Ansichten eines Informatikers

Der Datenschutzmurks der Juristen

Hadmut
21.10.2019 1:39

Mal eine einfache Frage:

Die Sache ist die. Mich schrieb heute einer an, der einen gefragt habe, der sich mit sowas auskenne, weil nämlich SAP- und SEO-Berater und Volljurist (wenn’s schon so anfängt…), und der meine Auffassung für nicht richtig hält (was auf Gegenseitigkeit beruht), dessen an mich weitergeleitete Äußerungen ich hier nicht wörtlich wiedergeben kann, weil es eben eine Privatmail zwischen dem Leser und dem Juristen über mich war, die der Leser mir zur Kenntnis gab.

Er meint, dass meine Auffassung, dass irgendwelche Dinge in Gerichtssälen ohne Vorwarnung entschieden würden (wie jetzt beim EuGH) und dann ohne Frist sofort gälten, falsch wäre, weil doch die edlen Gesetze vorher endlos diskutiert würden und auch ich (nennt mich beim Namen) über Jahre dazu aufgerufen war, dazu Stellung zu nehmen.

Obwohl man sich dazu ja irgendwo äußern konnte und ich das auch getan habe, und ich – immerhin auch in eine Datenschutzorganisation eingebunden – schon ab etwa ein Jahr vor Inkrafttreten der DSGVO damit befasst und vorbereitet war, weil es jede Menge Dinge darauf vorzubereiten galt, war das Ding nach Meinung vieler hauptberuflicher Datenschützer in ganz vielen Aspekten völlig unklar, und es bestand bei allen Leuten, mit denen ich zu tun hatte, und in vielen Publikationen die Überzeugung, dass viele Regelungen einfach so schwammig sind, dass sie nichts mehr aussagen (von der Lobby zerkocht) und man abwarten müsse, was die Gerichte daraus machen. Wozu dient etwas der ganze Einverständniskram, wenn dann doch wieder drinsteht, dass das alles auch mit einem berechtigten Interesse geht, aber keiner weiß, was es ist?

Zu jeder Frage ist immer der erste, der vor Gericht landet, der Dumme, weil der erst aus dem Urteil erfährt, was geltendes Recht sein soll und das nulla poena sine lege da einfach nicht mehr gilt.

Und dass die DSGVO meilenweit von einem präzisen Gesetz entfernt ist (und deshalb mangels Regelungsdichte eigentlich gar kein Gesetz sein kann, weil sie faktisch die Gesetzgebungskompetenz an die Rechtsprechung delegiert) sieht man auch daran, dass zwar eigentlich in der ganzen EU überall dasselbe Gesetz mit demselben Text gelten soll, die DSGVO aber völlig unterschiedlich ausgelegt wird. In manchen Ländern ist sie fast bedeutungslos und knapp über nichtexistent, und in keinem Land wird sie so überzogen ausgelegt wie bei uns. Weil wir halt so viele Juristen und Berater haben, die ernährt werden müssen und vom Abmahnen leben. Abmahnen gibt es ja so auch nicht überall, und in Deutschland gilt schon lange nicht mehr als Recht, was nach Gesetz erlaubt oder verboten ist, sondern wofür man abgemahnt werden kann oder nicht. Ich habe mal einen Fall erlebt, wo sich die Richter gar nicht mehr an Gesetze oder Verfassung hielten, sondern nur noch „Persönlichkeitsrecht!” riefen und sich den Rest dann einfach willkürlich frei ausdachten. Widersprechende BGH- und Verfassungsurteile interessierten die erst gar nicht.

Ich täte so, als habe der EuGH sich das aus den Finger gesogen, was nicht vorher schon drinstand.

Warum waren dann so viele von der EuGH-Entscheidung so überrascht und haben sich daran dann neu ausgerichtet?

Wer hört auf mich?

Ich finde das erstaunlich, wenn ein Jurist meint, ich hätte mich doch dazu äußern können.

Oh, geäußert habe ich mich zu vielem, was mit Gesetzen zu tun hat. 1997 Kryptoverbot im Bundestag. 1998 Gutachten für den Bundestag. Anfang der 2000er zu Spam und Mailfiltern im Bundestag. Und vor der Trade Commision und Abgeordneten in Washington DC. 2009 Kinderpornosperre im Familienministerium und BKA. Auch 2009 Vorratsdatenspeicherung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht. Neulich zu Artikel 13 Urheberrecht im Berliner Abgeordnetenhaus. Zu Datenschutz gegenüber dem Thüringer Landtag.

