Ansichten eines Informatikers

Ueli Maurer, die ETH Zürich und die Crypto-Affäre

Hadmut
16.2.2020 17:33

Na, das ist ja ein Ding.

Diese Woche habe ich im Blog beschrieben, welche Rolle der Professor Ueli Maurer von der ETH Zürich mit seinem bestellten Falschgutachten in meinem Promotionsverfahren spielte, da erscheint heute in der Sonntagsausgabe der Neuen Zürcher Zeitung ein Interview zur Crypto-Affäre mit ihm.

Und er will so gar nichts damit zu tun gehabt haben. Es sei absurd, dass er im CIA-Bericht auftauche

Die NZZ am Sonntag mit dem Interview mit Ueli Maurer: «Es war wie in einem Agentenfilm», erzählt der Kryptologe zur Crypto-Affäre – ETH-Professor Ueli Maurer erklärt, wie der US-Geheimdienst versuchte, ihn anzuwerben, warum man überall abgehört werden kann und wieso es absurd sei, dass die ETH im Crypto-Bericht auftauche.

NZZ am Sonntag: Herr Maurer, seit wann wissen Sie, dass hinter der Crypto AG aus Zug die amerikanische CIA und der deutsche Bundesnachrichtendienst BND stecken?

Ueli Maurer: Dass die Firma den Geheimdiensten gehört, habe ich nicht gewusst. In den siebziger und achtziger Jahren gab es immer wieder Gerüchte über eine Zusammenarbeit zwischen der Crypto und den Amerikanern. Die Gerüchte waren glaubwürdig, kaum jemand zweifelte damals daran, dass es so war – auch ich nicht. Mir ist aber von Leuten, die bei der Crypto arbeiteten, versichert worden, dass das in den neunziger Jahren nicht mehr der Fall war.

So?

Also wir wussten das in den 90er Jahren, dass der BND verschiedene Tarnfirmen unterhält, auch den Schweizer Kryptoladen. Das war unter Kryptologen allgemein bekannt. Ich kann mich noch erinnern, dass ich überlegt habe, ob ein Gebäude in meiner Nachbarschaft auch zum BND gehört. Ich habe nämlich in Karlsruhe – allerdings erst ab 1999, nach meiner Uni-Zeit, aber dann in der Firma Xlink mit denselben Leuten aus dem ehemaligen EISS-Team – in der Wohnsiedlung gewohnt, die bis kurz vorher das Wohngebiet der Amerikaner in Karlsruhe war, die dort seit dem zweiten Weltkrieg stationiert waren. Während meines Studiums ist gelegentlich die amerikanische Armee noch in der Stadt unterwegs gewesen, dann haben sie jährlich zu ihrem großen Fest eingeladen, um das Verhältnis zu verbessern. Nach ihrem Abzug wurde die Paul Revere Village an die Deutschen übergeben, renoviert, die Straßennamen eingedeutscht. Ich wohnte in der Tennesseeallee, vormals Tennessee Avenue. Und am Südende gab es so eine seltsame Liegenschaft, irgendeine Bundesstelle für Grundstücksverwaltung, stank so nach Tarnname, als hätte der BND dort eine CIA-Liegenschaft übernommen, oder der CIA sie unter deutschem Namen weitergeführt. Heißt heute „Bundesanstalt für Immobilienaufgaben”. Ich kann mich noch erinnern, dass wir diskutierten, ob die auch was damit zu tun haben und das die ehemalige CIA-Niederlassung der Amerikaner war.

Und was denken Sie heute darüber?

Dass es so lange ging – offenbar bis 2018 – hat mich überrascht. Und das Schicksal der Leute macht mich betroffen. Jene Mitarbeiter der Crypto, die nicht eingeweiht waren, wurden belogen, ihr Leben wurde einfach weggeworfen. Hans Bühler, der 1992 in Iran verhaftet worden war, kam nach seiner Freilassung zu mir und bat mich um Hilfe. Er wollte herausfinden, ob mit den Crypto-Geräten etwas nicht in Ordnung sei. Ich musste ihm leider sagen, dass ich nicht helfen könne.

Das muss man sich mal vorstellen: „Die, die nicht eingeweiht waren, wurden belogen, ihr Leben wurde einfach weggworfen.”

Sagt ausgerechnet Ueli Maurer, der mir mit einem bestellten Falschgutachten in der Cryptonummer die Karriere ruiniert hat.

1995 berichteten US-Medien über Verbindungen der Crypto zum amerikanischen Nachrichtendienst NSA und darüber, dass der Crypto-Vizedirektor und ETH-Ingenieur Peter Frutiger sich in den siebziger Jahren mit NSA-Spezialisten getroffen hatte. Wie hat die ETH reagiert?

An der ETH war das kein Thema. Die ETH war nie involviert, sie ist es auch heute nicht.

