Star Trek Picard
Ich habe vergangene Nacht den zehnten und damit letzten Teil der ersten Staffel gesehen. Ein Kommentar.
Im Gegensatz zu vielen anderen, auch den Zuschriften von Lesern und einigen Kommentaren im Internet muss ich sagen: Mir hat’s gefallen.
Ein paar Kritikpunkte hätt’ ich schon, aber die halten sich in Grenzen.
Ulkig fand ich, dass Dr. Soong zwar Bio-Roboter erschaffen kann, aber IKEA-Lampen an der Decke hängen hat. Ich muss es mir auch nochmal anschauen, aber mir war so, als hätte ich am Plattenspieler noch das Dual-Firmenlogo unten links in der Ecke gesehen. Herrlich. Es hat gewissen Charme, dass nicht alles so künstlich und aus dem Computer kommt, sondern die da manchmal noch in richtigen Räumen spielen, die nicht mal nach Studiokulisse aussehen, sondern vermutlich – wie beim Weingut und dem Sternenflottenhauptquartier – einfach ganz normale Gebäude waren, die sie angemietet haben.
Gut fand ich, dass die Serie nicht stark angefangen und dann nachgelassen oder gleich geblieben ist (weil das nach der 3. Folge dann auch langweilig geworden wäre), sondern die Spannung zunahm. Und mir gefielen die Teile damit auch zunehmend besser, nur im 9. Teil hatte ich (wie letzte Woche geschrieben) so einen Begeisterungseinbruch, weil die Androidengemeinde doch ziemlich zwischen Hippie und TOS daherkam, aber ich habe es halt als Remineszenz an die alten TOS-Folgen genommen.
Dass Picard die Sache überlebt, und das mit technischer Hilfe, war schon klar, als bekannt wurde, dass er den Vertrag für eine zweite Staffel unterschrieben hat. Ich war mir sicher, dass sie den Hirnschaden entweder durch Borgtechnik reparieren und Seven ihm ein paar alte Locutus-Bauteile einbaut, oder er Androidentechnik bekommt. Ich hatte zu Anfang der Staffel schon die Vermutung gelesen, dass Picard nur der Aufhänger sei und die Serie – wie Enterprise, DS9, Voyager, Discovery – nach einem Raumschiff benannt ist, in dem die Handlung spielt, und Picard am Ende der ersten Staffel stirbt, das Raumschiff aber nach ihm benannt wird. Ich habe den starken Verdacht, dass das auch so geplant war, denn der Schlenker am Schluss, dass er doch noch gerettet wird, muss man eigentlich nicht machen. Man hätten ihn auch einfach beerdigen und ohne ihn weiter machen können. Vermutlich waren genau diese Optionen auch geplant, falls Patrick Stewart nicht weitergemacht hätte. Dann hätte er das Ende halt nicht überlebt. Wirkt schon so ein bisschen wie kurz vor Ende noch umgeschrieben.
Apropos umgeschrieben: Anscheinend hatte Brent Spiner auch Lust, noch weiterzumachen, aber nicht als Data, den er altersmäßig nicht mehr so überzeugend darstellen konnte. Er passt als Dr. Soong da auch besser rein, nachdem Data ja auch gegenüber den anderen technisch veraltet wäre.
Das Story-Ende fand ich insgesamt etwas enttäuschend, so ein „Jeder sieht ein, dass was falsch gelaufen ist und geht nach Hause” ist nicht so der Brüller. Zumal ich mir das Ende völlig anderes vorgestellt hatte. Ich war mir eigentlich sicher, dass da etwas anderes herauskommt. Zehn Folgen lang ging es ja darum, dass die Romulaner was gegen Androiden haben und deren Zhat Vash ein finsteres Geheimnis bewahren, das irgendwas mit künstlicher Intelligenz und Androiden zu tun hat. Ich hätte gewettet, dass die Borg so eine Art missglücktes Experiment oder schiefgelaufene Technik der Romulaner waren und die deshalb so gegen Androiden waren und versuchen, die zu zerstören.
