Korruption? Sabotage? Spionage? Die Grünen, die SPD, die CSU und Microsoft
Wie die Amerikaner aus uns Hackfleisch machen.
Lesenswerter Artikel auf Golem: Interview des Münchner Ex-Oberbürgermeisters Christian Ude gegenüber den Linux Magazin über den seltsamen Wechsel von Limux (Linux für München) zu Microsoft.
Christian Ude über Seelenmassage von Ballmer und Gates, die industriefreundliche CSU, eine abtrünnige Grüne und umfallende SPD-Genossen. […]
Christian Ude: Ich bin überhaupt nicht der IT-Spezialist, der eigene Ideen oder Wünsche zu dem Thema in Politik umsetzen wollte. Ich habe mich nur maßlos geärgert, dass Microsoft plötzlich den Support zurückzog und die Landeshauptstadt München damit zwang, einen Wechsel zu bezahlen, für den sie sich als Kundin gar nicht aus freien Stücken entschlossen hatte. Ich habe das mit deutschen und europäischen Microsoft-Repräsentanten immer wieder diskutieren müssen. Je größer der zeitliche und persönliche Abstand wurde, desto deutlicher haben die zugegeben, dass das ein skandalöser Umgang mit der Kundschaft ist.
Sie haben uns als Kunde mit einer fünfstelligen Zahl von Geräten einfach vor die Alternative gestellt “Friss oder stirb!” – friss unseren Wechsel und zahle oder stirb mit alten Geräten, für die es keinen Support mehr gibt. So haben wir den Machtmissbrauch eines marktbeherrschenden Konzerns kennengelernt … […]
Diese Fragen haben wir Gutachten und Gutachtern anvertraut, und das Resultat war eindeutig, dass Microsoft zwar bei manchem Preisvergleich billiger ist, aber eben bei der Datensicherheit ein Risikofaktor bleibt und beim Thema Unabhängigkeit ein monopolähnlicher Anbieter ist. Für uns war der strategische Wert auch wirtschaftlich bedeutsam, ein unabhängiger Kunde zu sein, der sich nicht ausliefert. Deswegen haben mich vor allem die CSU und Microsoft immer kritisiert. […]
Es gab eine begeisterte Open-Source-Szene mit Hunderten allein in München und Tausenden Anhängern in ganz Europa. Die haben in kaum noch zählbaren Mails an uns appelliert, wir müssten den Schritt in die Unabhängigkeit wagen. Wir sollten der Szene ein Beispiel geben, dass große behördliche Kunden Datensicherheit und Unabhängigkeit zu schätzen wissen. Zugleich hat die Microsoft-Seite auch Druck aufgebaut.
Das Intensivste, was ich persönlich erlebt habe, war ein Besuch von Steve Ballmer, immerhin Vizepräsident von Microsoft. Der hat seinen Ski-Urlaub in der Schweiz unterbrochen, um mich zu besuchen. Mit seiner bekannten Begeisterungsfähigkeit, mit der er auf Konferenzen dynamisch auf der Bühne herumspringt, sprang er bei mir im Amtszimmer herum und pries erst einmal die Schönheit Münchens. Aber dann sagte er, ich stünde vor einer katastrophalen Fehlentscheidung, die ich niemals vor irgendwem verantworten könne, vor allem vor keinem Steuerzahler.
Er machte witzigerweise während des Gesprächs ständig neue finanzielle Angebote, was Microsoft noch alles zusätzlich dazugäbe, für das Schulreferat zum Beispiel. Laufend wurden die um eine Million und noch eine Million und noch eine Million und später ein Dutzend Millionen günstiger als zuvor. So wichtig war Microsoft die international als IT-Hochburg wahrgenommene abtrünnige Landeshauptstadt München als Symbol. […]
Linux-Magazin: Bill Gates kam auch zu Besuch?
