Ansichten eines Informatikers

Billig-Replikatoren aus der Zukunft

Hadmut
7.2.2020 21:47

Könnt Ihr Euch noch an die Plastikbecher, Bügeleisen und Wasserhähne aus Raumpatrouille Orion erinnern?

Es ist mir schon öfters aufgefallen, dass die sich in Star Trek mit normalen Teilen aushelfen. Die kleinen futuristischen Reisekoffer, mit denen gelegentlich Reisende in TNG oder DS9 ankamen, waren erstaunlicherweise exakt baugleich mit dem Koffer einer (analogen) JVC-Videokamera meines Vaters aus den frühen 80er Jahren. Die futuristischen Weltraumtassen aus DS9 gab’s mal bei Metro, Billigware aus China, um die drei Euro das Stück, ich habe mir aber wegen des Deckels fürchterlich das Maul daran verbrannt.

Ein Leser hat mich gerade auf etwas hingewiesen, was mir gar nicht so im Detail aufgefallen war, ich habe es dann aber genauer recherchiert. Diese 3D-Drucker (gibt es auch baugleich oder ähnlich, zumindest im gleichen Gehäuse, unter mehreren Namen, auch Dremel) haben sie verwendet, um in Star Trek Picard (Folge 2, Rückblende zum Mars bei 2:50 und ab 3:40) die „Replikatoren” zu spielen. Nicht mal eine Innenverkleidung oder sowas haben sie, den Servomotor, die Zahnriemen und so weiter sieht man alles, das Essen erscheint einfach auf dem Drucktisch. Bei 4:26 sieht man die Lüfter hinten.

Und wenn ich mir die Waffe anschaue, mit denen dann da rumgeballert wird, sieht die verdammt nach einer Elektroschweißzange aus, mit der Autobleche geschweißt werden.

Vermutlich stammt ein gerüttelt Teil der Requisiten aus dem nächsten Baumarkt. Ich hatte ja gedacht, dass die ihre Requisiten mit dem 3D-Drucker drucken. Aber dass die einfach den 3D-Drucker selbst hinstellen und noch nicht mal das Geraffels innen raushauen…

Ein logischer Fehler ist mir auch aufgefallen. Es gibt eine Szene, in der Picard mit der Haushälterin vor dem Chateau steht und sehnsüchtig in den Sternenhimmel sieht. Mal sieht man den Sternenhimmel, mal Picards Gesicht. In seinen Augen spiegelt sich deutlich sichtbar die Studio-Softbox, groß und quadratisch, was anscheinend noch als optischer Effekt eingesetzt wird, nur ist in der Story da außer dem dunklen Sternenhimmel gar nichts, was sich in seinen Augen spiegeln könnte.

Man merkt’s schon, dass die Serie billig produziert wurde.

Inzwischen habe ich auch Zuschriften von Leuten bekommen (z. B. mit Hinweis darauf), die die Serie deutlich schlechter bewerten als ich bisher. Sie sei langweilig, fühle sich nicht echt an, die Dialoge seien schlecht bis hölzern, und es falle eben auf, dass die Männer die Pförtner und das Bodenpersonal, sowie die fiesen anonymen Attentäter hinter Masken spielen, während sämtliche Führungsrollen mit Frauen besetzt sind. Und auch ansonsten die political correctness viel zu dick aufgetragen sei. Und anstatt Spannung aufzubauen, würde man einfach mitten in der Handlung aufhören, praktisch cliffhanger von Folge zu Folge produzieren.

Auch seien die Trailer mit alten Schauspielern/Figuren wie Data, Riker, Seven of Nine schlicht Betrug und Täuschung, weil die jeweils nur sehr selten und für ein paar Sekunden auftauchten, um die Fans ranzuholen, die Serie selbst – von Patrick Stewart abgesehen – durchweg mit kaum bekannten (=billigen) Schauspielern besetzt sei.

Die erste Folge sei ganz schlecht, eine Katastrophe.

Das sehe ich jetzt alles (noch) nicht so kritisch.

Zum einen habe ich noch in Erinnerung, dass ich Star Trek NG nach den ersten Folgen auch noch grausig fand, bis es mir dann immer besser gefallen hat. Man muss den Leuten auch eine Chance geben, in die Story reinzukommen.

Zum anderen stört es mich nicht, dass die Serie billig produziert wurde, denn ich zahle dafür ja nichts (extra), weil ich eine Amazon Prime-Abo wegen der Versandkosten ohnehin habe. Dem geschenkten Gaul schaut man nicht so ins Maul, denn ich muss weder Zwangsgebühren wie bei ARD/ZDF zahlen, noch Werbung wie bei den Privaten ertragen oder für die noch Empfangsgebühren pro Fernseher zahlen, um es dann nur einmal zu sehen. Irgendwo muss man auch mal die Relation sehen zwischen dem, was man zahlt (ich hier nichts zusätzlich), und was man bekommt. Davon abgesehen finde ich die Billigproduktionen oft interessanter. Meistens machen die nur Mist, wenn sie zuviel Geld haben.

