Hat die Presse überhaupt einen Anspruch auf „Pressefreiheit”?
Gestern war „Tag der Pressefreiheit” – Man hätte es besser „Tag des dummen Geredes” genannt.
Ach, was hat die Pressemeute gestern wieder zum „Tag der Pressefreiheit” gezetert. Googelt Euch mal durch.
Erstaunlicherweise scheinen gerade die, die am lautesten danach schreien, nicht zu wissen, was Pressefreiheit ist. Denn nur umgangssprachlich ist Pressefreiheit die Freiheit zu drucken, was man will.
Verfassungsrechtlich ist „Pressefreiheit” aber etwas anderes: Nämlich ein Auskunftsanspruch, das Recht zu recherchieren. Deshalb heißt das auch „Pressefreiheit”, weil es ein Privileg derer ist, die als Presse tätig werden. Das hat nicht jeder. Und weil die Frage, wer das wann eigentlich macht, nicht ganz einfach ist und man verfassungsrechtlichen Gefechten aus dem Weg gehen wollte, hat man für Rundfunk und Telemedien wegen der Formulierung von Art. 5 GG und weil man sie nicht als Presse bezeichnen wollte, presserechtsgleiche oder -ähnliche Auskunftsrechte im Rundfunkstaatsvertrag normiert (§§ 9a, 55).
Pressefreiheit ist ein Auskunftsrecht, das nicht jedem zusteht. Man hat es, wenn man gewisse Eigenschaften hat oder Anforderungen an seine generelle Tätigkeit erfüllt.
Zu drucken, was man will, ist dagegen Meinungsfreiheit.
Zur Klärung:
Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Äußern und Verbreiten ist Meinungsfreiheit.
Was genau Pressefreiheit ist, findet man nicht so klar im Grundgesetz, sondern in der Verfassungsrechtsprechung und -kommentierung, aber es steht hier in Verbindung mit Berichterstattung, hat also erst einmal damit zu tun, hinzugehen und Kamera und Mikrofon draufzuhalten. Dementsprechend wird in der Rechtsprechung unter Pressefreiheit das Auskunftsrecht und nicht das Schreiben und Drucken verstanden, und deshalb steht in den Pressegesetzen der Länder, wer wem wie Auskunft zu erteilen hat. Das Recht, etwas zu drucken, wird regelmäßig nicht nach Presse-, sondern nach Meinungsfreiheit beurteilt.
Erstaunlicherweise reden viele von denen, die von der Presse laut Pressefreiheit schreien, dabei von Meinungsfreiheit. Entweder, weil sie es nicht besser wissen, oder weil sie es absichtlich falsch sagen. Zum einen, weil sich „Pressefreiheit” wichtiger und tragender anhört, während man ja unter „Meinungsfreiheit” gerne an beliebiges dummes Gefasel denkt, das Recht dummes Zeug daherzureden. Die Presse selbst ist ja gerne dabei, „Meinungsfreiheit” gar nicht so hoch zu schätzen und eher despektierlich anzusehen. Die Sprechweise ist ja, dass „Pressefreiheit” die Tätigkeit edelster Menschen bezeichnet, uns mit Wahrheit und Erkenntnis zu erleuchten, während „Meinungsfreiheit” die eklige, teerklebende Pestilenz ist, deretwegen man auch das gemeine Volk reden und selbst „Rechte” demonstrieren lassen müsste.
Zum zweiten, weil bekanntlich Redefreiheit eben „jedem” zusteht, man sich selbst aber für eine privilegierte Elite hält und man deshalb rhetorisch lieber das Recht verwendet, das eben nur einem gewissen kleinen Personenkreis zusteht, um sich elitär zu geben. Weil man gerne so tut, als sei man etwas besonderes und nicht nur gemeines Volk. Man will sich nicht mit dem Pöbel auf eine Stufe stellen.
Sichtweise der Presse also pseudoaristokratisch:
- Pressefreiheit ist das Recht privilegierter Edler und etwas Gutes. Der Edle hat sie.
