Très chic
Tagesaktuelle Hinweise vom Modeblogger.
Ich war einkaufen.
Aus gewissen Gründen hatte ich mir einen Großmarkt und einen abgelegenen Supermarkt ausgesucht, von denen ich weiß, dass da die Kundendichte zu gewissen Zeiten so niedrig ist, dass man da gewissen Abstand halten kann. Klopapier haben sie alle nicht mehr.
Im Großmarkt war der ganze – riesige – Nudelgang so gut wie leer. Etwas Tagliatelle hatten sie noch, und ich habe eine Packung gekauft, weil ich außer gekocht im Restaurant noch nie welche gekauft habe, und ich überlege mir jetzt, was ich mit denen am besten anfange, ob die sich eignen, in einer Gemüsesuppe mitgekocht zu werden. Laut Packung sollen sie nur 5 Minuten kochen, das wird eine Sache des Timings. Ansonsten waren alle Regale und Paletten ratzeputz leer, einen einzigen 3-kg-Sack Edelspiralnudeln hatten sie noch.
Da ich mir speziell Märkte mit geringer Kundendichte ausgesucht habe, sah ich da keine Notwendigkeit, eine der höchst wertvollen und knappen Schutzmasken aufzuziehen, habe aber schon etwa ein halbes Dutzend Leute mit Masken gesehen. Das kommt jetzt in Mode, das ist jetzt chic. Der letzte Schrei aus Paris, könnte man sagen.
Ich hatte meinen modischen Schwerpunkt heute auf Handschuhe gelegt, so dünne Haushaltslatex-Handschuhe zum Wegwerfen. (Auch nicht mehr zu bekommen.) Weil ich beobachtet und festgestellt hatte, dass sie Einkaufswagengriffe und Kartenzahlungstastaturen niemals sauber machen, und aus irgendwelchen Gründen, die ich noch nicht verstanden habe, die kontaktlose Kartenzahlung bei mir nicht funktioniert, ich kriege immer die Fehlermeldung, den Kontaktkartenleser zu verwenden.
Zunächst war ich da modisch ein Außenseiter, der einzige Kunde mit Handschuhen. Immerhin, man wird nicht ausgegrenzt oder schräg angesehen, die meisten ignorieren es, manchen sieht man den „hätt ich auch sollen”-Blick an. Anerkennende Blicke vom Personal.
Aber dann:
Mir begegnet eine durchaus nicht unattraktive junge Frau, und auch sie trägt Latexhandschuhe. Während meine eher in klassischem Elfenbein-Crème gehalten sind, trägt sie einen Traum in angesagtem Flieder. Gummihandschuhe in Flieder sind jetzt modisch wieder total im Kommen, die muss man jetzt einfach haben.
Und dann der Blick – zwei wesensverwandte Seelen treffen aufeinander. Ein gegenseitiges Verständnis, dieses sofortige „wir sind vom selben Stern, vom selben Stamm”, dieses beruhigende Gefühl, unter all den Ignoranten und Maskenträgern doch nicht allein zu sein.
Eine Begnung, ein flüchtiges Aneinandervorbeigehen, ein vielsagendes Lächeln, ein kurzer heißer Flirt in heißem Latex und infektionssicherer Distanz.
Heiße Dampfwolken steigen aus den meinen, als ich sie draußen auf dem Parkplatz nach der Rückgabe des Einkaufswagens entsorge. Eine Note meines männlichen Schweißes, der sich unter diesen Handschuhen gebildet hatte, vermischt sich mit dem unverwechselbaren Aroma von Haushaltshandschuhen und der schnöden, kalten Realität des Talkums an meinen Händen.
Das Einkaufen hat sich verändert.
Wenn ich die Tagliatelle esse, werde ich an die fliederfarbenen Handschuhe denken.