Picard und die Frauen
Über Science Fiction.
Zum dritten Mal nun habe ich mich Donnerstag abends kurz nach Mitternacht ins Bett gelegt, den kleinen LCD-Beamer auf dem Nachttisch angeworfen und die freitägliche Folge von Star Trek Picard an der Zimmerdecke gesehen.
Und ja, man merkt das schon sehr, dass die Serie vor political correctness und vor allem Feminismus trieft. Es wimmelt geradezu vor Frauen, sämtliche Hauptrollen außer Picard selbst sind mit Frauen besetzt. Lediglich der undurchsichtige romulanische Romeo, der sich an die Hauptdarstellerin ranmacht, und in der dritten Folge der abgehalfterte Ex-Sternenflottenpilot, den sie anheuern (erinnert mich an Obi Wan Kenobi und Han Solo), sind wesentliche männliche Rollen. Data trat nur einmal kurz als Gast auf und das auch nur, um einen Aufhänger für die Vergangenheit zu liefern und alte Gesichter zu zeigen, von Bedeutung ist er (bisher) nicht.
Und es fällt auch auf, dass bis auf die Hauptdarstellerin alle Frauen mehr oder weniger in dem Alter sind, in dem sich Schauspielerinnen gern beschweren, dass man ihnen keine Rollen mehr gibt. Neulich gab es irgendwo ein Video von einer US-Talkshow, in der Patrick Steward (einziger Mann dort) Whoopi Goldberg einlädt, in der zweiten Staffel mitzuspielen (zweifellos in der Rolle als Guinan).
Das ist bisher nicht allzu schlimm, denn bisher haben sie es vermieden, den Fehler aus Ghostbusters und Star Wars zu wiederholen, nämlich die bekannten Männerrollen einfach durch Frauen zu ersetzen nach der Device, man müsse allen mal zeigen, dass Frauen das genauso gut können und dabei besser aussehen. Das hat noch nie funktioniert und das haben sie offenbar gemerkt. Man hat ihnen – bislang – Frauenrollen geschrieben. Und sie nicht Männerrollen spielen lassen. Mir fällt spontan nur eine einzige Schauspielerin ein, die richtig gut Männerrollen spielen kann und der man das abnimmt, und das ist Katharina Thalbach.
Im Gegenteil hat man da einige Frauenrollen durchaus interessant geschrieben. Etwa die der Haushälterin Laris, die offenbar mehr ist, als es den Anschein hat. Die kaputte Raffi. Doppelagentin Narissa.
Ich habe den Eindruck, man hat sich mit dem bisherigen Feminismus in Film und Fernsehen eine blutige Nase geholt, und gemerkt, dass das nach dem üblichen dämlichen feministischen Dummschema, den Leuten einfach nur Frauen statt Männer aufs Auge zu drücken, schlicht nicht funktioniert, und probiert jetzt mal was anderes aus.
Dazu passt auch, dass zumindest die Staffel eins eine erkennbare … naja, ich würde jetzt nicht gerade Billigproduktion schreiben, aber sie haben doch schon erkennbar gespart. Es laufen ein paar Außerirdische und Leute in Sternenflottenuniform rum, ab und zu fliegt eine Raumfähre draußen vorbei oder stehen futuristische Gebäude rum, aber man merkt schon, dass das meiste von der Ausstattung her einfach in unserer Zeit spielt. Das Weingut, das nach Frankreich aussehen soll, ist irgendwo bei L.A. und wurde aus Kostengründen ausgewählt, weil man es von L.A. aus mit dem Auto erreichen kann und nicht übernachten muss, und man es unverändert benutzen kann. Verblüfft war ich, also ich mir mal auf Google Maps die Bilder vom Drehort des Sternenflottenhauptquartiers angesehen habe. Da fliegen zwar auch ab und zu Raumschiffe im Hintergrund vorbei und gleich am Anfang machen sie stark auf Science Fiction durch so seltsame Transporterportale, durch die die Leute da gehen, aber ansonsten sind die Aufnahmen in einem völlig unveränderten Convention Center in Anaheim gedreht. Da ist nicht mal was umgebaut. Die Gebäude, die man in den Außenaufnahmen sieht, stehen wirklich da (Hilton), und innen haben sie gar nichts verändert, außer einen in Sternenflottenuniform an den Empfang zu stellen und ihm virtuelle Bildschirme einzublenden. Der Rest ist Original. Selbst die Anzeigen sind nicht aus der Zukunft, sondern die ganz normalen Bildschirme, auf denen dort der Konferenzablauf angezeigt wird, da haben sie halt einfach das Sternenflottensymbol angezeigt. Und Picard fährt da im 24. Jahrhundert ordinär Rolltreppe. Die KampfszenAuch die Räume, in denen irgendetwas stattfindet, sind meist normale Zimmer unserer Zeit, oder wenn futuristisch, denn doch relativ simple Metallgerüste. Auch allzu aufwendige Masken gibt es nicht, Romulaner sind in der Herstellung vergleichsweise preisgünstig.