Etwas bedauerlich fand ich, dass sie Narissa Rizzo entsorgt haben. Die war so fies und böse, dass sie die eigentlich noch hätten weiterverwenden können. Außerdem sah die als Romulanerin ziemlich gut aus – besser als im menschlichen Original.
Richtig gut besetzt finde ich auch Narek, den hintertriebenen Romulaner, auch wenn mir dessen Läuterung im zehnten Teil nicht ganz einleuchtete. Ich muss mir mal angucken, ob der wirklich so etwas nach außen schielt, oder ob sie das im Computer gemacht haben, aber dessen Blick in die Kamera ist schon sehr gut, das macht da wirklich einen Charakter.
Zwar ist Narissa wohl weg, dafür aber Seven of Nine wieder ein Brüller. Und anscheinend weiter dabei. Ob man die komische Rumfingerei mit Raffi am Schluss als Beginn eines lesbischen Verhältnisses ansehen sollte, darüber denke ich lieber gar nicht erst nach. Auch die Figur der Raffi hat mir – im Gegensatz zu vielen anderen Leuten – recht gut gefallen.
Gewöhnungsbedürftig finde ich, dass es keine einzelnen Stories mehr gibt, sondern sich das als eine große Story über 10 Folgen (=9 Wochen) hinzieht. Ein Kumpel hat deshalb erst bei Folge 5 angefangen, das zu schauen (natürlich mit 1 angefangen, aber nicht so zeitlich gedehnt). Im Prinzip ist es ein Kinofilm über ca. 300 bis 400 Minuten, in zehn Scheiben geschnitten.
Gerade weil dieser letzte Teil der ersten Staffel aber mit dem Bild endet, dass sich in diesem komischen Raumschiff nun eine komplette Crew gebildet hat (Picard allerdings etwas zusätzlich, wie das fünfte Rad am Wagen dabei steht, und man auch sieht, dass sie seinen Sessel da irgendwie noch nachträglich mit reingezwängt haben, weshalb ich vermute, dass er ursprünglich sterben und dann für die weiteren Folgen das Schiff nach ihm umbenannt werden sollte), sieht das nicht nach beendeter Story aus, sondern nach dem Aufhänger dafür, wie sich eine neue Crew für ein neues Schiff aus Leuten sammelt, die eigentlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben und niemals zueinander gefunden hätten, wenn Picard nicht gewesen wäre. Was bei mir den Eindruck verstärkt, dass man Stewart (der ja selbst mit einer der Produzenten ist) ursprünglich nur als bekannten Namen und Aufreißer für die erste Staffel gewollt und geholt hatte, der dann aber Spaß daran gefunden hatte. Mir wurde aus dem Bekanntenkreis von einem, der einen Star-Trek-Schauspieler persönlich kennt, gesagt, dass die da schon ziemlichen Spaß dran hätten.
Sagen wir es so: Ich fand es nicht optimal, aber ich fand es gut. Zumal mir imponiert hat, dass man auch unter offensichtlichen deutlichen Sparmaßnahmen ordentliche Filme machen kann. Ja, die Umgebung war weit überwiegend in praktisch unveränderten Kulissen unserer Zeit gedreht, die (wenigen) Uniformen billig genäht, die Replikatoren ordinäre, unveränderte 3D-Drucker aus dem Baumarkt, das Hauptquartier der Sternenflotte das Konferenzzentrum von Anaheim und die Lampen auf einem weit entfernten Planeten von IKEA. Geschenkt, das muss so sein. Raumpatrouille arbeitete auch mit Plastikbechern, Bügeleisen und Wasserhähnen als Flugsteuerung, das Reisegepäck bei TNG war identisch mit dem Koffer der ersten Videokamera meines Vaters, und die Weltraumtassen von DS9 gab’s mal bei Metro für kleines Geld, sie taugten aber auch nichts. Und das Lichtschwert von Luke Skywalker war der Handgriff eines 50er-Jahre-Reporter-Blitzgerätes, hatte genau deshalb diese seltsame Form, weil oben noch der Reflektorschirm für die Blitzbirne draufgehört. Ich liebe sowas.
