Ansichten eines Informatikers

Warum man das Kopftuch verbieten sollte

Hadmut
10.2.2008 1:25

Es gibt immer wieder heiße Diskussionen darüber, ob Lehrerinnen an Schulen, Studentinnen an Universitäten oder Frauen in anderen öffentlichen Einrichtungen Kopftuch tragen dürfen sollten oder nicht. Gemeint ist nicht das früher übliche Kopftuch gegen Wind und Wetter, das inzwischen mit der Outdoor-Kleidung in abgewandelter Form wieder aufkommt und durchaus fetzig sportlich aussehen kann (und inzwischen in Form des Buff-Tuches auch bei Männern üblich werden, ich hab auch so ein Ding, weil es auf Reisen in die kleinste Tasche paßt und man trotzdem immer Sonnen-/Wind-/Sandschutz dabei hat). Gemeint ist das religiöse Kopftuch.

Nun laufe ich generell (von Geschäftsterminen mal abgesehen) eher nach Gutdünken und bequem herum und bin der Meinung, daß sich jeder weitgehend kleiden kann, wie er will, solange die Hygiene gewahrt ist und andere sich nicht unmittelbar belästigt fühlen müssen. Ob nun Schlabberhosen, Shorts oder Minirock, jeder wie er/sie/es will. Was nicht heißt, daß ich mir Kommentare oder das Lästern verkneifen würde, das darf ich ja auch, denn manches ist einfach geschmacklos und verdient Spott.

Auch gegen Kopfbedeckungen ist nichts einzuwenden, gerade als Mann mit wenig verbliebenem Haupthaar (meine Brusthaare reichen noch nicht zum Hochkämmen…) brauche ich bei kalter Witterung stets irgendeine Kappe oder Mütze, und in sonnenreichen Gegenden wie Australien einen Hut, ich hab ne ganze Sammlung davon. Und das Barett beim Bund war so schlecht auch nicht. Ein Gegner der Kopfbedeckung bin ich also nicht. Und man sollte auch wissen, daß es zum guten Benehmen gehört, daß Männer in Räumen ihren Hut abnehmen, während Frauen ihren Hut aufbehalten können (wegen der Frisur und so). Davon ausgenommen ist die jüdische Kippa, deren Aufbehalten den Benehmensregeln nicht widerspricht. So weit, so gut.

Etwas anders sehe ich das beim religiösen Kopftuch für Frauen. Da habe ich ernsthafte Zweifel daran, daß man das tolerieren sollte.

Dabei muß man jedoch sehr aufpassen, daß man nicht insgeheim mit zweierlei Maß misst. Warum sollte man die jüdische Kippa und die Tracht einer katholischen Nonne akzeptieren, das islamische Kopftuch aber nicht?

Die Frage ist heikel und gefährlich, denn sie ist falsch gestellt. Die Frage ist, ob das Kopftuch mit Kippa und Nonnentracht überhaupt vergleichbar ist. Und das ist es meines Erachtens nicht (ich bin durchaus belehrbar, man informiere mich über meine Irrtümer und Denkfehler) . Mir wäre nämlich nicht bekannt, daß auf Personen jüdischen Glaubens ein – gesellschaftlicher oder religiöser – Druck ausgeübt würde, eine Kopfbedeckung zu tragen. Ich habe auf Reisen geschäftlicher und privater Natur viele Leute dieses Glaubens getroffen, die völlig unbehelligt und ohne jede Einschränkung ohne dieses Ding herumgelaufen sind. Auch die Katholiken erwarten nicht von Gläubigen, in Nonnentracht herumzulaufen. Ich bin mal in einem Zug unversehens unter einen fidelen Haufen von Nonnen geraten, mit denen ich mich über 3 Stunden lang lustig unterhalten habe. Bei der Gelegenheit hab ich auch mal gefragt, warum sie eigentlich alle ganz unterschiedliche Kleidung anhaben. Weil jede von einem anderen Kloster/Orden/Stamm stammte und sie auf dem Weg zu einem Lehrgang über Bewirtschaftung waren. Teilweise hatten sie auch studiert, Wirtschaftswissenschaften und Informatik und sowas. Sie sagten auch, daß sie das nicht tragen müssen, aber daß es im Vergleich zu Hosen viel bequemer sei, daß normale Kleider und Röcke auch keinen Vorteil brächten, und man in Nonnentracht sowieso überall durchkommt. Außerdem hätten sie genug von dem Zeugs, warum also Geld für andere Kleidung ausgeben? Jedenfalls erschien mir das eher heiter und harmlos. Ich habe noch nie gehört, daß irgendwer dazu gezwungen worden sei.

