt und zwei Hanteln in den Händen hält und sie zu sich heranzieht. Der wird schneller, damit sich der Drehimpuls erhalten kann.

Aber: Das hat mit Nord- und Südhalbkugel nichts oder nur sehr wenig zu tun. Denn wenn sich Wasser (oder irgendetwas anderes) Richtung Erdmittelpunkt bewegt, und sich damit der Radius verringert, würde das Wasser in Drehrichtung der Erde beschleunigt, also zu einer schnelleren Rotation getrieben. Nord- und Südhalbkugel rotieren aber in dieselbe Richtung. Die rotieren nicht gegenläufig, da ist kein „Kugellager” dazwischen. Die würden also auf Nord- oder Südhalbkugel gleich abgelenkt. Oder anders gesagt: Es spielt für Wasser, das nach unten abläuft, eigentlich keine Rolle, ob es sich auf einer Kugel oder einem rotierenden Zylinder oder einem Würfel befindet, denn welchen (außer der Gravitation) Einfluss sollte es auf das Wasser haben, das auf dem 49. Breitengrad abfließt, ob die Erde auf dem 30. Breitengrad überhaupt dicker, also eine Kugel ist? Man könnte höchstens darüber argumentieren, dass das Nordende des Abflussloches geringfügig anders abfließt als das Südende. Dann aber müsste man auch argumentieren, dass das Wasser in einer Badewanne neben einem Berg anders abfließt als in der Wüste oder auf dem Meer, weil der Gravitationsunterschied dort deutlich größer ist.

Der nächste Punkt ist: Selbst wenn man daran festhält, dass auf Wasser, das Richtung Erdmittelpunkt durch einen Abfluss fließt und dadurch in Richtung der Erdrotation beschleunigt wird, ergibt das eine Drehbewegung in Bezug auf die Erdachse (es muss ja schneller werden, um seinen Drehimpuls zu erhalten), aber nicht in Bezug auf die Senkrechte im Abfluss, die Richtung Erdmittelpunkt zeigt. Anders gesagt: Das Wasser, das am Nordende des Abflusses runterfließt wird in dieselbe Richtung (nämlich in Richtung der Drehrichtung der Erde) gedrückt, wie das Wasser am Südende des Abflusses. Das ergibt eine Translations-, aber keine Rotations-Beschleunigung. Man könnte darüber argumentieren, dass ein Wasserfall schräg fällt oder dass ein weicher Wasserschlauch, den man an den Abfluss hängt, in eine Richtung gedrückt wird, aber nicht, dass es zu einer Drehbewegung innerhalb des Abflusses käme. Natürlich kann man dann wieder behaupten, diese Translationskraft sei da stärker als 2cm weiter nördlich…

Ein anderer Leser argumentiert, dass die Betrachtung des Abflusses schon zu spät ansetze, schon auf dem Weg in Richtung des Abflusses sei das Wasser der Kraft ausgesetzt. Was ich insofern nicht nachvollziehen kann, als Wasser ja nicht zum Spaß Richtung Abfluss fließt, sondern aufgrund eines durch das Gefälle entstehenden Drucks, letztlich also für das Fließen in Richtung des Abflusses und das Fließen durch den Abfluss außer der Steilheit des Winkels und der Stärke des Drucks kein grundsätzlicher Unterschied herrsche. Wenn es aber daran läge, dass das Wasser in der Badewanne schon bei seinem Fluss Richtung Abfluss eine drehbeschleunigung erführe, dann käme es ja wesentlich darauf an, wie herum die Wanne steht, ob der Abfluss im Norden, Süden, Westen oder Osten läge. Und was gälte dann für runde Wannen mit Abfluss in der Mitte, manche Waschbecken etwa?

Zustimmende Leser schreiben übrigens, dass die Anfangswirbel beim Start des Abflusswirbels ein chaotisches System bilden (wie viele Wirbel), und sich deshalb solchen Aussagen völlig entziehen.

Ich glaube, soweit muss man gar nicht gehen. Denn wer auch immer da irgendwo irgendwelche Kräfte zugunsten einer signifikant bevorzugten Abflussrichtung sehen will, der müsste die einfach mal quantitativ ausrechnen. Und mal angeben, wie groß diese Kraft eigentlich sein soll und wie lange eine solche Kraft brauchen würde, um auf die Masse des Wassers einen hinreichenden Kraftstoß auszuüben.

