Das Bundesverfassungsgericht
hat heute entschieden, dass Hartz IV-Sanktionen nur in eng begrenztem Umfang durchgeführt werden dürfen. Sie seien zwar nicht gänzlich verboten, weil das Grundgesetz kein bedingungsloses Grundeinkommen vorschreibt (so wurde es vorhin im ZDF beschrieben), aber sie dürfen nicht zu tief gehen und nicht zu lange und noch irgendwas.
Dabei gebe es eine Besonderheit. Das Gericht habe nämlich nicht wie sonst dem Gesetzgeber eine Frist gesetzt, das Gesetz anzupassen, sondern das gleich selbst mit sofortiger Wirkung ab heute, ab sofort verboten.
Kläger/Beschwerdeführer war angeblich ein seltsamer Yoga-Lehrer.
Was mich da jetzt wieder sehr interessieren würde:
War das überhaupt eine echte Verfassungsbeschwerde oder war der wieder gecastet? Hat sich das Bundesverfassungsgericht mal wieder per Netzwerk und strategischer Prozessführung die Verfassungsbeschwerde schreiben lassen, um die gewünschte Politik betreiben zu können? Dass die ein politischer Entscheidungskörper und kein Verfassungsgericht im eigentlichen Sinne mehr sind, ist bekannt.
Mal wieder außerdemokratische Ersatzregierung?
Denn es erweckt schon den Eindruck, dass das politischer Fake ist. Denn der ganze Asyl-/Flüchtlingsbereich wird ja genauso bezahlt, und wenn man auch da nicht mehr allzusehr sanktionieren darf, wenn einer nicht arbeitet oder sich erst gar nicht mehr meldet. Es gibt das Urteil und die Presseerklärung dazu:
Der Gesetzgeber kann die Inanspruchnahme existenzsichernder Leistungen an den Nachranggrundsatz binden, solche Leistungen also nur dann gewähren, wenn Menschen ihre Existenz nicht selbst sichern können. Er kann erwerbsfähigen Bezieherinnen und Beziehern von Arbeitslosengeld II auch zumutbare Mitwirkungspflichten zur Überwindung der eigenen Bedürftigkeit auferlegen, und darf die Verletzung solcher Pflichten sanktionieren, indem er vorübergehend staatliche Leistungen entzieht. Aufgrund der dadurch entstehenden außerordentlichen Belastung gelten hierfür allerdings strenge Anforderungen der Verhältnismäßigkeit; der sonst weite Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers ist hier beschränkt. Je länger die Regelungen in Kraft sind und der Gesetzgeber damit deren Wirkungen fundiert einschätzen kann, desto weniger darf er sich allein auf Annahmen stützen. Auch muss es den Betroffenen möglich sein, in zumutbarer Weise die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Leistung nach einer Minderung wieder zu erhalten.
Mit dieser Begründung hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute verkündetem Urteil zwar die Höhe einer Leistungsminderung von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs bei Verletzung bestimmter Mitwirkungspflichten nicht beanstandet. Allerdings hat er auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse die Sanktionen für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, soweit die Minderung nach wiederholten Pflichtverletzungen innerhalb eines Jahres die Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs übersteigt oder gar zu einem vollständigen Wegfall der Leistungen führt. Mit dem Grundgesetz unvereinbar sind die Sanktionen zudem, soweit der Regelbedarf bei einer Pflichtverletzung auch im Fall außergewöhnlicher Härten zwingend zu mindern ist und soweit für alle Leistungsminderungen eine starre Dauer von drei Monaten vorgegeben wird. Der Senat hat die Vorschriften mit entsprechenden Maßgaben bis zu einer Neuregelung für weiter anwendbar erklärt.
Das ist seltsam, denn in den heute Nachrichten hat Sarah Tacke das nach meiner Erinnerung vorhin etwas anders dargestellt, nämlich dass das sofort alles beendet würde. Und da steht jetzt „mit entsprechenden Maßgaben bis zu einer Neuregelung für weiter anwendbar erklärt”. Laut Urteil teils, teils, nicht so wie im ZDF dargestellt.
Was aber auch heißt, dass jemand, der wirklich gar nicht mehr kooperiert und keinen Finger mehr krumm macht, immer noch 70% bekommen muss. Kurioserweise 70% von was auch immer. Es wird nicht etwa ein reduziertes Existenzminimum festgelegt.