Anders sieht das bei dem religiösen Kopftuch aus. In manchen Ländern wird das Kopftuch gleich zum Ganzkörpersack (vgl. Find the woman), und es drohen erhebliche Strafen bis hin zu Auspeitschungen und mehr, wenn Frau sich ohne so ein Ding rauswagt. Ich halte einen solchen Umgang mit Menschen für nicht akzeptabel. Jedenfalls nicht in einem freiheitlich-demokratischen Land. In anderen Ländern mag der Respekt vor deren Gesetzen, Gebräuchen und Kultur ein erhebliches Argument dafür sein, dies hinzunehmen und sich darunter zu fügen. Aus genau demselben Grund kann aber auch der Respekt vor unser en eigenen Gesetzen, Gebräuchen und unserer Kultur gebieten, dies gerade nicht hinzunehmen. Es wäre lächerlich, wenn ich als Reisender die Gesetze und Gebräuche anderer Länder respektierte, die meines eigenen Landes aber nicht. Das When in Rome, do as the Romans do muß auch für westliche Länder gelten. Es wäre damit unvereinbar, beispielsweise einer türkischen Frau aus vermeintlichem Respekt vor einer fremden Religion geringere Freiheitsrechte einzuräumen als einer deutschen Frau.

Heißt diese Freiheit aber nun, anziehen zu dürfen was man möchte oder nicht anziehen zu müssen, was man nicht möchte?

Ich glaube, es ist letzteres. Ich habe nämlich noch nie gehört, daß jemand ein solches religiöses Kopftuch trägt, weil man im Hörsaal an den Ohren friert oder weil es mit bequemer ist als ohne. Die Gründe liegen in gesellschaftlichen Zwängen oder in der Auffassung, daß es von Gott gewollt sei, daß die Frau sich einen Sack über den Kopf zieht. Ich halte es nicht mehr für Freiwilligkeit, wenn man jemandem von kleinauf einredet, daß ein Gott das gewollt haben würde, bis die Leute es am Ende selbst glauben oder fürchten, ohne Kopftuch nicht ins Paradies zu kommen. Gerade diese Form des subtil-bösartigen Einredens macht das Kopftuch in meinen Augen inakzeptabel. Ich habe den Koran nicht gelesen und weiß nicht, was drin steht. Das heißt, ich habe mal versucht, eine deutsche Übersetzung zu lesen, und es auch gleich wieder aufgegeben. Das war mir unverständlich, nicht nachvollziehbar und erschien mir ziemlich verworren. Mehrere hochreligiöse Muslime, mit denen ich mich unterhalten habe (ich habe mal im HaDiKo mit einigen zusammengewohnt, wo man sich ziemlich häufig in der Küche beim Kochen über alles mögliche unterhalten hat), sagten mir, daß es im Koran keine Vorschrift gäbe, daß Frauen ein Kopftuch tragen müßten, aber daß es viele Aussagen gäbe, die man mal so und mal im Gegenteil auslegen könnte. Einen greifbaren religiösen Hintergrund hätte das mit dem Kopftuch gar nicht, das wären eher landesspezifische Sitten, die als religiös hingestellt werden. Deshalb gäbe es auch viele muslimische Länder, in denen die Frauen keine Kopftücher tragen, und die wären nicht weniger religiös und kämen genauso ins Paradies. Ob das nun stimmt, weiß ich nicht.