Aha, US-Medien sagten, dass ein ETH-Ingenieur Verbindungen zur NSA hatte und Maurer sagt, die ETH sei nie involviert gewesen. Also in meinem Fall war sie involviert. Auch wenn Maurer damals das so als Privatgutachten darstellen wollte, das mit der ETH nichts zu tun hatte: Spätestens mit meinem Beschwerdeverfahren bei der ETH, der Untersuchung durch das Rektorat und der von einer Instruktionsrichterin gegen die ETH verfügten Akteneinsicht war es eine Sache der ETH.

Die Verbindung zwischen der CIA und der ETH Zürich

Laut dem Minerva-Bericht, der jetzt zu reden gibt, soll ein Vertreter des Schweizer Nachrichtendienstes der CIA gesagt haben, es sei sichergestellt, dass allfällige Untersuchungen der Crypto-Geräte immer bestätigen würden, dass es keine Manipulation gebe – selbst wenn das von der ETH gemacht werde. Dort habe man «vier von fünf Kryptologen im Griff».

Das ist absurd. Wer das aufgeschrieben hat, hat geblufft oder phantasiert. Es gab in jener Zeit an der ETH zwei Kryptologen, James Massey und mich. Massey war mein Doktorvater, ein Amerikaner und meines Erachtens integer. Diese Bemerkung im Bericht zeigt mir, dass man vorsichtig sein muss.

Bingo.

Die CIA sagt laut Minerva-Bericht (den ich leider noch nicht habe), dass der Schweizer Nachrichtendienst gesagt habe, dass auch die ETH falsche Berichte herausgebe, weil man dort vier von fünf Kryptologen im Griff habe.

Und aus genau diesem Sumpf kam das Gefälligkeitsgutachten zur Ablehnung meiner Disseration.

Und jetzt *Trommelwirbel*:

Sie wären einer dieser ETH-Experten gewesen.

Genau. Und mich würde interessieren, ob ich aus Sicht der Nachrichtendienste einer der vier gewesen wäre, die man angeblich unter Kontrolle hatte – oder aber der fünfte. Tatsache ist: Ich bin im Fall Crypto nie kontaktiert worden. Es ist auch eine seltsame Vorstellung, dass man die Geräte zur ETH gebracht hätte, um zu bestätigen, dass sie nicht gezinkt seien – denn natürlich hätte man uns dafür ein Gerät ohne Schwachstellen zur Verfügung gestellt. Damit wäre nichts bewiesen.

Wenn er der fünfte wäre, dann hätten ihn die Karlsruher nicht kontaktiert. Es war sowieso nie klar und nachvollziehbar, warum die Uni Karlsruhe einen Ausländer kontaktiert hatte, der vom deutschen Promotionsverfahren keine Ahnung hatte (sich allerdings auch an die Regeln der ETH nicht hielt), und von vornherein sagte, dass er weder zur Prüfung, noch zu einem Gerichtsverfahren nach Deutschland kommen werde. Dem nach der vorgefundenen Aktenlage, dem Mailverkehr dazu und seinen späteren Einlassungen klar gewesen sein muss, dass er ein Gefälligkeitsgutachten ausstellt.

Und der hat auf Bestellung bereitwillig ein Falschgutachten in einer Crypto-Frage ausgestellt. Ohne die Sache geprüft zu haben.

Genau so, wie man Gefälligkeitsgutachten ausgestellt hätte, dass die Cryptomaschinen der Crypto AG koscher sind. Gefälligkeitsgutachten für die Interessen der CIA.

Wie oft haben Sie mit solchen Themen zu tun?

Fast nie! Wir sind Wissenschafter. […] Im Alltag haben wir eigentlich kaum je mit Geheimdiensten zu tun.

Das entspricht erstens nicht meiner Erfahrung. Und zweitens: Warum nennt man sie wohl „Geheimdienste”?

Wurden Sie von der NSA auch kontaktiert?

Ja, in jener Zeit wurden einige Wissenschafter in unserem Bereich kontaktiert.

Wie muss man sich das vorstellen?

Wie in einem Agentenfilm. Man lernt jemanden kennen, es wirkt wie ein normaler Kontakt im privaten Kontext. In meinem Fall war es ein Mann. Ich dachte keine Sekunde daran, dass eine bestimmte Absicht dahinterstehen könnte. Die Begegnung war interessant, es entwickelte sich ein regelmässiger Kontakt daraus. Irgendwann sagte die Person dann, sie wolle mich einem Bekannten vorstellen, der gerne mit mir reden möchte. Da wurde klar, auf was es hinausläuft.

Eben hat er noch behauptet, es gab keine Kontakte.

Also hatte er doch Kontakte.

Wie ist das, wenn man feststellen muss, dass von Anfang an diese Absicht bestand?

Das ist menschlich speziell. Es hat mich beschäftigt, und ich habe nur mit sehr wenigen Menschen darüber gesprochen.

Sind Sie darauf eingestiegen?

Nein. Ich hätte nur verlieren können.

Mal umgekehrt gefragt: Angenommen, er wäre darauf eingegangen. Würde er dann heute „ja” oder auch „nein” sagen?

Kennen Sie weitere Fälle?