Mir ist sowas weitaus lieber, als wenn alles irgendwie synthetisch durcherfunden ist. Zumal allzu futuristischtes nicht glaubwürdig ist. Schaut man sich ältere Science Fiction an, deren Zeit wir schon erreicht haben, etwa 1984, Zurück in die Zukunft II, Blade Runner oder 2001: A Space Odyssey – gibt noch mehr, fällt mir aber gerade nicht ein – dann ist die Realität zwar oft technisch durchaus spritzig vorangekommen, aber das normale Leben da draußen sieht – von Handys vielleicht mal abgesehen und bald selbstfahrenden Autos – doch reichlich herkömmlich aus, das lässt sich nicht so futuristisch an, wie gedacht. Insofern finde ich das auch völlig in Ordnung, wenn picard da einfach in Pulli und Bundfaltenhose rumläuft. Wir haben in den letzten 100 Jahren eine enorme technische Revolution hingelegt, aber das allgemeine Leben hat sich nicht so übermäßig verändert. Ich nehme deshalb an, dass unsere Welt dann in 100 Jahren auch nicht so grundlegend anders aussehen wird. Deshalb stört es mich auch nicht, wenn ein Science Fiction (eigentlich ist es das ja nicht einmal, sondern eine Phantasy-Version von die Guten gegen die Bösen), so gegenwartsorientiert daherkommt.
Es war mit begrenztem Budget und – bis auf Picard, Seven-of-Nine und die alten Recken mit Gastauftritten – einer (hier) komplett unbekannten Garde kleinerer Schauspieler recht gut gemachte Unterhaltung, mit ein paar Logikfehlern zwar, auf die ich aber pfeife, und eine nette Auftaktstaffel, die erzählte, wie sich da eine Crew zusammengefunden hat.
Und positiv bemerken möchte ich, dass sie zwar wieder Frauenförderung und Frauenquote gemacht haben, unverkennbar, es aber – im Gegensatz zum bisherigen Hollywood-Mist wie die Ghostbusterinnen – endlich mal geschafft (und anscheinend gelernt) haben, Frauen nicht in ganz so strunzdummen aufgezwungenen Deppenrollen zu präsentieren. Es ist schwer, Quoten- und Zwangsfrauen dramaturgisch und schauspielerisch irgendwie unterzubringen, aber hier ging’s mal gut:
- Die Haushälterin Laris war sehr gut gemacht,
- Dahj/Soji hat mich noch nicht so völlig vom Hocker gerissen, aber OK und passt zur Rolle
- Raffi gefällt mir,
- Agnes Jurati hielt ich anfangs für einen Fehlgriff, inzwischen so lala, vielleicht wird noch was draus (komischerweise dachte ich ständig, die sieht genau so aus, dass sie einfach „Agnes” heißen muss)
- Commodore Oh fand ich auch ziemlich gut geraten, vor allem in der letzte Folge, überzeugend böse
- Narissa Rizzo hat mir auch gefallen, schade, dass sie die umgelegt haben, aber irgendwelche Bösen mussten ja sterben und den cat fight konnte auch nur eine gewinnen
- Seven of Nine der Brüller.
Beachtlich daran, dass einige der Frauen jenseits des Alters sind, ab dem Frauen angeblich keine Rollen mehr bekommen. Das Problem ist aber eher, dass es so wenige Schauspielerinnen gibt, deren Schauspielfähigkeiten über Titten/Arsch/Aussehen hinausgehen.
Man kann schon, wenn mal will – und taugliche Schauspieler findet.