Als kritischem, freiheitlich orientiertem Geist erscheinen mir aber die Gründe, das Kopftuch an Universitäten zu verbieten, die Gründe für die Freigabe des Kopftuches weit, weit zu überwiegen.

Ein anderer Punkt ist, daß ich es als gewisse Unhöflichkeit empfinde, wenn eine Muslima mir hier in Deutschland mit einem Kopftuch gegenüber tritt. Denn wenn ich in deren Land bin, habe ich mich an deren Sitten zu halten, und vor allem die muslimischen Länder sind nicht gerade sehr tolerant, was Sitten und Verhalten angeht. Im Umkehrschluß kann ich aber doch erwarten, daß Leute aus diesen Ländern die Sitten meines Landes ebenso befolgen, und das heißt eben, mir “mit offenem Visier” entgegenzutreten (vgl. das Handschütteln als Zeichen, keine Waffe zu tragen; das Salutieren der Soldaten als Öffnen des Visiers; das Anstoßen der Gläser als ein gegenseitiges Vermischen der Getränke zum Beweis, daß man dem anderen kein Gift einschenkt; die Sitte, daß man den anderen anschaut wenn man mit ihm redet). Hier ist es eben üblich, dem anderen offen und frei gegenüberzutreten, und nicht mit einem Schildkrötenpanzer. Und wenn mir dann noch jemand sagt, daß das Kopftuch (Burka,…) den Sinn habe, die Frau vor den gierigen Blicken bis hin zu direkten Übergriffen von Männern zu schützen, dann mag das durchaus seinen Sinn in den Ländern haben, in denen sich die Wüstensöhne wüst benehmen und ihre Triebe (erziehungsbedingt) nicht im Griff haben, und in denen Frauen schon dafür ausgepeitscht werden, wenn sie mit Männern im gleichen Auto sitzen. In Deutschland ist es jedoch nicht üblich, Frauen schon deshalb als schutzloses Freiwild oder Huren anzusehen und über sie herzufallen, weil sie ohne Sack über dem Kopf rumlaufen. Insofern muß ich mir dann schon überlegen, ob ich es nicht als ziemliche Beleidigung aufzufassen habe, wenn eine Frau mir mit Kopftuch gegenübertritt weil sie das Kopftuch als Schutz gegen Übergriffe bräuchte, und mir damit implizit unterstellt, daß sie von mir Übergriffe zu befürchten habe. Meine Toleranz endet da, wo ich in die Sache involviert werde, weil mir als Exemplar der Gattung Mann a priori gefährliches Fehlverhalten unterstellt wird, denn das empfinde ich als beleidigend.

Der Grund, warum ich mir gerade heute Gedanken über das Kopftuch mache, ist der, daß heute in der Türkei gegen die Proteste vieler das Kopftuchverbot an türkischen Universitäten aufgehoben wurde. Ich halte das nicht für gut. Dazu erschien in der Welt ein Artikel mit einem Zitat betroffener Frauen, das ich für höchst bedenklich halte:

Die große Sorge der Laizisten, dass diese erste Lockerung des Kopftuchverbotes in der Türkei eine Islamisierungs-Lawine auslösen wird, dass durch Gruppenzwang besonders in der Provinz auch nichtreligiöse Frauen gezwungen sein werden, Kopftuch zu tragen, diese Sorge ist nach Meinung der drei Frauen unbegründet.

Aber da ist ein kleiner Unterton. “Ich denke, dass wir, indem wir den Türban tragen, andere Frauen an ihr Gewissen erinnern”, sagt Remziye. “Vielleicht fragen sie sich dann aufgrund ihrer Gewissensbisse, ob sie nicht auch Kopftuch tragen müssten.”