In den neunziger Jahren sind zwei oder drei von meinen Doktoranden auf ähnliche Weise durch Leute von Geheimdiensten kontaktiert worden. Doktoranden verfügen nur über Kenntnisse, die man auch anderswo beschaffen könnte. Daher vermute ich, es ging darum, ein Netzwerk aufzubauen mit Leuten, die später einmal in einer sensitive Position tätig und deshalb hilfreich sein könnten.

Doktoranden verfügen nur über Kenntnisse, die man auch anderswo beschaffen könnte?

An der ETH vielleicht. Wir am EISS damals hatten Kenntnisse, die man anderswo nicht beschaffen konnte. Warum sonst hätte man einen Kopie meiner Workstation gezogen und uns die Publikation verboten/sabotiert?

Hat es den Trick mit der Hintertür vor dem Fall Crypto schon gegeben?

Da ist mir nichts bekannt. Im Zweiten Weltkrieg wurde Enigma, die Chiffriermaschine der Deutschen, geknackt, aber nicht, weil sie eine Hintertüre hatte, sondern weil die Komplexität in diesen mechanischen Geräten noch so beschränkt war, dass es noch möglich war, den Code zu knacken.

Das stimmt so auch nicht ganz. Die Enigma hatte alles in allem eine Schlüssellänge, die es durchaus mit modernen Verfahren aufnehmen kann.

Sie hatte nur einen Konstruktionsfehler. Oder eigentlich zwei. Der Hauptfehler war, dass ein Buchstabe nie auf sich selbst verschlüsselt wurde, das Chiffrat also immer einen anderen Buchstaben da hatte, wodurch man Wissen über den Quelltext haben und ihn raten konnte. Der zweite war die Symmetrie, dass Verschlüsselung gleich Entschlüsselung war, dass wenn X auf Y verschlüsselt wurde, immer auch Y auf X. Ohne diese zwei Lücken hätte man die „Bombe”, die die Enigma gebrochen hat, nicht konstruieren können. Das Problem war nicht die Beschränkung der mechanischen Geräte bei der Verschlüsselung, sondern dass durch diese zwei Lücken das System mit den beschränkten mechanischen Mitteln gebrochen werden konnte.

Man hätte das leicht beheben und die Enigma dadurch enorm stärker machen können. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass es eine Hintertür, ein Angriff war. Es war Nachlässigkeit, deutsche Überheblichkeit. Militärische Arroganz. Aber es hat damit den Prototyp der Hintertür geliefert, die Initialidee sozusagen.

Der Minerva-Bericht

Ich will diesen Minerva-Bericht haben.

Wer ihn hat, möge ihn mir bitte dringen zusenden.

Wenn da drin steht, dass die ETH Zürich und ihre Kryptologen geheimdiensthörig waren und für Falschgutachten auf Bestellung bereitstanden, ist das genau das, wonach ich noch gesucht habe. Denn die Akten, dass Maurer damals für die Uni Karlsruhe auf Bestellung ein Gefälligkeitsgutachten in Sachen Crypto erstellt hat, habe ich. Und es war nie ersichtlich, warum die Uni Karlsruhe dazu den Ausländer Maurer heranzog und trotzdem sicher war, dass sie ihm vorher per E-Mail schreiben konnte, dass sie eine Ablehnung braucht und wie die auszusehen hat. (Siehe Adele und die Fledermaus.)

Wie sonst hätte sich ein Dekan (selbst einer anderen Fachrichtung, der nichts mit Crypto zu tun hatte) trauen können, einer ausländischen Universität einfach so per E-Mail schreiben zu können, wie er das Falschgutachten braucht und was drinzustehen hat? Wenn nicht auf der Schiene BND die Vermittlung zustandegekommen wäre, dass da ein Verbindungsmann sitzt?

Maurer war involviert. Kein auch nur ansatzweise seriöser Professor hätte sich so verhalten. Jeder auch nur halbwegs vernünftige Mensch wäre empört gewesen und hätte die Frechheit zurückgewiesen, wenn sich ein Dekan einer fremden, ausländischen Universität meldet und einfach so ein bewusstes und vorsätzliches Falschgutachten anfordert und das Ergebnis aushandelt, bevor überhaupt der Untersuchungsgegenstand eingetroffen ist. Und ohne überhaupt die Fragestellung, Anforderungskriterien zu kennen. War ja auch das absolute Witzgutachten.

Die Schweiz steckt viel, viel tiefer in diesem Sumpf, als man das bisher so glauben wollte. Nicht nur deren Bundespolitik ist in diesem CIA-Sumpf mit drin, auch deren Bundesuniversität ETH. Und es geht ja nicht nur um Spionage. Das ist ja auch Sabotage, Lügen, Betrügen, Falschgutachten, die Manipulation des ganzen Forschungsbereiches.

Dann fehlt mir eigentlich nur noch ein CIA-Paper über ihre Agenten im Bundesverfassungsgericht.

Dann müsste man mal das Fass einer Agententätigkeit im Bundesverfassungsgericht aufmachen.