Meinungen über ein Blog meiner Meinung
Die Meinungen gehen auseinander.
Auch die über Demonstrationen.
Ich werde gerade mit ziemlich vielen, dem Tonfall nach kritischen bis unflätigen Mails zugeworfen, weil ich es bisher unterlassen habe, gegen die Corona-Maßnahmen zu wettern. Ich würde doch sonst auch gegen den Staat wettern. (Ich mache es aber nicht aus Prinzip und weil das meine Masche wäre.)
Vier Beispiele:
- Ein Leser schreibt verärgert, er könne meine Meinung nicht teilen. Das Konzept der Meinungsvielfalt scheint bei ihm nicht angekommen.
Selbst wenn ich wollte: Wie könnte ich seine Meinung schreiben? Ich kenne ihn ja gar nicht, und ich bin nicht nur schlecht im Singen und Tanzen, auch im Gedankenlesen.
- Ein anderer Leser schreibt, ich möge ruhig damit fortfahren, hier meine Meinung darzustellen. Denn seine eigene Meinung kenne er ja schon, die müsse er nicht nochmal lesen.
Das nun liegt mit meiner Denkweise auf einer Linie.
- Ein dritter schreibt:
und tschüss – ich werde deinen Blog nicht mehr lesen
Gerade erst entdeckt:
Es ist aber nicht Zweck und Inhalt dieses Blogs, die Wahrheit zu verkünden. Es ist Zweck und Inhalt dieses Blogs, meine Meinung zu verkünden. Und der primäre Wahrheitsanspruch dieses Blogs liegt darin, das zutreffend zu tun, also meine Meinung wahrheitsgemäß wiederzugeben.
Du bist also ein in sich selbstverliebtes ARSCHLOCH! Warum habe ich bloß die ganze Zeit deinen Blog gelesen. Das war reine Zeitverschwendung. Führe doch Selbstgespräche in deiner Selbstisolation mit deiner Wand. Und dir hatte ich mal Geld gespendet. Ich muß bekloppt gewesen sein.
Auf Nimmerwiederlesen.
Wahrheit? Was ist Wahrheit?
(Pontius Pilatus)
Ich versichere nachdrücklich, ich bin nicht selbstverliebt, denn dazu bin ich mir zu hässlich. Ich hege da gewisse Qualitätsmindestanforderungen, was die Verliebtheit angeht.
Gut, Leser kommen und gehen. Das war schon immer so. Nur ist mir bisher kein Fall bekannt, in dem einer, der vorher angekündigt hat, mein Blog nicht mehr zu lesen, es dann auch tatsächlich nicht mehr getan hat.
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Neulich schrieb mir einer, ich finde die Mail jetzt auf Anhieb nicht mehr, habe auch den Text nicht mehr wortwörtlich im Gedächtnis, so sinngemäß, ich sei nur ein bezahlter Lügenschreiber der Regierung.
Ich, ausgerechnet ich, soll ein Schreiber der Regierung sein. Noch bis vor kurzem hielten mich alle für einen Dissidenten, nicht wenige gar für „Staatsfeind Nr. 1”, und unzählige Leser schrieben mir, ich müsse nach der Crypto-Nummer froh sein, dass die mich nicht umgelegt hätten. Eigentlich müsste ich dem Professor und der Uni Karlsruhe dankbar sein, mir das Leben gerettet zu haben. Die Hinweise auf das Ableben von Tron an einem Baum und die Warnungen, ich möge mich zurückhalten, um nicht am selben Baum zu enden, kann ich schon gar nicht mehr zählen. Auch an sonstigen Prophezeiungen eines baldigen gewaltsamen Todes von Staatsräsons wegen habe ich keinen Mangel.
Dann schrieb mir der Betreiber eines Forums so rein informativ und als Warnhinweis, er habe einen Kommentar gesperrt, in dem jemand behauptet hatte:
Hadmut Danisch ist ein bezahlter Desinformant und gehört zur Kontrollierten Opposition. Finger weg!
Ob derselbe oder ein anderer, vermag ich nicht zu beurteilen.