Und dann wenn das Kopftuch erklärtermaßen (auch) zu dem Zweck getragen wird, Frauen ohne Kopftuch anzumahnen und es als Gewissenssache hinstellen, mit Kopftuch herumzulaufen, es also in seiner Zielrichtung nicht auf das eigene Gewissen beschränkt ist sondern auf das Gewissen anderer abzielt und sie damit unter Druck setzen soll, dann muß es meines Erachtens verboten werden bzw. bleiben. Besonders Universitäten sollten ein Ort geistiger Freiheit sein und damit frei von solchen Drangsalierungsversuchen und sozialem Druck.

Aber auch hier muß man wieder sehr aufpassen, nicht versehentlich mit zweierlei Maß zu messen. Wer mein Blog verfolgt, wird gemerkt haben, daß ich hin und wieder mal anprangere, wie erschreckend gewissenlos manche Professoren agieren. Hoppla. Einerseits akzeptiere ich Kopftücher nicht, die an das Gewissen appellieren, andererseits beklagte ich die Gewissenlosigkeit. So ganz einfach ist die Sache also nicht. Da muß ich noch ein paar Runden drüber nachdenken.

  • Es bleibt aber dabei, daß ich es als (nach unseren Sitten) unhöflich bis teilweise beleidigend erachte, wenn mir jemand mit Kopftuch oder in einem mehr oder weniger körper-kompletten Sack gegenübertritt.
  • Ich finde die Dinger grausig hässlich. Solange wir nicht Sandstürme oder große Kälte haben, sehe ich keinen tatsächlichen Nutzen oder Wert in diesen Dingern. Wenn junge Frauen sich in enge Jeans zwängen und sich schminken um sich hübsch zu machen, und sich dazu dann so ein Ding überziehen, frage ich mich, was die sich dabei eigentlich denken. Wenn alte dicke Frauen zu dem Kopftuch noch diese unsäglichen langen Kittel tragen, dann ist das schon schrecklich. Wenn ich aber junge, hübsche Frauen in solchen Sackkitteln rumlaufen sehe (komischerweise stehen die dann meist im Supermarkt in der Kassenschlange) dann stellt sich mir die Gesamtfrage, was dieser Krampf überhaupt soll. Natürlich merke ich, daß ich mit dieser Frage an sich die Frage im Prinzip schon beantwortet habe, denn so wie ich das verstanden habe, ist es ja gerade Sinn und Zweck dieser Verschandelung von Menschen, daß ich als Exemplar der bösen Gattung Mann erst gar nicht bemerke, daß da ein junges, (vielleicht) hübsches Mädchen steht, denn gerade diese Erkenntnis könnte ja religiös verwerflich sein und die Weiterungen nicht auszuhalten. Vielleicht ist es ja gerade der Zweck des Sackes, Schönheit zu verbergen, und die erlauchte Hässlichkeit nur Merkmal effektiver Aufgabenerfüllung. Historisch mag das seinen Zweck gehabt haben, genauso wie es Zweck hatte, Schweinefleisch zu meiden.

    Ich bezweifle, daß es wirklich funktioniert. Denn durch diese Reizunterflutung erzeugt man diese Übergriffshaltung gegenüber unverpackten Frauen ja erst. Außerdem finde ich es einfach unwürdig und unangemessen. Man verpackt Leute nicht in Säcke, und man redet Leuten auch nicht von Kindheit an ein, daß das so sein müsse, weil Gott dies von ihnen erwarte, oder daß das Teil ihrer Persönlichkeit sein müsse.

    Ich halte diese Säcke und das Abrichten auf Sacktragen für unethisch. Es widerspricht dem, was Kant als kategorischen Imperativ formulierte.

  • Stets berücksichtigen sollte man, daß viele scheinbar religiöse Forderungen nur religiös verpackte Handlungsanweisungen sind, die (früher) durchaus sinnvoll und berechtigt waren. Schweinefleisch zu meiden, wo es keine Kühlschränke gab, Anweisungen wie man sich zu waschen hat, Milch und Fleisch zu trennen, Verhaltensvorschriften in der Gruppe usw. usw. sind damals wirklich sinnvoll gewesen. Aber religiösen Ursprungs sind sie eigentlich nicht.

