Ansichten eines Informatikers

Verfassungsbeschwerde / Antrag auf einstweilige Anordnung wegen Corona-Pandemie abgelehnt

Hadmut
8.4.2020 21:03

Man sollte nicht so laut tönen, vor das Bundesverfassungsgericht „zu ziehen”. Das kann schnell vorbei sein.

Geht zwar noch nicht um den Fall der Rechtsanwältin, weil von „Herr…” die Rede ist, betrifft aber dieselbe Rechtsfrage. Einer wollte beim Bundesverfassungsgericht eine Einstweilige Anordnung gegen die Corona-Maßnahmen beantragen, und ist damit heute abgeblitzt.

Und zwar genau so, wie ich das vorher im Blog eingeschätzt hatte (unter der Prämisse, dass sich das BVerfG in dieser Sache noch an besethendes Verfassungsrecht hält, was man bei denen ja nie weiß).

Daher ist über den Antrag auf einstweilige Anordnung aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist allerdings wegen der weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 55, 1 <3>; 82, 310 <312>; 94, 166 <216 f.>; 106, 51 <58>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Juni 2018 – 2 BvR 1094/18 -, Rn. 2; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Oktober 2018 – 2 BvR 1845/18 -, Rn. 18; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 2020 – 2 BvQ 6/20 -, Rn. 18; stRspr). Bei der Folgenabwägung sind die Auswirkungen auf alle von den angegriffenen Regelungen Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur die Folgen für den Beschwerdeführer (vgl. für förmliche Gesetze BVerfGE 122, 342 <362>; 131, 47 <61>).

Sie müssen die Folgen für den Beschwerdeführer, falls ihm die Anordnung verwehrt wird, mit den Folgen für andere, falls ihm die Anordnung gewährt wird, abwägen. Klassisches Richterhandwerk im Fall kollidierender Rechte.

Danach ist die begehrte einstweilige Anordnung nicht zu erlassen. Der Beschwerdeführer legt zwar nachvollziehbar dar, dass die angegriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie seine grundrechtlich geschützten Freiheiten weitgehend verkürzen, weil er danach derzeit etwa keine Partnerschaft anbahnen, mit anderen musizieren oder demonstrieren könne. Auch ist nicht zu verkennen, dass die angegriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie die Grundrechte der Menschen, die sich in Bayern aufhalten, erheblich beschränken. Sie geben vor, den unmittelbaren körperlichen Kontakt und weithin auch die reale Begegnung zu beschränken oder ganz zu unterlassen, sie untersagen Einrichtungen, an denen sich Menschen treffen, den Betrieb und sie verbieten es, die eigene Wohnung ohne bestimmte Gründe zu verlassen. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde Erfolg, wären all diese Einschränkungen mit ihren erheblichen und voraussichtlich teilweise auch irreversiblen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht verfügt und etwaige Verstöße gegen sie auch zu Unrecht geahndet worden.

Erginge demgegenüber die beantragte einstweilige Anordnung und hätte die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg, würden sich voraussichtlich sehr viele Menschen so verhalten, wie es mit den angegriffenen Regelungen unterbunden werden soll, obwohl diese Verhaltensbeschränkungen mit der Verfassung vereinbar wären. So dürften dann insbesondere Einrichtungen, deren wirtschaftliche Existenz durch die Schließungen beeinträchtigt wird, wieder öffnen, viele Menschen ihre Wohnung häufiger verlassen und auch der unmittelbare Kontakt zwischen Menschen häufiger stattfinden. Damit würde sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen nach derzeitigen Erkenntnissen (ausführlich dazu BayVerfGH, Entscheidung vom 26. März 2020 – 6-VII-20 -, Rn. 16 f.) erheblich erhöhen.

Aus der Verfassungsbeschwerde ist damit insgesamt nicht ersichtlich oder sonst erkennbar, dass die Folgen einer Fortgeltung der angegriffenen Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie in einem Maße untragbar wären, dass ausnahmsweise eine geltende Regelung im Eilrechtsschutz außer Vollzug gesetzt werden müsste. Die hier geltend gemachten Interessen sind gewichtig, erscheinen aber nach dem hier anzulegenden strengen Maßstab nicht derart schwerwiegend, dass es unzumutbar erschiene, sie einstweilen zurückzustellen, um einen möglichst weitgehenden Gesundheits- und Lebensschutz zu ermöglichen, zu dem der Staat aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG prinzipiell auch verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 77, 170, <214>; 85, 191 <212>; 115, 25 <44 f.>). Gegenüber den Gefahren für Leib und Leben wiegen die Einschränkungen der persönlichen Freiheit weniger schwer. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die angegriffenen Regelungen von vornherein befristet sind, im Hinblick auf die Ausgangsbeschränkungen zahlreiche Ausnahmen vorsehen und bei der Ahndung von Verstößen im Einzelfall im Rahmen des Ermessens individuellen Belangen von besonderem Gewicht Rechnung zu tragen ist.

Also genau das, was ich in den früheren Blogartikeln (z. B. hier) schon geschrieben habe. Es braucht keine normalgesetzliche Grundlage, weil der Staat aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit unmittelbar zum Handeln verpflichtet ist und sich dem nicht durch Unterlassen von Gesetzgebung entwinden kann.

Und gegen dieses kollidierende Grundrecht anderer ist abzuwägen. Folgenabwägung.

Wundert mich, dass so viele Juristen wettern und das, obwohl eigentlich Grundhandwerk, nicht können, aber blöken, vor das Bundesverfassungsgericht „zu ziehen”.

Baer

Etwas wundert mich aber doch: Richter Harbarth Baer Ott

Seit wann kann Baer denn Verfassungsrecht?

Oder war das angstgetrieben? Oder fehlte einfach die Gender-Argumentation, dass die Maßnahmen Frauen ausgrenzen und stärker benachteiligen?

Wisst Ihr, an wen mich das erinnert?

An unseren Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Genauer gesagt ein Interview mit ihm in irgendeiner Nachrichtensendung diese Woche. Normalerweise halte ich Scholz für den letzten Spinner, weil der immer so ein Knautschgrinsen im Gesicht hat, als ob er das alles nur lächerlich findet und nichts ernst nimmt. Ist offenbar nicht nur mir aufgefallen, denn viele Karikaturisten zeichnen ihn immer mit seinem charakteristischen Knautschgrinsen. Haben wir aber eine Krise und fährt es finanziell gerade richtig gegen die Wand, kann der auf einmal so ganz normal und mit normalen Gesichtsausdruck sprechen, wie ein normaler Mensch. Auf einmal geht’s.

Anscheinend ist das bei Genderverfassungsrichtern auch so. Es braucht eine richtige Krise, damit die merken, dass es da irgendwo einen Boden gibt und nicht alles nur Genderkuckucksheim ist.