Nur: Bestenfalls hat man mich ignoriert, zwei der Fälle haben mir richtig Ärger eingebracht, weil das, was ich gesagt habe, zwar technisch richtig und beweisbar war, aber nicht das, was man politisch gerne hören wollte.

Auf mich gehört im Sinne von Befolgen, was ich gesagt habe, hat man eigentlich immer nur im Zivilen. Firmen, für die ich gearbeitet oder die ich beraten oder ans Internet angeschlossen habe. Kernkraftwerk. Kliniken. Industrieunternehmen. Polizei. Manchmal sogar Richter, Staatsanwälte, Polizisten, wenn sie in Fällen entschieden haben, die nicht meine persönlichen waren.

Aber Gesetzgeber haben noch nie auf mich gehört. Deutsche. Die Abgeordneten in Washington DC haben schon auf mich gehört, aber da habe ich nicht so viel gesagt, dass es da großen Einfluss hätte haben können.

Und dann kommt mir so ein Jurist daher und meint, ich hätte ja vorher was dazu sagen können.

Ganz bestimmt. Weil ausgerechnet die EU ihre Gesetzesvorhaben ändert, weil Hadmut Danisch anderer Meinung ist.

Erinnern wir uns mal an Artikel 13. Den CDU-Politiker Axel Voss. Dem haben nun wirklich alle gesagt, dass es eine dumme Schnapsidee ist, was den aber immer noch nur weiter bestärkt hat, der immer ignoranter wurde. Und sich hinterher dann beschwert hat, wie viele in welch rüdem Ton ihm Vorwürfe gemacht haben, anstatt mal zu merken, dass er gar nichts mehr kapiert, wenn man ihm das sagt. Hat selbst keine Ahnung, aber hält sich für den einzig Schlauen. Ein Geisterfahrer? Hunderte, hunderte!

Wie will man solchen Leuten noch etwas sagen?

Die DSGVO wurde vor allem von den Grünen getrieben.

Glaubt hier irgendwer im Ernst, die Grünen, ausgerechnet die Grünen, würden auf mich, ausgerechnet mich, hören?

Die, die mich da über ihre Böllstiftung auf Steckbrieflisten führten?

Wie weit neben der Schiene muss man fahren, um so zu argumentieren, dass ich es versäumt hätte, mich rechtzeitig über die DSGVO zu beschweren, weil die sie ja dann geändert hätten, wenn ich gekommen wäre und gesagt hätte, dass ich davon nichts halte?

Ich bin schuld

Der Ober-Brüller daran ist, dass der Jurist Informatiker im Allgemeinen und mich im Besonderen so hoch wertet, dass die Informatiker und sogar ich persönlich Schuld an der Situation hätte.

Ich hatte doch in einem Blogartikel zu der Problematik, der jenem Juristen offenbar nicht passte, geschrieben, dass man Cookies einsetzt, weil HTTP ein zustandsfreies Protokoll ist, um damit den Zustand (Informatiker-Abstrakt-Sprech: zustandsbasierter Automat) wieder einzuführen. Und da kann ich mir es jetzt doch nicht verkneifen zwei Sätze aus dem Text zu zitieren:

WENN Http ein zustandsfreies Protokoll ist, dann darf man es eben für JURISTISCH RELEVANTE Vorgänge, Einkäufe, Likes etwa, NICHT NUTZEN, sonst macht man sich strafbar, Herr Ober-Informatiker-Schlaugeist Danisch …

Das haben die Informatiker SELBST VERBOCKT, Danisch mittendrin. Hätten sie halt ein http-Protokoll für nicht-juristisch-relevante sachen definieren sollen und ein Jttp (juristisches Text-transfer-Protokoll) für andere Sachen, es gibt ja auch Güterzüge und Personenzüge, Lastenaufzüge und Personenaufzüge – das Prinzip gilt überall.

Informatik durchdringt nur einen Teil der Lebensbereiche, JURA ALLE. Wie das endet, wenn es umgekehrt ist, sieht man an Somalia.

Geht’s noch dümmer?

Ein SAP- und SEO-Berater, der nicht weiß, ob HTTP ein zustandsfreies Protokoll ist?

Ein Jurist, der ernsthaft glaubt, dass es juristisch relevante und nicht relevante Vorgänge im Internet gibt? (Das Internet, das kein rechtsfreier Raum sein darf…)

Der meint, dann dürfe man HTTP eben für solche Vorgänge gar nicht nutzen, keine Einkäufe, keine Likes (auch keine Meinungsäußerung).

Ein „juristisches Text-transfer-Protokoll”.