    In einer Zeit, in der es keine moderne Polizei gab, oder an Orten, an denen das heute noch so ist, und an denen Frauen wirklich Freiwild sind, kann es durchaus sinnvoll und effektiv sein, Sack zu tragen, um sich vor Vergewaltigung und Belästigung zu schützen. Das rechtfertigt aber nicht, dies als religiösen Akt auszugeben und den Zwang auch auf unsere Gesellschaft auszudehnen.

    Wenn es wirklich um Schutz vor Vergewaltigung geht, wie manche sagen, sollte man in Erwägung ziehen, ob es nicht effektiver und gerechter wäre, den Männern blickdichte Säcke über den Kopf zu ziehen.

Nein, ich halte nicht viel von religiösen Kopftüchern. Vor allem nicht, wenn die Religiosität nur Vorwand ist.

4 Kommentare (RSS-Feed)

Jens
10.2.2008 3:11
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Es wäre lächerlich, wenn ich als Reisender die Gesetze und Gebräuche anderer Länder respektierte, die meines eigenen Landes aber nicht. Das When in Rome, do as the Romans do muß auch für westliche Länder gelten.

Hier sei auf den Begriff des ordre public verwiesen, worunter man gemeinhin die elementaren Grundsätze der hiesigen Rechtsordnung versteht.


yasar
10.2.2008 19:23
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Hallo Hadmut,

Du solltest aufpassen, daß Du das Kind nicht mit dem Bade ausschüttest.

Erst mal vorweg:

1. Ich halte auch nicht viel von Kopftüchern, insbesondere dann, wen diese unter Zwang angezogen werden.

2. Unter den hier lebenden Muslimen, insbesondere unter den türkischen Muslimen sind diejenigen, die sich vermummen in der Minderheit.

3. Mein Standpunkt zu den Religionen ähnelt in großen Teilen auch Deinen Ansichten.

Aber ich muß Dir mit dem Kopftuchverbot widersprechen, und der Grund ist überhaupt kein religiöser, sondern liegt in der freiheitlich demokratischen Grundordnung die wir hierzulande hochschätzen, auch wenn Schäuble und Konsorten diese Stückchenweise einschränken und untergraben.

Auch wenn viele Mädchen/Frauen das Kopftuch unter Zwang tragen, so gibt es dennoch auch sehr viele, die dies freiwillig tun, und denen es unwohl wäre, wenn sie keines tragen dürften. Daher wäre es in meine Augen eine starke Einschränkung der persönlichen Freiheit, diese Frauen das Tragen des Kopftuches zu verbieten.

Man könnte nun sagen, man verbietet nur das “religiöse” Kopftuch. Das wirft, natürlich das Problem auf, wo da die Abgrenzung ist, insbesondere wenn man dann anfängt dieses Verbot nicht nur auf das Kopftuch, sondern auf die gesammte Kleidung übertragen will. Ich wäre verdammt noch mal sauer, wenn man mir vorschreiben wollte, was ich anziehen darf und was nicht. Ich will die Freiheit haben, selbst zu entscheiden ob ich in Lumpen oder in Kompetenzverstärkern ‘rumrennen will, wobei man ja außer an Fasching eh in “normaler” Alltagskleidung rumrennt. 😉 Daher muß man dies auch anderen Menschen zugestehen. Und das heißt für mich, daß man keinem verbieten kann als Kleidung das zu wählen was er für passend hält.

Dann muß man halt als Preis für diese Freiheit in Kauf nehmen, auch mal von Mädchen und Frauen angelächelt zu werden, die ein Kopftuch tragen.

