Galoppierende Inflation und Klapsmühleneffekte
Wusstet Ihr eigentlich schon, dass Twitter ein reines Nazi-Forum ist?
Ausgerechnet die nach links abgekippte FAZ beklagt, dass auf Twitter nur noch Nazis unterwegs seien.
Nicht etwa, weil es da so viele Nazis gäbe, sondern weil der Nazi-Vorwurf so inflationär gebraucht wird, dass da jetzt einfach jeder als Nazi, Rassist usw. beschimpft wird.
Irgendeine komische Streiterei auf Twitter über einen kritischen Kommentar über eine deutsch-iranische Moderatorin (Leser hatten mich darauf hingewiesen, aber mir war nicht ersichtlich, was da eigentlich die Aussage sein sollte) hatte dazu geführt, dass die sich da irgendwie alle gegenseitig als Nazis, Rechte, AfDler beschimpft hätten.
Noch absurder war der Shitstorm, der vor einer Weile über Shahak Shapira hereinbrach. Der deutsch-israelische Komiker wurde auch mit Aktionen gegen Rechtsradikale bekannt. Schon als Jugendlicher musste er vor Nazis wegrennen, in seiner Familie haben die meisten den Holocaust nicht überlebt. Trotzdem wird Shapira auf Twitter regelmäßig als „Nazi“ beschimpft, seit er infrage gestellt hat, dass Kampagnen bei Change.org hilfreich im Kampf gegen Rassismus sind. Im Gespräch mit der F.A.Z. sagte er dazu: „Diese Leute spielen sich bloß auf und verwässern Begriffe wie Nazi oder Rassist. Damit schaden sie der Sache.“
Und genau das muss sich diese Blase vorwerfen lassen: Die Aufregung über wirkliche Skandale, zum Beispiel über ein Gedicht, in dem ein FPÖ-Politiker Menschen mit Ratten vergleicht, geht in den ganzen Nichtigkeiten unter. Wen soll ein Nazi-Vorwurf auch noch treffen, wenn damit regelmäßig Leute wie Shapira, Ruthe und Frommer überzogen werden, die sich teilweise unter großen Gefahren gegen Nazis engagieren (Shapiras Mutter stand mehrere Wochen unter Polizeischutz)?
Das ist wie der, der ständig „Hilfe!” ruft und sich dann wundert, dass keiner kommt, als er wirklich mal in Not war.
Auch im Feminismus ist dieses Phänomen zu beobachten. Die Autorin Sophie Passmann wurde für ihr Buch über „alte weiße Männer“ von anderen Feministinnen attackiert, bevor sie es überhaupt veröffentlicht hatte. Kritisiert wurde sie unter anderem dafür, aus der Sicht einer privilegierten weißen Frau zu schreiben. Diese Vorwürfe machten sich dann genüsslich Männer in Streitgesprächen mit Passmann zu eigen, zum Beispiel der „Spiegel“-Kolumnist Jan Fleischhauer, der zu Passmann sagte: „,Check your privileges’ heißt der Satz, der Männern wie mir entgegengeschleudert wird. Gilt der nicht auch für Sie?“
All diese Beispiele machen ein Grundproblem vieler linker Bewegungen oder Parteien deutlich: Man zerfleischt sich wegen Nichtigkeiten gegenseitig, anstatt gemeinsam gegen den angeblich so gefährlichen Gegner zu kämpfen.
Weil die Leute alle einen Dachschaden haben. Die sind völlig irrational drauf und in einem krankhaft übersteigerten Tribalismus gefangen, Schema: Unsere Herde gegen die bösen anderen, egal wer das ist.
Die Nutzerin Jasmin Schreiber twitterte im März: „Gibt so ne Gruppe Leute, die Twitter für alle zu nem toxischen Ort machen, weil sie jeden fronten, der zwar auf derselben Seite, aber nicht ~auf Linie~ ist. Das sei ,Aktivismus’.
Ich halte es nicht für „Aktivismus”.
Ich halte es für psychisch krank.
Und manchmal frage ich mich, ob nicht dieser Tribalismus, linker Aktivismus, Antifa, und Verfolgungswahn alles das Gleiche sind. Ich habe nämlich über gewisse Zeit mal jemanden erlebt, der auch in einem ständigen Kampf gegen Leute war, von denen er sich bedroht fühlte, letzten Endes von allem und jedem, aus völlig nichtigen, normalen oder eingebildeten Anlässen. Ich habe dann erfahren, dass Psychiater bei dem später einen echten „Verfolgungswahn” diagnostiziert und ihn dann auch gleich dabehalten haben. Den haben sie eingesammelt.
Der Punkt daran ist: Dessen Verhalten hatte zwar mit Politik und Gender und so weiter gar nichts zu tun, der sah einfach in wirklich allem und jedem einen Angriff gegen sich, aber grundsätzlich kam mir dessen Verhalten weitgehend deckungsgleich mit jenen Leuten vor, die ich auf politischen Veranstaltungen (SPD, Grüne, Piraten,..) erlebt habe. Und zu denen habe ich ja auch schon oft geschrieben, dass ich (als Laie) den Eindruck habe, dass die tribalismuskrank sind, dass die sich in einer wahnhaften Form des archaischen Bedrohungszustandes der eigenen Herde durch Fremde oder Angreifer befinden und eigentlich nicht mehr geschäftsfähig sind.