Den Begriff der „Kontrollierten Opposition” musste ich erst mal googeln, der war mir bisher nicht geläufig.
Das ist dann jetzt aber auch nicht mehr nur andere Meinung, das ist dann gezielte Verleumdung und Diffamierung. Ob nun von links/Staats wegen, weil ich nicht schreibe, was die erwarten und die gerade eine Gelegenheit wittern, mich zu diffamieren, oder von rechts, weil ich nicht schreibe, was die erwarten, vermag ich auch gerade nicht einzuschätzen.
Aber irgendwem passt nicht, was ich schreiben, und das wiederum passt mir, denn wenn jedem passen würde, was ich schreibe, wäre es Zeitverschwendung es zu schreiben.
Bedauerlich dagegen ist, dass da bisher keine Zahlung eingegangen ist. Um ein bezahlter Desinformant zu sein, müsste man ja Geld erhalten. Ich bitte den Diffameur, mir zu schreiben, wessen bezahlter Desinformant ich sein solle, damit ich wenigstens da mal Mahnungen rausschicken kann.
Wieviel bekommt man eigentlich so als bezahlter Desinformant? Liege ich da richtig mit einer Größenordnung einer Gender-Professur?
(Und nein, die Professur, auf deren Grundlage man sagen könnte, ich würde vom Staat bezahlt, habe ich nicht bekommen, wie schon gelegentlich in diesem Blog erwähnt.)
Ich finde es seltsam, welchen Standpunkt manche Leute haben.
Einerseits zetern sie enorm, weil ihre Grundrechte der Demonstrationsfreiheit und ähnliches gar bitterlich verletzt sein sollen. Weil sie mal vier Wochen zuhause bleiben sollen.
Und viele beschimpfen mich übelst, weil ich in diesen Chor nicht einstimme.
Gleichzeitig aber beschimpfen sie mich (siehe oben, „selbstverliebtes ARSCHLOCH”), weil ich mir herausnehme, meine eigene Meinung und nicht irgendeine Kollektiv-/Rudel-/Herdenmeinung zu äußern. Als ob ein Blog zum Zwecke der Wahrnehmung der eigenen Meinungsfreiheit keine Grundrechtsangelegenheit sei.
Das Demonstrationsrecht sei heilig, das Recht der Meinungsfreiheit die Unverschämtheit des „ARSCHLOCHES”.
Wie aber könnte ein Demonstrationsrecht ohne Meinungsfreiheit stattfinden? Wird die Demonstrationsrecht als das Recht angesehen, die Meinung eines anderen zu vertreten, die Herdenmeinung, während so eine Individualfreiheit, wie ich sie mir nehme, als herdenwidrig eingestuft wird? Sind wir schon wieder beim archaischen Herden- und Rudelwesen, bei dem Konformität über allem steht?
Oder sind es einfach zwei Seiten derselben Medaille? Dass ich eher ein Individualist und Einzelgänger bin, und mich deshalb diese Isolierung kaum stört, solange ich genug Essen, Klopapier und Internet habe (ich halte das problemlos noch drei Monate durch). Ich fühle mich eigentlich gerade recht wohl damit, mal eine Ruhephase einzulegen. Die Zeit zu nutzen, um manches abzuarbeiten, was liegen geblieben ist. Mal nicht in den verdreckten stinkigen U- und S-Bahnen fahren, von anderen Leuten anpöbeln lassen.
Seit über einem Monat kein Zigarettenrauch mehr. Ist das nicht wunderbar?
Das einzige, was mir fehlt, ist etwas Bewegung und ab und zu ein Döner. Und Australien. Ansonsten fühle ich mich rundum wohl. Ich habe schlicht keinen Anlass zu schimpfen und fühle mich auch persönlich in keinem Grundrecht ernstlich verletzt. Formal vielleicht schon, aber nur erträglich innerhalb der Grenzen, in denen ich die Grundrechte sowieso genutzt hätte. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die ein Recht, das sie sonst nicht nutzen, nur deshalb demonstrativ ausnutzen, um sich über dessen temporäre Einschränkung zu beklagen.