Als ob man ein weltweites Protokoll für alle Jurisdiktionen bauen könnte. Was am deutschen Recht immer scheitern muss. Beispiel Abstraktionsprinzip im Schuld- und Sachenrecht. Gibt’s so nur in Deutschland, gilt woanders so nicht.

Und als ob man Protokolle bauen könnte, die sich mit dem ständig wandelnden Recht mitändern könnten.

Aber davon abgesehen: Selbst wenn es ein solches JTTP gäbe, würde das überhaupt nichts ändern, weil auch das wieder nur auf Nachrichten beruhen würde, die hin und her gehen. Habe ich 2008 und 2009 schon beschrieben. Derweil haben Juristen und Behörden De-Mail und den ePerson durchversaut.

Ein solches JTTP gibt es aber schon deshalb nicht, weil in Deutschland da auch nichts entwickelt wird. Juristen sind destruktiv, die verbieten und untersagen nur, die bauen nichts. Wir nehmen immer nur das, was der Rest der Welt im Internet baut und nöhlen dann juristisch daran herum, was uns alles nicht in den Kram passt. Und deshalb werden alle drei Staatsgewalten von den Juristen beherrscht, damit auch ja nichts dabei herauskommt, immer nur verbieten, untersagen, unterlassen.

Und jetzt kommt einer daher und meint, die Informatiker wären an diesem Riesen Haufen Legislativscheiße und der digitalvergiftenden Sackgasse schuld. Und ich persönlich. Während er selbst nicht mal verstanden hat, wovon er da redet.

Auf einer der vielen Datenschutz-Veranstaltungen, auf denen ich vor dem und zum Inkrafttreten der DSGVO mal war, sagten selbst hauptberufliche Berufs-Datenschützer, dass sie auch nicht wüssten, wie man das alles umsetzen könne, und dass man vor irgendwelchen Webseitenzugriffen eigentlich vorher erst mal per Post einen normalen Vertrag auf Papier schließen müsste, bevor das überhaupt legal sein könne.

So ähnlich wie Beischlaf. Das muss ja vorher auch mit notariell beglaubigter Einverständniserklärung abgesichert werden.

Die Frage, die ich eigentlich stellen wollte

Beurteilen wir mal die Wirkung grün-juristischer Schaffenskraft.

Wieviele Cookie-Erklärungen auf Webseiten habt Ihr heute weggeklickt?

Wieviele davon habt Ihr gelesen? Und verstanden? Und beachtet?

Ich will es mal so sagen: Ich weiß nicht, wieviele Ihr gelesen habt. Aber mir schrieben viele Leser, dass meine Erklärung die erste war, die sie gelesen hätten.

Und wie oft kommt Ihr auf Webseiten aus Übersee, auf denen erklärt wird, dass ein Zugriff leider nicht geht, wegen DSGVO (englisch GDPR)?

Fazit

Das ganze ist ein großer Haufen durchvermurksten Mistes, der im wesentlichen die Digitalisierung behindert und kaum erkennbaren Nutzen hat, dafür in jedem Land willkürlich anders ausgelegt wird.

Und jetzt kommen die Brüder (naja, der erste) und maulen, die Informatiker, auf die man nie gehört hat, wären an allem Schuld, weil sie versäumt hätten, sich rechtzeitig zu beschwerden, und den Juristen ein JTTP zu bauen, von dem sie auch nicht wissen, was es sein soll, aber ein J wäre ja drin.

In wievielen Sprachen der Welt fängt das Juristische eigentlich noch mit J an? Auf Englisch heißt es legal. Mit L. Wer es JTTP nennt, hat schon das grundsätzliche Problem nicht verstanden.

Man dürfte HTTP eben für nichts rechtlich relevantes verwenden, keine Einkäufe, keine Likes, keine Vorgänge.

Und da will Deutschland in Sachen Digitalisierung „wieder führend” werden – als ob wir das nach Konrad Zuse jemals nochmal gewesen wären.

Es wäre ein Wunder, wenn wir in 10 Jahren überhaupt noch Internet haben. Was die Stromausfälle nicht erledigen, erledigen die Grünen und die Juristen.

Der Tiefenwitz

Ich hatte ja geschrieben, dass sowas eigentlich in die Browserfunktion eingebaut werden müsste. Der hat es nicht verstanden und kommt mit JTTP daher.

Es ist unglaublich, wie schwer sich Juristen mit dem Internet tun, während sie gleichzeitig meinen, sie hätten die Entscheidungskompetenz über alles.

„Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein!”

Sagen wir es so: Ohne Juristen ginge es dem Internet in vielerlei Hinsicht deutlich besser.