Visit Australia?
Es tut mir in der Seele weh.
Das tut richtig weh die Bilder aus dem brennenden Australien zu sehen. Australien war bisher für mich der schönste (Urlaubs-)Ort dieser Welt. Ich fühle mich da einfach wohl. Ich weiß, wie die Ortschaften dort aussehen, wie die Menschen dort leben.
Fast alle meine Freunde gehen in Urlaub irgendwo Skifahren oder auf Berge steigen, aber damit kann ich irgendwie nichts anfangen.
Mich plagt, mich grämt, mich treibt da immer eine Frage um, wie schon damals beim Erdbeben in Christchurch, wie schon damals im Blog irgendwo angesprochen:
Fährt man in ein Land, in dem so eine Katastrophe stattgefunden hat, noch in Urlaub oder nicht?
Es ist ein Dilemma, denn es gibt für beides sehr wichtige Gründe. Auf der einen Seite sind die Leute mit sich selbst beschäftigt, müssen Leute unterbringen, die vor dem Feuer flüchten müssen oder das Haus verloren haben. Die Infrastruktur ist kaputt, Nahrung und Wasser sind knapp, Strom und Telekommunikation funktionieren nicht, viele Leute sind ruiniert oder mit Aufräumen beschäftigt, es gab Tote und die Leute sind mit den Nerven am Ende.
Es verbietet sich eigentlich kategorisch, da noch als Tourist hinzufahren und ein nettes Hotelzimmer zu erwarten oder mal baden zu gehen, abends ins Restaurant und so. Vielleicht noch ein bisschen abgebrannte Häuser angucken, mit der Kamera vor dem Bauch, noch das Mineralwasser wegkaufen. Allein der Gedanke ist entsetzlich. Es hat sowas von Gaffen beim Autobahnunfall. Ich könnte mir auch vorstellen, dass sie für Hotelzimmer oder Wohnmobile gerade wichtigere Einsatzgebiete haben als für Touristen. Ich habe ja schon geschrieben, dass ich in Australien und Neuseeland gerne mit diesen Riesen-Wohnmobilen für 4 oder 6 Leute alleine rumfahre, weil die als alte Familienkutschen außerhalb der Schulferien rumstehen und deutlich billiger sind als kleinere 2-Personen-Camper, und ich das auch mag, wenn ich dann doch ein bisschen Platz habe und darin 2-Zimmer-Wohnung und nicht Zelt spiele. In so einem Ding könnte aber auch gerade eine Familie wohnen, der das Haus abgebrannt ist.
Auf der anderen Seite sitzt da aber auch so ein moralisches und ein rationales Teufelchen auf der anderen Schulter. Das rationale sagt, stell Dich nicht so an, nie waren sie so darauf angewiesen, dass Du kommst, wie jetzt, denn erstens brauchen die jetzt Geld und sie leben ja vom Tourismus, und zweitens macht man alles nur noch schlimmer, wenn die, die nicht abgebrannt sind, jetzt auch noch pleite gehen.
Das Moralteufelchen sagt zu mir „Du alter Drecksack!” Wenn’s gerade schön ist, und alles behagt, fliegst Du um die Welt, um da Deinen Urlaub zu machen. Aber wenn’s mal nicht mehr so schön ist, sind sie Dir nicht mehr gut genug. Der Schwur heißt „In guten wie in schlechten Tagen”. Solidarität ist, wenn’s gerade nicht schön aussieht.
Schwieriges Dilemma. Ganz schwierig.
Vor ein paar Wochen, als das noch nicht so schlimm war, hatte ich deren Tourismus-Board mal angeschrieben, ich sei Blogger und häufiger Australienreisender, und steckte in diesem Dilemma, ich wüsste nicht, ob ich schreiben soll, dass man gerade hinfahren soll, oder dass man lieber wegbleiben soll.
Ich habe bislang keine Antwort bekommen. Was nichts heißt. Ich hatte damals nach dem schweren Erdbeben in Christchurch in dem Hotel, in dem ich war, angefragt, ob es ihnen gut geht und ob sie Besuche wollen oder gerade nicht. Nie eine Antwort bekommen. Ich dachte, ich hätte vielleicht den Ton nicht gut getroffen und sie irgendwie verärgert. Irgendwann habe ich herausgefunden, dass da einfach nichts mehr war, was hätte antworten können. Das ganze Hotel war eingestürzt. Komplett weg.
Inzwischen haben sie in Australien auch mehr oder weniger offiziell die Katastrophe, dass auch noch der Tourismus zerstört ist:
'People aren't stupid': Bushfire crisis scorches Australia's image #ausfires https://t.co/uvM6DjnFW9
— The Sydney Morning Herald (@smh) January 4, 2020
Nachdem inzwischen auch sehr viele Touristen flüchten oder evakuiert werden mussten und auch sonst die Situation dort nicht mehr urlaubsmäßig ist, gibt es auch auf der offiziellen Webseite inzwischen eine Warnung für Touristen. Und auch das auswärtige Amt hat Reisewarnungen.
Ich finde keine Lösung für das Dilemma.
Fährt man hin oder fährt man nicht hin?
Man kann sicherlich nicht hinfahren und Urlaub erwarten.
Ich habe die Befürchtung, dass das Land richtig kaputt ist, weil sie mit Sicherheit weit länger als ein Jahr brauchen, um das Nötigste wieder aufzubauen, und dann der nächste Sommer und die nächste Waldbrandsaison kommt. Dass sie aus der Nummer nicht mehr rauskommen und es nur jedes Jahr schlimmer wird.
Ich habe die Befürchtung, dass Australien das als Land nicht mehr verkraftet.
Normalerweise sind Australier unerschütterliche Optimisten und Positiv-Seher. Wenn man jemanden fragt, wie es im geht, kann man gar keine negativere Antwort als „not too bad” bekommen. Sie haben Känguru und Emu im Landeswappen, weil beide Tiere nicht rückwärts gehen können. Es geht immer nur vorwärts, immer nur voran.
Dieser Optimismus ist weg. Wenn ich die Leute in den Videos sehe und höre, dann ist das tiefe Verzweiflung, Resignation. Sowas gibt es bei Australiern eigentlich gar nicht. Sie sind dort eigentlich härteste Umweltbedingungen und harte, lange Arbeit gewohnt, aber nicht, dass sie weg müssen.
Kann man es da vertreten, sie nun alleine zu lassen und zu sagen, da fährt man nicht mehr in Urlaub hin, weil es nicht mehr schön ist?
Aber was wäre, wenn man hinfährt? Wenn bei uns Sommer und dort Winter ist, also außerhalb der Waldbrandsaison? Abgebrannte Häuser und abgebrannte Wälder anschauen?
Ich weiß es nicht.
Wie geht man damit um?