Natürlich hast Du recht, wenn Du sagst, man muß dem entgegenwirken, daß Kopftücher unter Zwang angezogen werden. Aber Tatsache ist, daß hier das Kopftuch nur ein Symptom ist und nicht die eigentliche Ursache. Was Du bekämpfen willst, ist, daß in der Erziehung dermaßen Zwang auf Knaben und Mädchen ausgeübt wird, daß diese dann später in Ihre “gottgebenen Rollen” verfallen. Das muss man aber ganz anders lösen (nein ich habe da kein Patentrezept, wie man das macht). Un nur weil ein Kopftuch verboten wird, wird das noch lange nicht dazu führen, die “Erziehung” der Kinder umzustellen. Ich befürchte, daß dann vermutlich andere Methoden zu Anwendung kämen, schlimmer wäre, als ein erzwungenes Kopftuch, z.B. Ausgehverbot, weil man ja dann keine Möglichkeit mehr hat, sich mit einem “Schutz” zu umgeben.

Man sollte sich also genau überlegen, wohin das führen kann, wenn man einfach ein Kleidungstück verbietet, insbesoondere dann, wenn das gear nicht das Kernproblem trifft. Das erinnert mich ein wenig an das Verbot von “Hackerwerkzeugen”, um der Computerkriminalität Herr zu werden.

Aber da ist ein kleiner Unterton. “Ich denke, dass wir, indem wir den Türban tragen, andere Frauen an ihr Gewissen erinnern”, sagt Remziye. “Vielleicht fragen sie sich dann aufgrund ihrer Gewissensbisse, ob sie nicht auch Kopftuch tragen müssten.”

Zu diesem Absatz habe ich zu sagen, die Frauen in der Türkei, die sich entschieden haben kein Kopftuch zu tragen (die Frauen mit Kopftuch sind eher in der Minderheit) denen was husten würden von wegen schlechtem Gewissen.

Das Kopftuchverbot in der Türkei hat dazu geführt, das Frauen, denen ihr Kopftuch wichtig war, bzw.denen das Kopftuch von der Familie aufgezwungen wurde, das recht auf Bildung verweigert wurde. Und Bildung ist in meinen Augen weit wichtiger als ein ordinäres Koftuchverbot. Denn wenn Menschen gebildet sind, fangen Sie auch an zu selbst denken (zumindest einige) und Dinge zu hinterfragen. Das führt dann hoffentlich auch irgendwann dazu, daß sich solche Probleme wie ein Kopftuch von selbst erledigen.

Daher ist in meinen Augen ein Kopftuchverbot durchaus kontraproduktiv. Bei Burkas und anderen Ganzkörperkondomen bin ich mir da aber sehr unschlüssig, was man machen sollte. Das ist durchaus eine ähnliche Problematik, auch wenn hier die Verhüllung viel weitgehender ist.

gruß

yasar

PS: Viele weibliche Verwandte in dem türkischen Dorf, aus dem ich ursprünglich stamme tragen Kopftücher, aber meist nur aus praktischen Gründen, weil es dort im Sommer staubig und im Winter kalt ist, insbesondere, wenn sie auf den Feldern sind. Aber bei gesellschaftlichen Anlässen (Feiern, Hochzeiten, etc.) tragen viele eben kein Kopftuch, insbesondere die jungen Mädchen, gerade dann wenn auch interessante Jungs in der Nähe sind.


Stefan
11.2.2008 7:48
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Das scheine ich ähnlich wie Yasar zu sehen.

“Do as the romans do” heißt in einer freiheitlichen Rechtsordnung: Jeder nach seiner Facon!.
Ob lila Irokesenschnitt oder Kopftuch.

Und es klingt für mich auch befremdlich “religiöses Kopftuch”.
Die Trägerin mag religiös sein, das Tuch ist es nicht. “Die Religion betreffend” – nun ja – so gesehen vielleicht doch.

Eine Christin darf also ein schmuckes Nike-Kopftuch als Modeaccessoir tragen, aber die Türkin nicht, weil die Türkin unter Verdacht steht, es religiös motiviert zu tragen, bzw. auf Grund des sozialen Drucks ihrer Familie und Freunde?
Will man das wirklich prüfen?

Den christlichen Nonnen gesteht man zu, daß es kein Zwang sei.
Auch kein Druck der Peergroup?

