Ansichten eines Informatikers

Thema der Woche in der Schweiz

Hadmut
20.2.2020 1:30

Ein beachtlicher Unterschied.

Während bei uns die Kryptoaffäre nur nebenbei und eigentlich auch nur unter moralischen Gesichtspunkten der Erkenntnisverwertung – man hatte aus dem Abhören Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen, warum hat man darauf nicht reagiert? – diskutiert wurde und im ZDF mal noch schnell jeder sagen durfte, dass man damit nichts zu tun und keinerlei Kenntnis von rechtwidrigem Verhalten des BND haben (in der Tat wäre die Frage, gegen welches – schweizer – Gesetz es eigentlich verstößt, faule Kryptomaschinen zu verkaufen), und es bei Lanz nochmal um wohliges James-Bond-Grusel ging, und die Sache bei Maischberger gar nicht erst auf der Agenda steht, geht es in der Schweiz deutlich stärker hoch her. Ich hatte ja vorhin schon die Anfrage eines Schweizers beschrieben, warum das im Ausland eigentlich niemanden interessiert und man in Deutschland höchstens aus die Schweiz, aber nicht etwa auf die USA zeigt.

Naja, auch weil es für CIA und BND eine „gelungene” Operation war, den Schaden aber die Abgehörten und die Schweiz haben.

Wer sich dafür interessiert und mit dem Schweizer Akzent klarkommt, findet beim SRF noch eine über einstündige Talkshow allein über die Crypto-Affäre.

Thema auch: Wer alles davon wusste und es abgetritten hat, das Geheimdienstschema „plausible deniability”. Alles immer abstreiten können.

Mit als Gast im Studio: Ueli Maurer.

Er sagt übrigens (0:18:05), er glaube, man könne an dem Bericht nicht alles für bare Münze nehmen. Und direkt danach geht es darum, dass er in dem Bericht erwähnt werde und es heißt, dass man Kryptologen im Griff habe. Man müsse das anzweifeln, zumal es dort nur zwei Kryptologen gegeben habe. Ein klares Nein hört sich für mich anderes an.

Etwas später (0:22:00) beschreibt aber der Journalist Res Strehle, dass der Bericht genau und analytisch hochstehend und nicht nur so eine Stimmungslage sei.

Bei 0:29:15 sagt der IT-Unternehmer Ruedi Noser etwas sehr wichtiges: Jeder Student habe gewusst, dass keiner weiß, wem die Firma gehört. „Wenn Sie nicht wissen, wem eine Firma gehört, und Sie haben Vertrauen zu dieser Firma, dann tun Sie mir leid!” Das hat zwar so ein Aroma von tja, dann sind die Käufer halt selbst schuld – aber irgendwo hat er Recht. Einfach zu glauben, dass man in der „neutralen” Schweiz einen vertrauenswürdigen Crypto-Basar findet, ist naiv.

Andererseits kann man natürlich fragen, ob man in einem Land nicht in gewisser Weise darauf vertrauen kann, dass der Staat durch Gesetze und Kontrolle für eine gewisse Ordnung sorgt und da nicht der völlige Wildwest-Zustand herrscht.

Maurer sagt dazu (ich verstehe da am Schweizerisch auch bei dreimaligem Anhören nicht alles), dass es wohl über Korruption gelaufen sein muss, womit er einerseits sogar Recht hat, was die Sache aber nicht besser macht. Zumal es nicht nur gewöhnliche Korruption zwischen dem Käufer und dem Verkäufer sein muss, sondern eben Pseudokorruption zwischen CIA und Opfer: Wie bringt man jemandem, von dem man weiß, dass er korrupt ist, dazu, die gezinkten Kryptomaschinen zu kaufen? Man besticht ihn und lässt ihn glauben, es sei Schmiergeld. Korruption ist die Methode, nicht die Entschuldigung. Es gab ja auch Hinweise, dass die USA manchen Staaten großzügige Militärkredite gewährte, damit die sich sichere Kryptogeräte von der Crypto AG kaufen konnten. Der Geheimdienst gewährt dem Abgehörten Kredit, damit der sich die Abhörgeräte kaufen kann. (In der DDR waren sie für den Abgehörten wenigstens gratis.) Hört sich aber auch für mich an wie „selbst schuld”. Die Realität ist dann andererseits aber eher, dass auch systematisch Falschinformationen gestreut werden, dass etwa die und die sicher sind, oder Agenten in anderen Ländern falsche Empfehlungen streuen.

Danach sagt ein Ex-Crypto-Mitarbeiter, dass die das ja auch nicht alle freiwillig gekauft haben, sondern durch Hilfen und so weiter dahin geführt wurden.

Ab 0:40:00 diskutieren sie die überaus interessante Frage, warum die Sache gerade jetzt hochkommt.

Ab 0:45:00 fragen sie, was man daraus eigentlich lernt und ob da nicht noch etwas viel Größeres auf uns zu kommt.

Danach geht es nochmal um das Verhältnis zwischen Maurer und Geheimdiensten. Er sagt, da hätte es viele Tote gegeben und für ihn sei klar gewesen „Da machst Du nicht mit…”.

Bei 1:06:29 wird noch gesagt, dass „Frau Merkel” ohne Not Swift einfach den Amerikanern geschenkt habe. Gratis.

Einerseits muss man sagen, dass es halt doch oberflächlich war, weil sie eben nur wenig Fakten hatten und vieles nur Meinungsäußerung war.

Auf der anderen Seite muss man sagen, dass die Sendung deutlich besser war als alles, was wir hier im deutschen Fernsehen bekommen, denn man hatte Leute vom Fach, die sachlich gesprochen haben, ruhig, keiner hat geschrien, und niemand ist dem anderen ins Wort gefallen, nicht hat das Wort abgeschnitten, niemand hat wild gestikuliert. Im deutschen Fernsehen wäre das wieder so eine Katastrophenshow geworden, wo sich Politiker von mindestens drei Parteien gegenseitig an den Hals gehen und alle durcheinander brüllen.

Es zeigt aber auch, dass sie die Situation noch nicht zu fassen kriegen, aber doch schon befürchten, dass da noch mehr nachkommt.