Im Prinzip wird damit das bedingungslose Grundeinkommen geschaffen, obwohl sie sagen, dass es das ja gerade nicht geben muss. Aus dem Urteil:
Die zu überprüfenden Regelungen zur Ausgestaltung des Grundsicherungsrechts müssen den Anforderungen der grundrechtlichen Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums genügen. Das Grundgesetz garantiert mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch; das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, ein menschenwürdiges Existenzminimum tatsächlich zu sichern. Das Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten hat. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum zu. Bei dessen Ausfüllung hat er auch völkerrechtliche Verpflichtungen zu berücksichtigen (BVerfGE 142, 353 <369 f. Rn. 36> m.w.N.).
Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich auf die unbedingt erforderlichen Mittel als einheitliche Gewährleistung zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>; 132, 134 <172 Rn. 94>; 137, 34 <72 Rn. 75>; 142, 353 <370 Rn. 37>). Die Verankerung des Gewährleistungsrechts im Grundrecht des Art. 1 Abs. 1 GG bedeutet, dass Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung (Art. 1 Abs. 3 GG) den Menschen nicht auf das schiere physische Überleben reduzieren dürfen, sondern mit der Würde mehr als die bloße Existenz und damit auch die soziale Teilhabe als Mitglied der Gesellschaft gewährleistet wird. Es widerspräche dem nicht relativierbaren Gebot der Unantastbarkeit, wenn nur ein Minimum unterhalb dessen gesichert würde, was der Gesetzgeber bereits als Minimum normiert hat; insbesondere lässt sich die Gewährleistung aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG nicht in einen „Kernbereich“ der physischen und einen „Randbereich“ der sozialen Existenz aufspalten.
Grund ist die Würde;
Die den entsprechenden Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen zu, ist dem Grunde nach unverfügbar (vgl. BVerfGE 45, 187 <229>) und geht selbst durch vermeintlich „unwürdiges“ Verhalten nicht verloren (vgl. BVerfGE 87, 209 <228>); sie kann selbst denjenigen nicht abgesprochen werden, denen schwerste Verfehlungen vorzuwerfen sind (vgl. BVerfGE 64, 261 <284>; 72, 105 <115>). Das Sozialstaatsprinzip verlangt staatliche Vor- und Fürsorge auch für jene, die aufgrund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind (vgl. BVerfGE 35, 202 <236>). Diese Verpflichtung zur Sicherung des Existenzminimums ist auch zur Erreichung anderweitiger Ziele nicht zu relativieren (vgl. BVerfGE 132, 134 <173 Rn. 95>).
Von der Würde des Steuerzahlers ist keine Rede. Ob es die Würde verletzt, wenn einer arbeitet und andere auf seine Kosten dasitzen und zuschauen, dazu sagen sie natürlich nichts. Wie hoch Arbeit und damit Aufwendung von Lebenszeit eigentlich besteuert und damit weggenommen werden darf, bis sie die Menschenwürde verletzt.
Und wer nicht arbeiten will, der muss auch nicht:
Das Grundgesetz kennt zwar keine allgemeinen Grundpflichten der Bürgerinnen und Bürger. Insbesondere die Menschenwürde ist ohne Rücksicht auf Eigenschaften und sozialen Status, wie auch ohne Rücksicht auf Leistungen garantiert (vgl. BVerfGE 87, 209 <228>); sie muss nicht erarbeitet werden, sondern steht jedem Menschen aus sich heraus zu. Die eigenständige Existenzsicherung des Menschen ist nicht Bedingung dafür, dass ihm Menschenwürde zukommt; die Voraussetzungen für ein eigenverantwortliches Leben zu schaffen, ist vielmehr Teil des Schutzauftrags des Staates aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Grundgesetz verwehrt dem Gesetzgeber jedoch nicht, die Inanspruchnahme sozialer Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz an den Nachranggrundsatz zu binden, also nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>; 142, 353 <371 Rn. 39>; siehe auch BVerfGE 120, 125 <154 ff.>).
a) Auch der soziale Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen wirkliche Bedürftigkeit vorliegt (BVerfGE 142, 353 <371 Rn. 39>). Eine daran anknüpfende Schonung der begrenzten finanziellen Ressourcen des Staates sichert diesem künftige Gestaltungsmacht gerade auch zur Verwirklichung des sozialen Staatsziels.
Vom Steuerzahler ist keine Rede.