Christian Ude: Der war in München wegen einer Präsentation des Hauses der Zukunft, die ihn wahnsinnig begeistert hat. Bei dem konnte man schon vom Auto aus bestimmen, wie hoch die Zimmertemperatur in jedem Zimmer sein und ob der Kühlschrank schon mal etwas auftauen soll. Auf seiner Rückfahrt zum Flughafen hatte ich die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Ich saß also zusammen mit einem der reichsten Männer der Welt in einem getarnten Lieferwagen, der innen luxuriös ausgestattet war, von außen aber ausschaute, als gehöre er einem kleinen Handwerksbetrieb. Gates hat mich fassungslos gefragt: Warum machen Sie das? Das ist doch widersinnig! Das ist doch gar nicht zu verstehen!
Nachdem ich jetzt nicht der hartgesottene IT-Spezialist bin, der einem Bill Gates gewachsen wäre bei jedem Detail, habe ich nur gesagt: “Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, es geht uns um die Unabhängigkeit. Wir wollen nicht abhängig sein.” Dann sagte er: “So ein Unsinn, von wem denn abhängig?” “Weil Sie schon mal da sind: Von Ihnen natürlich!” Das hat ihn richtig in sich zusammenfallen lassen, und er hat gesagt: “Es ist für mich unbegreiflich, das ist Ideologie.”
So hat Microsoft wirklich jede Form der Seelenmassage angewandt vom galoppierenden Preisnachlass während einer einzigen Unterredung bis zum Einsatz des Megastars Bill Gates. […]
Linux-Magazin: Genauso kann man sich die Augen reiben, was kurz nach Ihrer letzten Amtszeit passierte. Im August 2014 tauchten Berichte auf, die Stadt erwäge eine Rückkehr zu Microsoft-Software. Und tatsächlich sorgten Ihr Amtsnachfolger Dieter Reiter von der SPD und sein CSU-Vize Josef Schmid dafür, dass Linux wieder von den PCs der Verwaltung verschwinden wird. Beschwerden von Nutzern seien der Grund gewesen sowie Format-Probleme beim Datenaustausch mit Externen.
Christian Ude: Es ist richtig, dass es bei der Umstellung Schwierigkeiten und Ärgernisse gab. Das hat ja auch das Amt [die Hauptabteilung Informationstechnologie des Direktoriums, Anm. der Redaktion] immer eingeräumt. Das ist selbst bei großen technischen Umstellungen in IT-Konzernen nicht anders. Aber es gab bei Limux keine unlösbaren Probleme. Dazu hatten wir detaillierte Texte, Ausarbeitungen der Behördenleitung und bestätigende Stellungnahmen der Gutachter. […]
Christian Ude: Die erste Bewegung kam unbegreiflicherweise von der OB-Kandidatin der Grünen. Frau Nallinger hat von einem Tag auf den anderen zum Entsetzen ihrer eigenen Stadtratsfraktion verkündet, dass Limux weg muss und dass es das Gebot der Stunde sei, zu Microsoft zurückzukehren. Sie wurde dann von ihrer Fraktion wieder gebremst. Aber natürlich entstand die Stimmung, dass, wenn schon die Kandidatin der Grünen umfällt, die Position wohl nicht mehr zu halten ist. Abgesehen von der Entgleisung ihrer OB-Kandidatin sind sich die Grünen aber treu geblieben in ihrer Befürwortung von Open Source und Linux.
Zur CSU kann ich nur sagen: Die haben mit offenem Visier gekämpft. Schon bei der Einführung meinten die, das tut man nicht, sich von einem Monopolisten abzuwenden und alles auf eigene Faust stricken zu wollen. Da war die CSU relativ offen, ehrlich und konsequent.