Offenbar ein Experiment, denn es heißt, dass die Serie gut ankommt und sie für die zweite Staffel deutlich mehr Geld haben. Anscheinend wollte man nicht zuviel riskieren, nachdem Star Wars gerade gewassert ist und seine Pläne gestutzt hat, und das mit political correctness und Feminismus überfrachtete aber angeblich planlose (ich hab’s nicht gesehen) Star Trek Discovery angeblich nicht gut ankam. Auch das Prequel Star Trek Enterprise lief ja nur ein paar Staffeln, und die Kinofilme waren zuletzt auch nicht der Brüller.
Anscheinend versucht man jetzt etwas anderes, um die Frau an den Mann zu bringen.
Immerhin deutet es darauf hin, dass sie zumindest etwas lernfähig sind.
Es reicht nicht mehr (oder reichte nie), ein paar durchgeknallte, schlecht schauspielernde Tussis hinzustellen, die Menstruationswitze reißen (Ghostbusters), oder einfach alles nochmal mit Frauen zu drehen (Star Wars).
Sie versuchen (ob es gelingt, kann ich noch nicht sagen, aber den Anfang finde ich zumindest nicht schlecht), eine Story aufzubauen, anders als bisher. In den früheren Folgen (TOS, NG) war jede Folge eine geschlossene Handlung, ab NG gab es hin und wieder mal Doppelfolgen. Bei TOS spielt es überhaupt keine Rolle, in welcher Reihenfolge man sie ansieht, oder sich einfach irgendeine rausgreift. Man muss die anderen nicht gesehen haben, um eine Folge zu verstehen, solange man nur ungefähr die Hauptpersonen kennt. Bei Voyager im Ansatz und DS9 weitergehend gab es dann schon Hintergrund- und Rahmenhandlungen, die über mehrere Folgen oder generell den Handlungsablauf bestimmten und erklärten, aber immer noch eine Folgenhandlung im Vordergrund. Ähnlich die Kinofilme, nur mit 2 Stunden statt 45 Minuten.
Hier nun ist das ganz anders (und auch zu anderen Serien sagten schon eine der prominenten Schauspieler, dass sie lieber Serien nach diesem neuen Konzept als Kinofilme machen, weil man endlich mal in Ruhe eine Story erzählen und vertiefen kann, ohne hetzen zu müssen). Es wird über die Season eine lange Story aufgebaut, von der man halt jeden Freitag eine Scheibe bekommt, die aber keine Eigenhandlung haben, sondern ein durchgehender Erzählablauf einer großen Story sind. Man hat am Ende einer Folge kein Aha (so wie in den Vorabend-Krimis, wo stets spätestens 3 Minuten vor Ende der Mörder gefangen und der Gute befreit ist), sondern nur die Frage „wie geht das jetzt weiter? was hat es mit dem oder der auf sich?”.
Man merkt, dass das zu einer gewissen Entspannung führt. Die müssen nicht durch die Handlung hetzen wie früher, runterbeamen, mit Phaser in der Hand rumrennen, „Er ist tot, Jim!”, um nach 5 Minuten das Drama klargestellt und die Fronten geklärt zu haben. Die haben Zeit für Rückblenden, für Erklärungen, für Gespräche. Raffi kommt nicht einfach an Bord, Picard hat Zeit, sich vorher mit ihr zu unterhalten, man sieht, dass sie eine rausgeworfene, verbitterte Existenz ist, und wie Picard sie dann doch rumkriegt, mitzumachen, obwohl sie überhaupt nicht will.