Ist das Kopftuch ein Beweis der Unterdrückung der Frau? Brauchen wir ein BH-Verbot?

Ich mag keine Kopftücher – meine Großmutter mütterlicherseits hat auf alten Schwarz-Weiß-Fotos häufiger eins – es ist so konservativ.
Aber ich kann meinen Geschmack nicht anderen aufzwingen.

Manche Muslime behaupten ein Kopftuch soll getragen werden, manche verneinen dies.
Ich bin auch nicht dazu da den Koran zu interpretieren oder kulturelle Gebräuche zu verbieten, die niemandem schaden.

Das das Kopftuch die Frau schützt kann man wohl getrost als religiöse Phantasie abhaken.

Es scheint mir auch paradox die Freiheit der Frau dadurch befördern zu wollen, daß man ihr qua Gesetz eine Haartragekonvention verordnet.

Im Fernsehen sah ich Frauen, die ein Kopftuch trugen, und darüber eine Perücke – so sah es nicht aus, als ob sie ein Kopftuch hätten. Das fand ich erheiternd. 🙂
Es schien mir dann aber so zu sein, daß sie das auf dem Weg zur Uni anhatten, und in der Uni sowohl Perücke als auch Kopftuch ablegten – so ganz klar wurde mir das nicht.

Die Frau wird nicht frei indem man ihr einen Zwang antut. Man kann Emanzipation nicht erzwingen.

Ich sehe hier nur ein Symbolhandeln am Werke. Man will die kulturelle Differenz nicht wahrnehmen – aber eine reaktionäre Gesinnung die man nicht sieht findet man in Ordnung.

In Deutschland kann niemand gezwungen werden ein Kopftuch zu tragen – wieso also verbieten?
Was ist mit Kleidungstraditionen anderer Kulturen?
Was ist mit Männern?
Sind wir wieder die Täter – ja?

Außerdem fürchte ich, daß auf dem Weg staatlicher Anpassungsdruck salonfähig wird.

Mit der Frage, ob denn Burkas erlaubt sein sollen bringt man mich dann aber doch in Verlegenheit.

Sorge bereitet mir, wenn viele Frauen zum Kopftuch greifen, aber das Kopftuch selbst ist nicht so das Problem.
Ein Verbot ist ein hilfloses doktorn an Symptomen, und ein Verbot verhindert, daß Frauen sich freiwillig ohne zeigen.

Ich glaube damit löst man auch eher Trotz aus.

Und wenn ich sehe wer alles im gleichen Boot säße, schlösse man sich der Verbotsfraktion an, dann bin ich doppelt skeptisch. Sind das nicht erzkonservative Heuchler, die Kapitän und Steuermann abgeben?


yasar
14.2.2008 12:58
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Das mit Perücken über dem Kopftuch kannte ich auch schon und ist auch eine Recht pragmatische Lösung z.B. in der Türkei gewesen, trotz Kopftuchverbot an die Uni zu dürfen und trotzdem sich an die Vorschriften zu halten. (Wie schon erwähnt, schätze ich das Recht auf Bildung höher ein als so ein Kofptuchverbot, daß am echten Problem vorbeiläuft.

Weil es sehr unterschiedliche Auffassungen, wie die Regeln auszulegen sind und die grundlegende Regel nur heißt, daß man sich verhüllen soll, legen das manche Frauen nur so aus, daß Sie nur Ihr Haar verhüllen sollen. Und da das nicht (eindeutig) geregelt ist, wie das zu geschehen hat, machen die das einfach mit einer Perücke, die Ihr echtes Haar ganz verhüllt, ohne Zwischenschaltung eines Kopftuches. Dann wäre natürlich bei einem Verbot für “religiös” motivierte Kopftücher ob das dann auch für “religiös” motivierte Perücken gilt.

Eine Möglichkeit es auch, einfach die Ferengi-Bekleidungsregeln für Frauen vorzuschreiben. Das würde jegliche Diskussion ob ein Bekleidungsstück nun religiös motiviert ist oder nicht überflüssig machen. 🙂