Social Media bringen dann das Problem mit sich, dass sie die „Feinde” (oder was man eben darunter wahrnimmt) nicht nur omnipräsent machen, zu jeder Uhrzeit, an jedem Ort, nicht weil sie einen verfolgen, sondern weil man das Handy, in dem die alle drinstecken, ständig mit sich herumschleppt.
Womöglich ist genau das das Problem der Social Media, dass man keinen Rückzugsort, kein sicheres Zuhause mehr hat, weil man diese virtuell-symbolischen Angreifer ständig mit sich herumschleppt, also in einer Dauerbedrohung ist, obwohl man das Ding einfach ausschalten könnte.
Ich hatte mal über den parasozialen Effekt geschrieben, mit dem Nachrichtensprecher, Schauspieler, Prominente einen höheren Glaubwürdigkeitswert erreichen, selbst wenn sie doof wie Stroh sind und selbst nie etwas gelernt haben, weil das Fernsehen dafür sorgt, dass die ständig bei uns in der Wohnung sind, beim Abendessen quasi mit am Tisch sitzen. Und deshalb als Teil der Herde/Familie wahrgenommen werden, obwohl es technisch nur ein Bildschirm und ein Lautsprecher ist. Aber sie sind da, man sieht sie, sie reden zu einem, sie erzählen einem Neues und zeigen einem Bilder. Sie werden als hochrangiges Herdenmitglied eingestuft, gar als Verwandter, obwohl man mit ihnen eigentlich gar nichts zu tun hat.
Fernsehen ist sozial gefährlich, weil es das Sozialverhalten austrickst. Ähnliches hatte ich mal über Rauchen und andere Drogen beschrieben, die das auf chemischem Wege tun.
Die Frage ist, ob das nicht auch umgekehrt funktioniert. Ob man sich damit also nicht nur den nahen Verwandten „Promi” in die Wohnung holt, sondern auch den Gegner, den Angreifer. Ob man sich dadurch die Dauerpräsenz feindlicher Existenzen in der eigenen Wohnung, selbst bei Nacht, einhandelt, samt der psychischen Folgen ständiger Bedrohungszustände (auch wenn nur eingebildet oder gefühlt), die Abwesenheit eines sicheren Zuhauses.
Ich hatte mal darüber geschrieben, dass viele Feministinnen psychisch schwer krank und depressiv geworden sind und sich nicht mehr aus dem Haus trauen, sich völlig da einschließen, weil sie entsetzliche Angst davor haben, dass ihnen da draußen jemand auf den Hintern guckt oder nachpfeift oder sowas. Schlimmer noch: Sie attraktiv finden könnte. Katastrophe. Die bleiben in der Bude und haben nur noch Angst.
Was dann aber, wenn diese bösen Menschen auf dem Weg der Social Media den Weg in die Wohnung finden, immer da sind (weil man ihnen „folgt”, weil man seinen Angreifer förmlich abonniert)? Wann immer man (auf den Bildschirm) schaut, immer sind sie da.
Kann es vielleicht sein, dass Social Media in der Wohnung und Freizeit deshalb nicht nur psychisch krank machen, sondern sich das gegenseitig hochschaukelt, je feministischer/linker man wird, desto mehr Feinde sieht man und so weiter? Bis in den völligen Verfolgungswahn?
Kommt daher vielleicht auch dieser wahnhafte Zwang, alles auch sprachlich zu vereinheitlichen, alles gleich, alle Menschen gleich machen, weil man hofft, darin etwas Ruhe zu finden, weil nirgends mehr ein Merkmal sein könnte, dass die wundgescheuerte Amygdala reizen und Bedrohungszustände hervorrufen könnte?
Thema von früher: Sind „Safe Spaces” solche Zuhause-Prothesen, in denen man hofft, endlich mal 10 Minuten nicht in die Amygdala gebissen und sich ohne Feindespräsenz fühlen zu können? Deshalb Knete zum spielen und Kätzchen- und Welpenbilder an der Wand, weil die Kindheit der letzte Zustand war, in dem man sich sicher fühlte, und dann meint, dass das wieder käme, wenn man sich wieder wie ein kleines Kind benimmt?
Ich habe auch unter den Journalisten eine Menge Leute beobachtet, die ich – so als Laie – mit dieser Verfolgungswahnkrankheit diagnostizieren würde. Antifa als pathologischer Geisteszustand.
Kurios, dass sich nun ausgerechnet die Presse über einen epidemischen Ausbruch dieses Wahnes beklagt.
Bei Viren und Bakterien kennt man Ausbreitungswege wie Tröpfchen, Berührung, Blut und so weiter. Vielleicht sind Social Media das Ausbreitungsmedium für psychische Erkrankungen.
Vielleicht brauchen wir Entzugskliniken für Social Media.
Was ich mich nun frage: Fällt Klimahysterie auch darunter?