Auch die komische dröge Wissenschaftlerin, die ich nun wirklich komisch finde, stolpert jetzt auch nicht einfach so in 2 Minuten in die Handlung, sondern wird da so Stück für Stück reingezogen, bis sie dann irgendwann doch in der Situation ist, lieber das Abenteuer zu machen als in ihrem Labor rumzusitzen.
Ich würde übrigens wetten, dass die fiese und herablassende Admiral Kirsten Clancy, die Picard barsch abgewiesen und zum alten Knacker erklärt hat, später seine Hilfe oder Retterin wird, das haben sie etwas zu offensichtlich gemacht, dass sie ihn erst rausschmeißt, die Sache aber dann doch klären lässt. Man könnte meinen, die Rolle wäre für Captain Janeway/Kate Mulgrew geschrieben, aber die soll sich ja bei den Dreharbeiten zu Voyager heftig mit der Darstellerin von 7of9, Jery Ryan, gebalgt haben, und Ryan macht ja irgendwann in der Serie jetzt mit (hoffentlich nicht nur als Gastauftritt, denn die würde auch von der Handlung sehr gut reinpassen). Auch sonst soll sie nicht so beliebt sein.
Womöglich ist das der Weg, mit dem das alles samt Frauenüberschuss, die meisten davon eben nicht mehr jung und knackfrisch, sondern jenseits des bisherigen Haltbarkeitsdatums für Schauspielerinnen, zu einem funktionierenden Ding werden könnte. Eben nicht „Hurra, hier ist sie” und man hat sie gefälligst zu mögen, und auch nicht als Männersubstitut, sondern eingebunden in eine (bisher) passende, konsequente, aufeinander aufbauende Handlung. Die steht nicht da rum, weil da jetzt laut Quote eine Frau General sein muss, sondern es gibt Handlungen dazu und drumherum, die eine Erklärung dafür liefern, warum da jetzt die und nicht jemand anderes sitzt. Raffi kommt nicht als die Quotenfrau, plopp, da ist sie, sondern man erfährt einen Hintergrund, eine Rückblende, eine Vergangenheit, die erklärt, warum Picard jetzt ausgerechnet zu ihr geht, und warum sie mit ihm eigentlich nichts mehr zu schaffen haben will. Und warum sie dann aber doch mitmacht. Und auch die Wissenschaftlerin ist nicht einfach an Bord, weil der Wissenschaftsoffizier jetzt eben eine Frau sein muss, sondern das entwickelt sich, es baut sich auf, es hat einen Grund, warum sie überhaupt in der Story vorkommt, und wie sie, obwohl eigentlich unpassend und zu naiv/schüchtern (sie hofft, der romulanische Disruptor stand nur auf Betäubung), da reingerät.
Es ist ein Frauenförder-Ding, hat Patrick Stewart ja auch gesagt, aber sie versuchen merklich, es nicht zum Raumschiff Genderscheiß abdriften zu lassen.
Ein wesentlicher Teil der Story dreht sich darum, zu erklären, warum da jetzt eine Frau sitzt. Nicht, weil da einfach irgendeine Frau sitzen muss, sondern sie stricken eine Story drumherum, die einen Grund liefert, warum jetzt diese spezielle Person da sitzen muss.
Ich bin mal gespannt, ob das aufgeht, ob sie das durchhalten und ob das auch auf Dauer funktioniert, oder doch irgendwann langweilig wird.
Jedenfalls haben sie darauf verzichtet, eine Kapitänin Kirk zu basteln.
Es scheint, als sei die erste Welle der durch dummen Brachialfeminismus ruinierten Filme und Serien womöglich erst mal durch. Meine Interpretation ist, dass man da einfach viel zuviel Geld verbrannt hat, und es jetzt vorsichtig und mit kleineren Finanzmitteln nochmal anders versucht und sondiert. Ich habe so den Eindruck, als versuchte man gerade über so eine Nischenserie, herumzutesten, ob das jetzt so funktioniert oder nicht. Man spart dabei merklich an den Produktionskosten, aber dafür hat man sich (so zumindest mein bisheriger Eindruck) eher auf ein ordentliches Drehbuch, eine gute Story konzentriert. Das war bisher bei Frauenförderung ja immer umgekehrt.