Und wenn man das ausgerechnet hat, dann sollte man das mal ins Verhältnis zu allen anderen Störkräften setzen, etwa dass keine Wanne und kein Abfluss wirklich gerade und symmetrisch ist (nicht mal Wettkampfschwimmbecken bekommen sie innerhalb der Messgenauigkeit gerade hin) und dann mal die Klempner und Hersteller fragen, wie genau eigentich ihre Wannen sind. Und Effekte ausschließen wie dass die vielleicht in einem Drehsinn mit der Poliermaschine poliert wurden. Oder ob der Abfluss exakt zylinderförmig ist oder vielleicht von der Herstellung so etwas wie ein leichtes Innengewinde oder Gewehrlaufzüge aufweist. Und die Oberflächen müssen so poliert sein, dass sie keinerlei bevorzugte Flussrichtung abgeben.

Fraglich wäre auch, mit welcher Flüssigkeit man das testen will. Sie müsste zum einen als Flüssigkeit homogen sein, was selbst sauberes Wasser aus dem Wasserhahn nicht ist, das ist ein Gemisch aus allem möglichen, und ein Wasserhahn schafft es sicher nicht, über den Zeitraum des Befüllens einer Wanne oder des Duschens gleichartiges Wasser abzugeben.

Das Wasser müsste auch völlig stillstehen und keine Eigenbewegung aufweisen. Was schon thermisch schwierig ist, dann müsste es nämlich gefroren sein. Und es darf auch keiner drin geduscht oder die Hände gewaschen haben.

Auch jede Form thermischer Bewegung und Ausdehnung ist zu vermeiden. Was schwierig wird, weil Wanne und Wasser überall exakt gleich warm sein müssen. Was wiederum die Beobachtung des Strudel erschwert, denn Energie in Form von Wärme und damit auch Licht darf man nicht zuführen.

Ich könnte jetzt fies sein und sagen, es sollten sich die Wasserstrudelbefürworter doch erst mal mit den Homöopathen auseinandersetzen, denn letztere reden ja gerne von irgendwelchen Energiezuständen im Wasser, die sich auch bei stärkster Verdünnung erhalten. Man müsste also sicherstellen, dass im Wannenwasser nicht nur kein Molekül mehr existiert, das von irgendeiner Köchin im Kochtopf mal rechtsrum gedreht wurde oder in irgendeiner Herzkammer linksherum gespült wurde, schon gar nicht im Meer mit irgendwelchen Strömungen, sondern dass die Moleküle auch noch nie solche Moleküle gesehen haben.

Man wies mich noch auf dieses Video hier hin:

Leute, das ist ja wohl nicht euer Ernst, oder? Mit diesen verbeulten Dingern, die schief stehen, wollt Ihr irgendwas nachweisen? Wo der von Hand mit dem Eimer eingießt, dann noch mit einem Brett drin rumfuhrwerkt? Und dann hat der auch noch mit weißer Farbe eine Spirale in das Ding gemalt, entlang der das Wasser dann fließt?

Und das dann 2 Meter südlich und nördlich der Äquatorlinie? Wer fällt denn auf so einen Scheiß herein? 2 Meter? Wo genau ist denn die Äquatorlinie? Wer hat die denn dort so zentimetergenau hingemalt? Und was genau ist bei dieser kartoffelförmigen Erde eigentlich der Äquator?

Man müsste es dann schon mit derselben Schüssel machen oder die Gegenprobe und die Schüssel vertauschen. Oder einen Blindversuch, bei dem der Proband nicht weiß, wo er ist.

Langer Rede kurzer Sinn: Rechnet es doch einfach mal aus, wie groß diese Kraft überhaupt sein kann. Und wie homogen das Wasser und wie exakt die Wanne beschaffen sein muss, damit sich das überhaupt auswirken könnte.

Aber einfach ins Blaue zu behaupten, dass Wasser auf der Nordhalbkugel anders abfließe als auf der Südhalbkugel, was schon ohne jedes Überlegen und Rechnen einfach empirisch nicht zu beobachten ist, ist Dumpfsinn.

Oder anders gefragt: Wenn ich in einem Hotelzimmer bin und das Wasser fließt im Waschbecken linksrum, in der Dusche rechtsrum und im Klo geradeaus ab, habe ich dann damit bewiesen, dass der Äquator zwischen Waschbecken und Dusche hindurch genau durch’s Klo verläuft? Der Äquator notfalls auch in Nord-Süd-Richtung verläuft?