Ansichten eines Informatikers

CDU-Politiker fordert “Vermummungsverbot im Internet”

Hadmut
14.11.2010 15:22

Die übliche Doppelmoral der CDU. Mit Nachtrag über die Internet-Enquete-Kommission des Bundestages.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel E. Fischer hat laut Heise ein Verbot der Phantasienamen in politischen Foren gefordert. Für den demokratischen Entscheidungsprozess sei es wesentlich, “dass man mit offenem Visier kämpft, also seinen Klarnamen nennt”, sagte Fischer.

So ganz unrecht hat er damit nicht. Ähnliches geht mir ja auch immer durch den Kopf, wenn ich hier wieder mal Pöbel-Kommentare in meinem Blog bekomme.

Es gibt zwar im Internet so eine Grundideologie, daß man immer und überall anonym oder pseudonym auftreten können muß. Und dafür gibt es durchaus auch triftige Gründe, weil alles, was man schreibt, gleich dauert und weltweit lesbar und – schlimmer noch – auffindbar ist. In einer Welt, in der man immer stärker nach einzelnen Äußerungen beurteilt wird (ich merke das ja auch, wenn Leute kommen, die sich aus 700 Seiten Doku einen einzelnen Satz herauspicken, der ihnen nicht gefällt, um den dann als Totschlagargument anzubringen.) Insofern ist es in unserer Gesellschaft sehr gefährlich, unter Klartextnamen aufzutreten, und ob man dann mal wegen einer unbedachten Äußerung auf irgendeine Sperrliste gerät und am Flughafen festgehalten wird oder nicht mehr fliegen darf, zeigt sich, wo die Probleme sind.

Insofern ist es schon dubios, wenn ausgerechnet die CDU, die es mit dem internationalen Datenschutz und dem Internet-Recht ja nicht so besonders hat, jetzt plötzlich auf diese Masche kommt.

Noch fragwürdiger ist (für mich), daß ausgerchnet ein CDU-Abgeordneter aus Karlsruhe solche Forderungen stellt, denn gerade da habe ich ja – der regelmäßige Leser meiner Blogs weiß es – ganz schlechte Erfahrungen mit der Uni und deren Auffassung von Fernmeldegeheimnis gemacht, und gerade dort hat sich gezeigt, daß Karrieren (Professor, Rektor usw.) extrem oberflächlich und nach Kriterien wie ob einer das Maul hält und mitmacht vergeben werden. Und diese extrem korrupten Zustände an der Uni Karlsruhe sind ja kein Zufall, sondern von der CDU so gezüchtet. Insofern ist es eher ein Zeichen von tieferem Ausbau solcher Korruption, wenn ausgerechnet ein CDU-Politiker so etwas fordert. [Nachtrag: Fischer selbst ist Vorsitzender der Internet-Enquete-Kommission, also gerade der, die selbst den Namen ihres Sachverständigen mit dem Pseudonym „padeluun” verheimlicht. Da kann man sehen, wie die mit zweierlei Maß messen.]

Und nachdem es auch gerade die CDU ist, die an der Manipulation und Gleichschaltung der Presse arbeitet, hat der Whistleblower immer höhere Bedeutung in unserer Gesellschaft, gerade im Kampf gegen Korruption. Das will man offenbar bekämpfen um die volle Lufthoheit über die öffentliche Meinung zu erringen.

Und der allergrößte Kracher ist, daß der Bundestag selbst nicht einmal die Namen seiner Sachverständigen offenlegen will. Der Bürger soll also seine eigene Meinung in einem Forum mit dem Personalausweis authentifizieren und seinen Namen offenlegen, während der Bundestag selbst nicht bereit ist, die Namen seiner eigenen Sachverständigen offenzulegen.

Höchst dubios und fragwürdig also. Verlogener geht’s eigentlich kaum.

Dummerweise ist die Gegenpartei, die der Vertreter der Anomymität im Internet, aber auch nicht weniger unseriös.