Deshalb fehlt mir auch etwas das Verständnis dafür, sich über fehlende Demonstrationen zu beklagen. Ich mag Demonstrationen nicht und gehe da ohnehin aus bereits früher dargelegten Gründen nicht hin. Ich verabscheue Demonstrationen und betrachte sie mit Geringschätzung. Meistens betrachte ich sie dabei durch mein Küchenfenster. Ich wohne nämlich unweit einer Straße, durch die sehr viele Demonstrationen ziehen, weshalb ich von meinem Küchenfenster aus sehr viele Demonstrationen sehe. Und mit jeder wächst meine Geringschätzung. Meistens versteht man ohnehin nicht, wofür oder wogegen sie demonstrieren, weil irgendeinen Quotentussi so übersteuert in ein Mikrofon kreischt, dass man kein Wort versteht. Und wenn doch, ist man auch nicht schlauer, weil es meistens auch dumm ist. Die wenigsten Demonstrationen sind in der Lage verständlich mitzuteilen, was ihr Anliegen ist. Und weil zwischen meinem Küchenfenster und besagter Straße noch ein Supermarktparkplatz liegt, sehe ich nicht selten, dass die dann da reihenweise hintern den Supermarkt pinkeln und manchmal kacken. Ich betrachte ein vorübergehendes Demonstrationsverbot nicht als Unglück.
Aber ich vermute, dass der Drang zu Demonstrationen und das Leid durch das Zuhausebleiben auf denselben Wesensmerkmalen beruht, nämlich einem ausgeprägten Herdendrang.
Selbstverständlich respektiere ich das Demonstrationsrecht als Grundrecht anderer. Aber ich sehe mich nicht als deren Anwalt, wenn es um Verletzung desselben geht.
Vor allem dann nicht, wenn es mal um 1, 2, 3 Monate geht.
Nur mal zur Erinnerung: Ich kämpfe hier seit über 20 Jahren um meine Grundrechte, Berufs-, Wissenschaftsfreiheit, Rechtsweg und so weiter. Was ich für ein viel schlimmere Grundrechtsverletzung halte, als man ein paar Wochen nicht Demonstrieren gehen zu können. Und auch nach 20 Jahren stehe ich da im wesentlichen als Einzelkämpfer da. Von einem „Gebt dem Danisch mal seine Grundrechte” habe ich da bisher nicht viel gehört.
Deshalb verstehe ich nicht ganz, warum ich jetzt dafür verantwortlich sein soll, irgendwelche Grundrechte anderer für sie einzuklagen.
Und noch weniger verstehe ich das, wenn jemand das Demonstrationsrecht einfordert, ohne sagen zu können, wofür er es gerade braucht und demonstrieren will, dabei aber jeglich Abwägung gegenüber Gegeninteressen, die ebenfalls auf Grundrechten beruhen, unterlässt. Mich stört daran, dass so viele Leute dabei immer unterstellen, dass nur sie Grundrechte hätten, die aus Prinzip gegen andere durchzusetzen seien.
Oder anders gesagt:
Der Staat beeinflusst mich jetzt gerade weder negativ, noch durch Geldzahlungen in meinen Äußerungen, jedenfalls nicht so, dass ich es bewusst wahrnehmen würde. Mal unterstellt, der Typ, der mich da diffamiert (s.o.) handele nicht in staatlichem Auftrag.
Ich fühle mich aber durchaus in meiner Meinungsfreiheit bedrängt durch die hohe Dichte an Kritik, Vorwürfen bis hin zu Beschimpfungen, weil ich nicht das schreibe, was manche Leute gerade von mir erwarten. (Meine Standardfrage: Warum schreiben sie es nicht selbst, wenn sie meinen, dass sie es besser wissen als ich? Warum würde einer, der sich für schlauer hält, sich seine Texte von einem schreiben lassen, den er für dümmer hält?)
Selbst, wenn ich es wollte: Ich bekomme auch diamtral gegenteilige Kritik. Manche beschweren sich, ich würde das alles nicht ernst genug nehmen. Andere beklagen, mein Humor sei abhanden gekommen.
Vielleicht haben die Leute inzwischen fortschreitenden Lagerkoller.