Was mich allerdings etwas stört, ist das Schema, dass es bisher als Männer nur einfaches Bodenpersonal und Gescheiterte gibt. Picard wird komplett abserviert, rausgeworden, als Spinner in die Provinz verbannt, spielt aber immerhin die Hauptrolle und den Protagonisten. Dann gibt es noch einen Gigolo und inzwischen einen gescheiterten, rauchenden Piloten, der Rest ist zum Verheizen wie die Typen, die in TOS immer unbekannt mit runterbeamten und es dann nicht lange machten. Hier wird (bisher, auf Erden) alles von Frauen geleitete und gesteuert, und Männer sind nur die unteren Befehlsempfänger oder rausgeworfenen.

Ich bin da aber insgesamt etwas altmodisch veranlagt und neige dazu, mir die Kritik erst dann zu überlegen, wenn ich die Serie gesehen habe und die Story kenne.

Und dass da in der Rolle des Essensreplikators ein gewöhnlicher 3D-Drucker aus dem Baumarkt steht – stört mich nicht. Mich haben auch die Wasserhähne und Bügeleisen bei Raumpatrouille nicht gestört. Bei Star Trek waren mir eigentlich schon immer die Stories das Wichtigste.

Und mich stört auch nicht, dass da unbekanntere Schauspieler vorkommen. Sollen sie alles mit den alten Knackern machen? Jonathan Frakes (Riker) sagte in irgendeinem Interview, dass er seit dem letzten Star-Trek-Kinofilm nicht mehr geschauspielert habe und nur noch hinter der Kamera stand, inzwischen komplett vergessen habe, wie man schauspielert, und das erst neu lernen musste. Warum also nicht andere Schauspieler unterhalb des Greisenalters? Soll ja auch keine Familiensaga wie Dallas, Denver Clan oder Star Wars werden.

Davon ganz abgesehen: Ich sehe da bisher keinen schlechten Schauspieler. Gut, über die Rollen und Dialoge kann man geteilter Meinung sein. Aber das ist Drehbuch. Ich finde die Schauspieler durchweg in Ordnung, die machen ihre Sache meines Erachtens gut. (Bei Rey aus Star Wars fand ich auch nur die Rolle/das Drehbuch schwach, die Schauspielerin war gut.)

Das mit der Langeweile könnte zu unterschiedlichen Empfingungen finden. 2 Stunden am Stück würde mir das Erzähltempo auch nicht behagen, aber in Häppchen zu 45 Minuten ist das meines Erachtens in Ordnung.

Dazu kommt dann noch, dass ich aus einer anderen Zeit stamme. Ich bin mit Filmen aufgewachsen, die noch gemächlich eine Story erzählten und die Charaktere vorstellten. Nicht diese Action-Action-Action-Geballereien des neueren Hollywoods. Merke ich auch, wenn ich heute alte Filme oder Serien sehe, die ich als Kind oder Jugendlicher total spannend fand, und die einen heute eher langweilen, weil man von Inhalt auf Dauergetrommel umkonditioniert wurde. Das war auch das Problem von Star Trek Enterprise. Eigentlich gut angelegt, aber für viele zu langweilig, weil zuwenig Action und zuviel Story.

Aber ich will die Serie erst fertig oder zumindest überwiegend gesehen haben, bevor ich meckere oder mich entscheide, ob ich überhaupt meckere. Bisher fand ich sie nicht so schlecht wie manche Leute, die mir schreiben. Und bisher hat jede StarTrek-Serie etwas gebraucht, bis man sich auf sie eingestellt hat.

Von mir aus können sie da 3D-Drucker hinstellen.

Nachtrag: Ja, auch bei den wenigen Sternenflottenuniformen sieht man (manchmal vorne am Kragen, manchmal hinten am Kragen), dass sie aus billigem Material und teils sehr einfach und nachlässig genäht sind, kein Mensch würde sich ernstlich eine solche Uniform anziehen, an der der Kragen so popelig genäht ist oder die hinten so absteht. Geschenkt. Stört mich nicht. Das sind ja nur ein paar Nebenfiguren. Picard läuft in Rollkragenpullover und Bundfaltenhose rum. Würde ich auch, wenn ich wie er Rentner wäre.

Lasst die Leute erst mal ihre Story erzählen.