Objektiv muß man nämlich sagen, daß der Mißbrauch der Anonymität größer als deren Nutzen ist. Wer selbst ein Blog (wie dieses hier) betreibt, merkt bald, daß es eine Menge Leute gibt, die wie Heckenschützen aus der sicheren Deckung der Anonymität mit Dreck, Verleumdung, Beschimpfung, fiesen Pseudoargumenten und sowas werfen. Man muß objektiv sagen, daß diese Kultur der Anonymität und damit der Verantwortungslosigkeit in den Köpfen und Charakteren viel kaputt gemacht und Leute von dreckigster Gesinnung hervorgebracht hat. Dahinter steht eine ähnliche Geisteshaltung wie hinter den vermummten Chaoten, die bei Demos randalieren. Da hat sich eine intellektlose Unterschicht gebildet, die der Teilnahme am Meinungsbildungsprozess eigentlich nicht mehr würdig ist, und nur noch stört. Dazu kommen Trolle und die bewußte kommerzielle Desinformation, neudeutsch auch als Astroturfing bekannt.

Insofern gibt es gute Gründe dafür und dagegen. Die Lösung zu finden, ist nicht trivial.

Ich sehe die Frage nach Anonymität (auch aus Sicht der IT-Security und aus einer persönlichen Überzeugung heraus) schon seit vielen Jahren deshalb anders. Was beide Seiten (insbesondere die Befürworter der Anonymität) nämlich übersehen ist der Umstand, daß zu einer Kommunikation immer – mindestens – zweie gehören, und daß beide daran Rechte haben, nicht nur der Sender. Und daß man den anderen auch nicht zwingen kann, ihm zuzuhören.

Das Recht auf Anonymität muß daher immer mit dem Recht des anderen korrespondieren, nicht mit Anonymen korrespondieren zu müssen.

Die Folge daraus muß sein, daß weder die CDU noch der Sender darüber entscheiden, ob Anonymität erlaubt ist oder nicht, sondern der Empfänger.

Und deshalb halte ich es hier mit meiner Kommentarpolicy auch genauso, nämlich daß meine Qualitätsanforderungen an Kommentare umso höher sind, je anonymer der Sender auftritt. Wer nützliche, nachprüfbare oder wenigstens plausible Kommentare liefert, ist auch anonym gern willkommen. Aber je schlechter, nutzloser, beleidigender der Kommentar ist, desto weniger bin ich bereit, Anonymität zu akzeptieren.

Das kuriose ist, daß der CDU-Politiker deshalb eigentlich danebenliegt, daß aber gerade die, die die Anonymität ge- und mißbrauchen, seinen Standpunkt stützen.

Den Bundestag selbst kann man aber sowieso nicht mehr ernst nehmen, solange die damit nicht erst einmal bei sich selbst anfangen.

10 Kommentare (RSS-Feed)

rjb
15.11.2010 10:43
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Laut dem Heise-Artikel ist in der merkwürdigen Vorstellungswelt dieses Abgeordneten “der neue Personalausweis eine “ideale Möglichkeit, sich im Internet zu identifizieren””. Damit sich Benutzer bei einem Forum in dieser Weise identifizieren könnten, benötigt der Forenbetreiber ein Berechtigungszertifikat und muß die nötige Infrastruktur, nämlich einen “eID-Server” vorhalten oder von einem Dienstleister vorhalten lassen. Und es sollte ein kurzer Blick in die einschlägige Richtlinie
BSI TR-03130 genügen, um festzustellen, daß das nicht mit einem Aldi-PC in der Besenkammer zu machen ist. Ich weiß nicht, wieviel das effektiv kostet, aber billig dürfte etwas anderes sein. Hinzu kommt, daß der Forenbetreiber den Antrag für das Berechtigungszertifikat mit “Ihre[r] Erklärung zum Datenschutz und Datensicherheit”
und “eine[m] Nachweis der Erforderlichkeit der Datenfelder nach §18 Abs.3 PAuswG” verzieren muß. Cf.
http://www.personalausweisportal.de/cln_102/DE/Partner-werden/Anbieter/artikel.html?nn=830464

Abgesehen von der Frage, ob für den Betrieb eines Forums überhaupt eine solche Erforderlichkeit gesehen wird, ist das ein Aufwand, der für private Forenbetreiber prohibitiv sein dürfte. Außerdem stellt das Ansinnen eine Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung dar. Und da viele Meinungsäußerungen außerhalb des Internets ohne ein solches “Vermummungsverbot” stattfinden (weder kann eine Zeitungsredaktion überprüfen, ob der papierene Leserbrief tatsächlich vom angegebenen Absender stammt, noch ist das bei Anrufsendungen im Rundfunk möglich), ist es schwer einzusehen, weshalb das “im Internet” anders sein sollte – obwohl aufgrund des relativ geringen Aufwandes Spammerei und Trollerei in letzterem sicherlich umfangreicher stattfindet.