Und wenn einer als Lebensmotto nicht arbeiten will, dann darf er jetzt offiziell auf Kosten anderer leben:
Es gibt keine „Vernunfthoheit“ staatlicher Organe über die Grundrechtsberechtigten (vgl. BVerfGE 142, 313 <339 Rn. 74> m.w.N.); vielmehr fordert das Grundgesetz Respekt vor der autonomen Selbstbestimmung der Einzelnen (vgl. BVerfGE 142, 313 <344 Rn. 86>), ohne den hilflosen Menschen aber einfach sich selbst zu überlassen (vgl. BVerfGE 142, 313 <338 f. Rn. 73>). Art. 1 Abs. 1 GG schützt die Würde des Menschen, wie er sich in seiner Individualität selbst begreift und seiner selbst bewusst ist (BVerfGE 49, 286 <298>). Das schließt Mitwirkungspflichten aus, die auf eine staatliche Bevormundung oder Versuche der „Besserung“ gerichtet sind (vgl. BVerfGE 128, 282 <308>; zur historischen Entwicklung oben Rn. 5, 7).
c) Mitwirkungspflichten beschränken allerdings – ungeachtet damit eventuell verbundener Sanktionen – die Handlungsfreiheit der Betroffenen und bedürfen verfassungsrechtlicher Rechtfertigung. Verfolgt der Gesetzgeber mit Mitwirkungspflichten das legitime Ziel, dass Menschen die eigene Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Erwerbsarbeit vermeiden oder überwinden, müssen sie den an diesem Ziel ausgerichteten Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen, dafür also geeignet, erforderlich und zumutbar sein. […]
Wird die Verletzung einer Mitwirkungspflicht durch eine Minderung existenzsichernder Leistungen sanktioniert, fehlen der bedürftigen Person allerdings Mittel, die sie benötigt, um die Bedarfe zu decken, die ihr eine menschenwürdige Existenz ermöglichen. Mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz kann eine Leistungsminderung dennoch vereinbar sein. Sie kann die Anforderungen aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG wahren, wenn sie nicht darauf ausgerichtet ist, repressiv Fehlverhalten zu ahnden, sondern darauf, dass Mitwirkungspflichten erfüllt werden, die gerade dazu dienen, die existenzielle Bedürftigkeit zu vermeiden oder zu überwinden. Dann dient die Leistungsminderung wie auch die Pflicht, die mit ihr durchgesetzt werden soll, dazu, den existenznotwendigen Bedarf auf längere Sicht nicht mehr durch staatliche Leistung, sondern durch die Eigenleistung der Betroffenen zu decken. Der Gesetzgeber kann insofern staatliche Leistungen zur Sicherung der Existenz auch mit der Forderung von und Befähigung zu eigener Existenzsicherung verbinden.
b) Es gelten jedoch strenge Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. […]
Die hier zu überprüfenden gesetzlichen Regelungen sind aber nicht in jeder Hinsicht verhältnismäßig. Nur die in § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II normierte Höhe einer Leistungsminderung von 30 % ist derzeit auf der Grundlage plausibler Annahmen hinreichend tragfähig begründbar. Hingegen genügt die weitere Ausgestaltung den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (aa). Es steht dem Gesetzgeber zwar frei, im Fall der wiederholten Verletzung einer Pflicht zu zumutbarer Mitwirkung erneut Sanktionen zu verhängen, doch sind Minderungen existenzsichernder Leistungen nach § 31a Abs. 1 Satz 2 SGB II in einer Höhe von 60 % des Regelbedarfs im Ergebnis jedenfalls unzumutbar (bb). Der in § 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II vorgegebene vollständige Wegfall existenzsichernder Leistungen ist mit den Anforderungen des Grundgesetzes ebenfalls nicht zu vereinbaren (cc).
Heißt: Sie faseln zwar unentwegt von Mitwirkungspflicht und Recht des Staats zur Sanktionierung, faktisch machen sie aber das Gegenteil: Sie schützen 70% des Hartz-IV-Satzes auch bei völliger Blockade der Mitwirkung. Wer mit diesen 70% auskommt, und bei manchen Familien kommt einiges zusammen, und vielleicht noch schwarz irgendwas macht, hat gar keinen Grund mehr, morgens noch aufzustehen.
Damit wird faktisch das bedingungslose Grundeinkommen eingeführt, aber nur für die, die Hartz-IV-Anspruch haben.
Wie gesagt, ich sehe nicht, wie das mit meiner Menschenwürde vereinbar sein soll, dass ich arbeite und mit den höchsten Steuersätzen der Welt Leute finanzieren muss, die sich nun ganz offiziell weigern können zu arbeiten.