Verblüffend finde ich das Umfallen der SPD, das sich innerhalb eines Jahres vollzogen hat. 2013 haben sie noch “Hurra!” und “eine Pioniertat!” gerufen, aber schon im Jahr 2014: “Der Pinguin muss sterben! Wir wollen nicht der letzte Mohikaner sein.” Das ist doch wirklich Wahnsinn, dass die Bürgermeisterin in einem Jahr den bisherigen Erfolg lobt und 2014 plötzlich die Flucht vor Open Source antritt und in den Schoß des US-Konzerns zurück will. Ein großer Teil der Szene, es gibt ja hier Hunderte freiberufliche und angestellte Software-Experten und -Praktiker, konnte sich keinen Reim darauf machen. […]
Ich kann nicht die ganzen Gutachten beurteilen, die man als Zeitungsleser gar nicht zu sehen bekommt. Aber ich stelle mit einiger Verwunderung fest, dass Dinge wie Datensicherheit und Unabhängigkeit plötzlich keinen Wert mehr haben. Dazu kommen die Kosten, die die Stadt zu tragen hat.
Dass Bill Gates in einem getarnten Lieferwagen rumfährt, halte ich für lustig.
Den Rest halte ich für kriminell.
Wenn kein triftiger Grund genannt wird und noch solches ultra-dummes Geschwätz wie „nicht vom Monopolisten abwenden” gebracht wird, dann können da eigentlich nur Korruption und kriminelle Untreue dahinter stecken – CSU, SPD, Grüne.
Der Brüller ist ja, dass ausgerechnet die CSU die Parlamentarischen Staatssekretärin für Digitalisierung Dorothee Bär stellt, die Politikwissenschaft studiert hat, eine berufliche Tätigkeit außerhalb des Politzirkusses wäre mir nicht bekannt.
Ich halte das für absoluten Wahnsinn, was die da treiben. Insbesondere die CSU, die ja so gerne mit „Laptop und Lederhosen” für Bayern wirbt, hat offenbar überhaupt keine Ahnung und Sachkunde in IT-Sachen. Der Schwerpunkt riecht eher nach Amigo-Affären.
Hieß es nicht die ganze Zeit, wir wollten in IT-Angelegenheiten endlich unabhängig und selbständig werden?
Und dann überall die Krake Microsoft?
Ich hatte ja Anfang 1998 ein Gutachten für den Bundestag (Enquete) geschrieben, und da in einer früheren Version sehr deutliche Kritik an den Praktiken von Microsoft geübt. Das musste ich dann deutlich entschärfen. (Weil Prof. Beth das Gutachten verschlafen hat, habe ich das dann im Eiltempo geschrieben und wäre auch fertig geworden, aber wegen seines Affentheaters haben wir den Abgabetermin verpasst und hätten es nicht mehr einreichen können. Deshalb gab es einen Deal mit der Kommission, dass die Kommission Änderungswünsche gehabt habe, und wir ja nur deren Wünschen nachgekommen seien, also die Verzögerung nicht zu verschulden hätten. Dafür haben die dann bei mir zuhause angerufen und gesagt, was alles raus muss. Unter anderem Kritik an Microsoft. Die Version, die dann beim BND landete, war aber schon die entschärfte veröffentlichte Version.) Ich habe dann halt geschrieben, dass Postscript ein dokumentiertes Format ist, Microsoft Word dagegen nicht. Dafür bekamen die dann eine Krise, als sie das Gutachten nicht nur auf Papier und als Postscript (Postscript-Ableger PDF war damals noch nicht gängig) haben wollten, sondern die Ur-Datei und ihnen die LaTeX-Quelltexte schickte. Obwohl ich ihnen gesagt habe, dass LaTeX ein wohldokumentiertes Format ist und man es mit jedem beliebigen Editor ohne jegliche Spezialsoftware ohne weiteres lesen kann (was sie zugeben mussten), und ich es auch jetzt, nach über 20 Jahren, samt Änderungen (RCS) noch ohne weiteres lesen kann, wollten sie zum Einbinden in ihre Bundestagsdrucksachen unbedingt Word haben, weil sie nur klicken konnten. Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich glaube, wir haben ihnen damals am Telefon erklärt, dass copy-paste auch mit gewöhnlichen Texten funktioniert.
Warum ist Microsoft so scharf auf München?