Ich erinnere mich aber z.B. daran, daß die Eltern aus Bayern, die seinerzeit beim BVerfG das “Kruzifixurteil” erstritten hatten, anschließend Polizeischutz brauchten, weil sie erst einmal jeden Tag einen Sack voll papierene Haßpost abbekamen. Das geht auch ganz ohne Internet. Apropos Eltern und Schule: Man stelle sich ein Forum vor, in dem Leute über Schulprobleme ihrer Kinder diskutieren. Auch wenn es sich dabei nicht direkt um intime Geheimnisse handelt, sollte eigentlich nachvollziehbar sein, daß diese Leute nicht unbedingt von Lehreren der betreffenden Schule auf die ganz einfache Art identifiziert werden wollen. Nur mal als Beispiel, dem sich problemlos weitere anfügen ließen – daß der Abgeordnete Fischer einerseits von einem “Radiergummi” träumt, davon also, Inhalte nach Ablauf einer Frist aus dem Internet zu entfernen, andererseits aber die zwangsweise Identifizierbarkeit der Urheber dieser Inhalte verlangt, ist nun auch leicht widersprüchlich.

Summa summarum komme ich zu dem Resultat, daß dieser Abgeordnete nicht nur für die Materie, in der er als “Fachpolitiker” fungiert, offenkundig keinerlei Ahnung hat, sondern daß seine Einlassungen schon auf rein logischer Ebene sehr befremdlich anmuten.


Bob
15.11.2010 11:34
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Also ich trete hier z.B. unter Pseudonym auf, da ich eine wissenschaftliche Karriere noch nicht ausschliessen kann und bei Artikeln in diesem Blog schreiben kann, ohne mir Sorgen machen zu müssen, ob das hinterher gegen mich verwendet werden könnte.


Daß besonders die CDU eine Dummspackentruppe ist, das ist bekannt.

Was will derjenige, der die Identität fordert? Er will sich bei Lust und Laune rächen können. Kann jemand einen anderen Grund nennen? Ich warte!

Weißt Du, was eine Zeigerart ist?
http://de.wikipedia.org/wiki/Bioindikator

Solch ein Indikatororganismus ist der Troll, der Poster unter Pseudonym, der Spamer, der Pöbler in Deinem Blog, die Laus in Deinem Pelz, …

Wo sich diese Tierchen herumtreiben, wo beleidigt und gepöbel wird, da werde ich mich wohl fühlen und da werde ich bleiben, denn da herrscht Meinungsfreiheit, die Grundlage jeder lebenswerten Gesellschaft.

Carsten

“Öffentliche Foren ziehen kindische, verhaltensgestörte Individuen
schneller an als eine 100 Watt Birne Insekten an einem ruhigen
Sommerabend.”
John Walker 20.02.2004


moni
15.11.2010 14:08
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Zur Anonymität muss ich sagen: ich finde sie schon deswegen gut, weil man hier auch sein Geschlecht wechseln kann oder anders gesagt: man kann Geschlecht obsolet machen. Im Abstrakten finde ich das deswegen positiv, weil man so, ich sag mal “Alltags-Bewertungs-Kriterien” ausschließne kann und so (evtl.) zu besseren Diskussionen kommen kann. Als Freundin der Schrift will ich aber auch hinzufügen, dass die “Personenstandsmoral” (Name angeben, Wichtigkeit des Namens des Autors usw.) ein technokratischer Mechanismus ist (heute) und diese Technokratie soll uns beim Schreiben gefälligst in Ruhe lassen, da sie uns schon sonst überall belästigt und hin verfolgt.

Und dann noch die Frage: woher kommt denn der Begriff “Astroturfing”? Habe ich noch nie gelesen!