- Meinungsfreiheit ist das widerliche populistische Gesülze des Pöbels, und es zeichnet den Edlen aus, sie trotzdem zu gewähren. Der Edle gewährt sie.
Kurioserweise sieht das die Rechtsprechung anders als die Edlen. Denn als ein wesentliches Kriterium dafür, was eigentlich Presse ist, wird angesehen, dass man meinungsbildend tätig ist. Oder vereinfacht gesagt: Meinungsfreiheit bezieht sich auf die eigene Meinung. Presse ist eher ein Meinungsfindungshelfer anderer. Und deshalb geht es da gar nicht so darum, was man schreibt, sondern zunächst mal, dass man damit quasi – salopp formuliert – als Vertreter der Meinungsbildenden überhaupt Auskunft einholt und darüber – sachlich, neutral – berichtet. Es dann zu werten und zu kommentieren ist Graubereich, aber eigentlich nicht mehr Pressefreiheit.
(Was übrigens das gar nicht einfache Problem aufwirft, ob Sportjournalisten, die nur von Sportereignissen berichten, oder „Wissenschaftsjournalisten” überhaupt Presse sind.)
Pressefreiheit ist, Auskunft darüber zu verlangen, was Minister X gestern in Land Y gemacht hat. Meinungsfreiheit ist, darüber zu schreiben, was man davon hält. Der reine Bericht darüber, dass Minister X gestern in Y war, ist so ein Graubereich, das ist nicht einfach nach Presse- oder Meinungsfreiheit zu unterscheiden.
Vieles von dem, worüber die Presse gestern zum Tag der Pressefreiheit zeterte, ist aber eindeutig Meinungsfreiheit.
Und die will man eben nicht verteidigen, weil man sich innerhalb der Presse gegenseitig kontrolliert und aufs Maul haut, man da also steuern kann, dass nur das politisch Korrekte geschützt wird, während man sich mit Meinungsfreiheit ja für die einsetzen würde, von denen man lieber hätte, dass sie das Maul halten.
Tag der Pressefreiheit ist also von vornherein Fake und faul.
Ich will aber auf etwas anderes hinaus.
Es geht beim Schreiben und Drucken eigentlich um Meinungsfreiheit. Schauen wir nochmal in Artikel 5:
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten…
Seine Meinung.
Während bei der Pressefreiheit kaum gesagt wird, was es inhaltlich ist, gibt es eine (diffuse) Abgrenzung des Kreises der Berechtigten.
Bei der Meinungsfreiheit dagegen ist klar gesagt, dass sie jeder hat, sie aber dafür inhaltlich abgegrenzt ist: Es muss erstens eine Meinung sein, und nicht einfach irgendwas. Und es muss zweitens die eigene Meinung sein.
Das muss man sich klar machen: Meinungsfreiheit ist nicht die Freiheit, Beliebiges oder die Meinung anderer Leute zu verbreiten.
Man kann zwar sehr wohl den Standpunkt vertreten, dass man auch das dürfen müsse, aber darin verletzt zu werden, ist eben keine Verletzung der Meinungsfreiheit. Das Recht wirkt erst, wenn es um die eigene Meinung geht. Doppelte Anforderung: Es muss Meinung sein, und es muss die eigene sein.
Ist es also überhaupt verfassungsrechtlich als Presse- oder Meinungsfreiheit geschützt, wenn man
- Agenturmeldungen, also Texte Dritter, einfach durchreicht,
- Meldungen von Software oder automatischen Übersetzern erstellen lässte, da also keiner damit beschäftigt ist, vor sich hinzumeinen,
- das zu schreiben, was andere von ihnen verlangen, ob nun Arbeitgeber, Politik, Mainstream-Erpressung?
Fällt das überhaupt noch unter Meinungs- und Pressefreiheit? Ist diese Tätigkeit überhaupt noch von den verfassungsrechtlich geschützten Ansprüchen abgedeckt?
Ich persönlich fand, um da mal meine Meinungsfreiheit zu gebrauchen, das gestrige Pressegesülze zum Tag der Meinungsfreiheit mal wieder pressetypisch niveau- und substanzlos. Dummes Gerede.