Wirtschaftlich kommt es denen auf so ein paar Rechner gewiss nicht an.
Ich sehe da eigentlich nur zwei mögliche Motive.
Das erste ist: Sie wollen keinen Abtrünnigen haben, der anderen zeigen würde, dass es auch ohne Microsoft geht. Da ging es nicht nur um München, sondern darum, die Zündung eines Steppenbrandes zu verhindern. Die wollen sie alle im Sack haben.
Das zweite ist: Spionage. Womöglich wollen die verhindern, dass es da irgendwas gibt, wo sie nicht reinkommen.
Meines Erachtens könnte man darin Sabotage sehen:
Strafgesetzbuch (StGB) § 88 Verfassungsfeindliche Sabotage
(1) Wer als Rädelsführer oder Hintermann einer Gruppe oder, ohne mit einer Gruppe oder für eine solche zu handeln, als einzelner absichtlich bewirkt, daß im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes durch Störhandlungen
1. Unternehmen oder Anlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Postdienstleistungen oder dem öffentlichen Verkehr dienen,
2. Telekommunikationsanlagen, die öffentlichen Zwecken dienen,
3. Unternehmen oder Anlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft dienen oder sonst für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtig sind, oder
4. Dienststellen, Anlagen, Einrichtungen oder Gegenstände, die ganz oder überwiegend der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dienen,
ganz oder zum Teil außer Tätigkeit gesetzt oder den bestimmungsmäßigen Zwecken entzogen werden, und sich dadurch absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Gehen wir es mal durch.
Gruppe könnten hier Grüne, SPD, CSU oder eben Microsoft sein.
Man könnte die Computeranlagen der Münchner Stadtverwaltung als Telekommunikationsanlage, die öffentlichen Zwecken dient, nach Nr. 2 sehen. Nr. 4 hört sich gut an, ist aber womöglich schwierig, weil damit vielleicht nur das abgedeckt ist, was unmittelbar der öffentlichen Sicherheit dient, beispielsweise Polizeiautos.
Wenn man nun dafür sorgt, dass das amerikanische Hintertür-Software drin landet, und das darauf nicht mehr geheim ist, oder eben auch die Daten nicht mehr unabhängig von den USA verarbeitet werden können, könnte darin ein Entzug vom bestimmungsmäßigen Zweck liegen. Falls man unterstellt, dass die Grünen, die SPD und die CSU in der Münchner IT überhaupt einen greifbaren Zweck sehen.
Und wenn darin Spionage für die USA steckt, dann sind es auch Bestrebungen gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.
Ob man es in der für ein Strafverfahren nötigen Dichte hinbekommt, und dass, selbst wenn es gelänge, deutsche Staatsanwälte jemals Bill Gates vor Gericht stellten, darf bezweifelt werden.
Warum man aber nicht wenigstens als Bürger, Wähler, Einwohner dafür Grünen, SPD, CSU die Hölle heiß macht, das verstehe ich nicht.
Und wie wir eigentlich hier in IT mal irgendwie vorankommen wollen, wenn wir von Idioten regiert werden, die nicht über „Kauf halt bei Microsoft, und lass die mal machen” hinauskommen, verstehe ich auch nicht.
Was ich aber sehe, ist, dass sich das Muster ja wiederholt.
In der IT steckt überall Microsoft drin, in der Bundesregierung und Bundeswehr überall McKinsey und Accenture.
Man hat so den Eindruck, dass das politisch so gewollt ist und durchgesetzt wird, dass da wirklich nirgends jemand mit Ahnung sitzen kann, damit die Fernsteuerung aus den USA reibungslos flutscht.
Aber, und das ist der Brüller, mit Künstlicher Intelligenz wollen sie an die Weltspitze.
Wir werden von Korrupten und Idioten regiert.
Oder eigentlich müsste man sagen: Wir werden gar nicht regiert. Die tun nur so. Wir werden als Kolonie ferngesteuert.