– Wer etwas denken will, findet Wege, wer etwas nicht denken will, findet Gründe –


yasar
15.11.2010 15:07
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@moni

Mit Wikipedia bekommt man zumindest einen Einstieg, google hilft dann bei weiterem Suchen:

https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/Astroturfing


Andere Apekte, ausgegraben von Twister:
http://www.heise.de/tp/blogs/5/148754

Bin ich der einzige Depp hier, der seinen Namen nennt?

Carsten

On the internet nobody knows, you’re a dog.


yasar
16.11.2010 11:27
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@Carsten

Nee, ich bin auch so einer. Und ich bin sogar ohne Nennung meines Nachnahmens eindeutig identifizierbar, wenn man man meine Kommentare auswertet. (Hadmut weiß eh genau, wer ich bin).


VODAN
16.11.2010 11:27
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Ich hatte mal einen IHK-Ausbilder kennengelernt, der mir aufgrund meiner Frisur (= Glatze) meinte, mir ständig mit rechtspopulistischem Zeugs das Ohr abzukauen, und auch mal in eine einem echten SA-Braunhemd in die Firma kam. Die meisten hatten es nichtmal als solches identifizieren können, weil viele davon keine Ahnung mehr haben. Als ich ihm sagte, er solle seine rechte Anwerbung doch mal unterlassen und er könne diese Phrasen doch bitte für seine Kameradschaftsabende oder seine rechten parteitreffen aufsparen, erwiderte er zutieffst angegriffen, dass er in keiner dieser Parteien wäre. Als ich nachfragte bekam ich zu hören: “Ich bin in der CDU! In keiner deutschen Partei kann man offener und vom Verfassungsschutz unbehelligt seine patriotische Ansichten ausleben, wie in der CDU!”. Das ist ca. 12 Jahre her, damals saß er für die CDU im Stadtrat. Seither achtete ich mal auf die Werbe-/Wahlkampf-Slogans von CDU, CSU, NPD, REPs etc…und habe seither auch nicht mehr CDU gewählt!

Wie schwer es unsere Politiker mit der offenen Ehrlichkeit haben, bzw. das “Gesicht zu zeigen” ist doch schon seit dem Gesetz zur Offenlegung von Nebeneinkünften bekannt! (siehe auch: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,492875,00.html)

Was meinen Nick anbetrifft sind es schlicht meine Initialen und ist in wenigen Sekunden über das amerikanische Internet-Kontrollorgan Google herauszufinden…sich im Internet einen Spitznamen zuzulegen hat aber auch, gerade im Chat-Bereich, durchaus praktische Gründe. Ich kann daher die Gleichstellung von einem anonymen Internet-Nick mit vermummten Demo-Aggressoren überhaupt nicht nachvollziehen…aber wenn wir schon dabei sind, alle persönlichkeitsverfremdenden Dinge abzuschaffen, dann geht es sicherlich bei Internet-Nicks los und müsste sich fortführen in einer Kontrolle, dass alle Internet-Pics authorisiert sind (und man weis, das der abgebildete wirklich dieser jemand ist), ein Verbot von Burkhas genauso wie von Nonnengewändern und damit einhergehend jegliche Uniformierung, denn das Wort sagt es ja bereits: es macht Menschen uniform, bringt sie in eine gleiche Form und damit verwechselbar…also Militär, McDonalds, UPS…betroffen wären auch Toupet-/Perücken-Träger, denn ein wechselndes Toupet, beispielsweise noch klassisch mit aufgeklebtem Bart und Brille, ist eine traditionelle Verkleidung…Karneval müsste komplett abgeschafft werden (womit ich auch kein problem hätte), aber was lässt sich da über mehrere Wochen unter “lustiger Verkleidung” alles subversives treiben…:!?!?!??!

Und selbst dann wird es der Mensch immer schaffen, sich einer totalen Kontrolle zu entziehen!


Matthias
18.11.2010 12:24
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Herzlichen Glückwunsch, Hadmut. Einer deiner Einträge zu “padeluun” und der aktuellen “Vermummungsverbot”-Geschichte wurde in der Printausgabe der FAZ auf Seite 41 veröffentlicht.


Saskia Schwartz
18.11.2010 16:31
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Auch von mir herzlichen Glückwunsch!